Laryn schnürte ihre Schuhe und flocht ihre Haare fester als sonst. Es war so weit. Die Initiation stand an. Ihr Lächeln war durch ihre Konzentration geflohen. Normalerweise wog die Freude bei der Jagd über, aber heute war es anders. Es stand viel auf dem Spiel. Ihre Rüstung hatte sie den Tag zuvor wie immer genauestens gepflegt. Die Klinge ihres Messers hatte sie geschärft und geölt. Ein lächerliches Verteidigungsmittel, aber besser als nichts. Die schweren Waffen würde sie bei der Initiation selbst finden können. Sie richtete sich auf und blickte in ihr Spiegelbild. Für einen Moment sah sie sich selbst in die Augen… drehte sich um und trat endlich zu ihrem Gefährten.
„Lass uns gehen."
Prüfend und doch mit Stolz und Liebe im Blick, besah sich Tirzah seine Gefährtin. Sie war soweit. Schön, stolz, stark. Er könnte nicht stolzer auf sie sein, selbst wenn der unwahrscheinliche Fall eintrat, dass sie heute sterben würde. Sanft umfasste er ihr Gesicht und legte seine Stirn an ihre. Eine vertraute Geste, die so viel mehr aussagte, als alle anderen Berührungen. Dennoch hielt sie nur kurz an, bevor er sich wieder löste. Ein sachtes Lächeln auf dem Gesicht nickte er schließlich und öffnete das Schott. Er selbst hatte sich ebenso herausgeputzt und trug die meisten seiner Waffen sowie einige Schädel auf seinen Schultern. Doch in seinem Fall war es mehr die Demonstration, dass sie auch abgeschnitten von Yautja-Prime ihren Weg erfolgreich gehen würden.
Auf dem Flugfeld hatten sich viele Schaulustige gesammelt. Natürlich hatte sich schnell herumgesprochen, welche Bedingungen an diese Prüfung geknüpft waren. Es war ein historisches Ereignis und jeder wollte dabei sein. Tirzah ging, wie es seinem Rang entsprach, voraus. Der Weg zu dem Schiff der Prüfer war nicht weit. Davor warteten bereits ein Vertreter eines jeden Clans sowie zwei angehende Jäger. Den Rüstungen nach zu urteilen ein Zamteh und ein Caiman. Beide waren ganz offensichtlich nicht begeistert, dass diese Außenseiterin bei ihrer Prüfung dabei war.
Laryn genoss mit geschlossenen Augen diese so vertraute Geste. Im unglücklichsten Fall, wäre das das letzte Mal, dass sie sie spüren würde. Alleine das war Ansporn genug, dass sie unbedingt erfolgreich sein wollte. Nach allen Regeln lief sie hinter Tirzah. Thanos trottete neben ihr her. Die Weibchen zogen ihre Kinder ein Stück von dem Tier weg, aber sie kümmerte sich nicht darum. Er würde niemanden etwas antun, wenn sie es nicht so wünschte. Komischerweise war ihr zuvor schneller schlagendes Herz plötzlich ruhig, beinahe still.
Sie ignorierte die Blicke, die ihre – mehr oder weniger – Mitstreiter ihr zuwarfen. Heute würde sich alles ändern. Dann war sie nicht länger eine Außenseiterin und nie wieder würde sie so hart von ihnen gewiesen werden. Hoffentlich…
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, trat sie auf das Schiff zu. Sie würde Tirzah heute ehren. Seine Mühe sollte nicht umsonst gewesen sein.
Lediglich mit einem Nicken grüßte Tirzah die Prüfer, die den Gruß zurückhaltend erwiderten. Es war offensichtlich, dass dem Urteil des Rates hier mit Skepsis begegnet wurde. Wie wohl im ganzen Reich. Es war ohnehin eine außergewöhnliche Situation und eine außergewöhnliche Entscheidung. Sie betraten das Schiff, die Türen schlossen sich und der Antrieb wurde gestartet. Kurz darauf blieb Yautja-Prime unter ihnen zurück.
Während des Flugs hatte jeder Prüfling eine Kabine für sich, um sich mental vorzubereiten. Tirzah blieb bei den anderen auf der Brücke. Laryn war bereit. Er wusste es, immerhin hatte er sie ausgebildet und trainiert. Er würde sich auch gegen den Entschluss der Prüfer stellen, sollten diese ihr ungerechtfertigt den Sieg absprechen. Es wäre nicht ehrenhaft und doch erkannte er es als Möglichkeit an. Immerhin bedeutete ihr Sieg in diesem Fall mehr, als nur den Aufstieg eines Jünglings zu einem vollwertigen Jäger. Es würde die Regierungsstruktur verändern.
Einige Stunden später landete das Schiff auf der Erde. Es war einige Zeit her, dass sie hier gewesen waren. Auch nicht in diesem Teil, sondern weiter nördlich. Dort, wo Laryn einige Zeit unter den Menschen gelebt hatte.
Laryn ließ den anderen Jägern den Vortritt, als sie das Schiff verließen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie sich sowieso gleich vorne hingestellt hatten. Sie hatte es nicht eilig und auch nicht nötig, einen Kampf mit ihnen auszufechten. Sie war hier, um ihre Initiation zu bestreiten. Kaum setzte sie einen Fuß auf das Moos des Regenwaldes, wusste sie, wo sie sich befand. Jahre hatte sie hier verbracht, auch wenn weiter nördlich ihr alter Stamm gewesen war. Sie erkannte die Bäume, die um sie herum standen. Nur wenig hatte sich verändert. Als ihr Blick sich hob, brachen wilde Erinnerungen über sie herein. Sie war zwanzig Jahre alt gewesen, als sie als ehrenhaft genug angesehen worden war, um den Götter zu dienen. Es war der Tag gewesen, an dem sie Tirzah kennen gelernt hatte. Damals wollte er sie noch töten und dennoch trat ihr dabei ein Schmunzeln ins Gesicht. Letzte Nacht wollte er das definitiv nicht.
Auch weit unliebsame Erinnerungen kamen ihr auf. Sie wusste noch ganz genau, wie beklommen sie sich damals gefühlt hatte, gejagt von einem Xenomorphen. Alleine, hilflos, verloren und schwach. Sie war nicht ehrenhaft gewesen und bis heute hatte es sich nicht geändert. Ihre Hand ballte sich zur Faust. Heute hatte sie ihre Chance. Heute konnte sie allen beweisen, dass sie es wert war. Die Gedanken an ihre alten Stammesmitglieder verscheuchte sie, ebenso die Bilder, wie damals die ganzen Frauen um sie herum gestorben waren. Auch das mulmige Gefühl in ihrem Magen ignorierte sie.
Tirzah sah die geballte Faust bei Laryn. Nur zu gern wollte er zu ihr gehen, ihr wieder ins Gedächtnis rufen, was er ihr schon so oft gesagt hatte: 'Vergiss nie, dass du es wert bist.' Doch er tat nichts dergleichen. Er durfte nicht. Er durfte ihre Schwäche in diesem Fall nicht offen anerkennen, selbst wenn er es tat. Das Gefühl, es nicht wert zu sein, verfolgte seine Gefährtin bis heute und er hoffte, dass es sich mit Vollendung der Initiation endlich verflüchtigen würde. Nein, er sagte kein Wort, doch sein Blick ruhte auf ihr. Sie war die einzige, die auf den Helm verzichtete.
Neben ihm ließ Thanos ein Jappsen hören. Sacht tätschelte Tirzah ihn. Laryn war nicht die Einzige, die dieser Prüfung mit einer gewissen Nervosität begegnete. Auch er selbst war gespannt, selbst wenn er am Ausgang nicht zweifelte. Und Thanos spürte die Anspannung, die in der Luft war. Zwar verstand er, dass er nicht mit ihr gehen durfte, doch das änderte nichts daran, dass er es wollte.
Amar, der diese Prüfung leitete, gab den jungen Jägern den Befehl zu gehen. Augenblicklich setzten sich diese in Bewegung. Die Prüfung hatte begonnen. Kaum waren die jungen Jäger im Dickicht verschwunden, zogen sich die Predator in das Schiff zurück. Auf der Brücke betrachteten sie die Hologramme, die die Aktionen und Bewegungen der Prüflinge übertrug. Auch die Opfer und jedes andere lebendige Wesen konnten sie so verfolgen. Und wenn es nur so klein, wie eine Maus war.
Laryns Gedanken liefen bereits auf Hochtouren, als sie den Tempel betrat. Einerseits dämmerte es ihr langsam, dass es womöglich Absicht der Prüfer gewesen war, dass sie ausgerechnet an diesem Ort ihre Initiation beschreiten musste, da sie damals noch mehr Mensch war und sie hofften, sie mit ihren Erinnerungen soweit zu stören, dass sie aufgeben würde. Es wollte bereits Wut in ihr aufsteigen, aber mit einem tiefen Atemzug scheuchte sie sie weg. Es würde nicht funktionieren, wenn sie es nicht zulassen würde. Das war nicht nur eine Initiation, sondern ein Test, der ebenso ihr Wesen durchstehen musste und ob sie Predator genug war. Und das war sie.
Die beiden anderen Prüflinge mit ihr waren verschwunden. Sie hatten sich aber nicht zusammen getan. Also musste sie ebenso alleine diese Jagd bestehen. Als erstes musste sie sich orientieren. Sie atmete tief durch und setzte alle ihre Sinne ein. Die Luft war kühl und feucht. Sie hörte es plätschern, auf vielerlei Weise. Auch roch sie noch die anderen, die hier waren. Etwas stand schon fest: Sie musste definitiv weiter hinab. Damals waren die Eier aus dem Boden gekommen und das Ritual der Befruchtung fand auch tiefer unter sich statt. Laryn ging los. Ihre Schritte waren leise und sie dankte Tirzah, der sie stundenlang darin trainiert hatte.
Während sie ihre Umgebung genauestens analysierte, dachte sie darüber nach, wo die Prüfer die Waffen versteckt haben könnten. Ein Messer war besser als nichts, aber gegen einen Xenomorph hätte sie doch lieber etwas größeres.
Die dunkle und feuchte Umgebung war nichts, was es störte. Seine Spezies kam ohnehin ohne Augen zurecht und orientierte sich an Geräuschen und Gerüchen. Es war jung und sein Hunger entsprechend groß. Wohl nicht weniger, als der seiner Artgenossen, mit denen es durch die Gänge streifte. Allein geleitet von dem Bedürfnis nach Nahrung. Ein Geräusch ließ seinen Kopf in die entsprechende Richtung rucken. Gleichzeitig roch es die frische Spur, die seine Beute hinterlassen hatte.
Fleisch!
Lautlos folgte es der Spur. Nur ein leises Kratzen seiner Klauen war zu hören. Da! Vor sich spürte es sein Opfer. Es hörte den Atem, spürte die Wärme, die der Körper ausstrahlte, roch das Blut. Beute! Ohne eine weitere Vorwarnung zu geben, griff es an. Der Körper gab nach, prallte auf den Boden. Scharfe Klauen trafen auf störrisches Metall. Funken sprühten, als es Kratzer auf der Brustplatte hinterließ. Nur einen Moment später spürte es einen scharfen Schmerz an der Seite und machte einen Satz zurück. Mit einem markerschütternden Brüllen, forderte es den Predator vor sich zum Kampf heraus.
Ein Brüllen ließ Laryn innehalten. Sah so aus, als hätte der erste von ihnen einen Xenomorph gefunden. Oder umgekehrt. Sie hoffte eher ersteres. Sie sah das alles nicht als Konkurrenzkampf und würde auch nur einer von ihnen verlieren, war eine Mutter ohne ihr Kind. Nichts, was sie einem Weibchen wünschte, auch wenn sie genau wusste, dass diese wohl ein wenig anders darüber dachten. Auch wenn das Kind keine Ehre nach Hause gebracht hatte, war es dennoch sein eigen Fleisch und Blut. Wie konnte man nicht bestürzt darüber sein? Man hatte Jahre damit verbracht, es zu unterrichten, zu pflegen…
Schnell schüttelte sie den Gedanken daran ab und begab sich tiefer und tiefer in den Tempel. So schnell die Geräusche gekommen und von den Wänden und Gängen widergehallt waren, waren sie auch wieder verschwunden. Es war leise. Der einzige Begleiter war das stetige Tropfen des Wassers.
Laryn wollte gerade abbiegen, als ein weiteres Brüllen ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war ganz in der Nähe. Gerade als sie um die Ecke bog, sah sie, wie ein Xenomorph sich auf einen der Prüflinge gestürzt hatte. Es drückte ihn zu Boden und war im Begriff ihn zu töten, auch wenn er sich dessen mutig mit einem Brüllen entgegenstellte. Bevor er tatsächlich sein Leben verlor, stürzte sie sich auf dieses dreckige Vieh und katapultierte es von ihrem Opfer davon. Sie ließ los, doch die Wucht, mit dem der Xenomorph sie von sich gestoßen hatte, ließ sie einige Zentimeter weit über den Boden schlittern. Nicht zuletzt, da dieser feucht war und nur wenig Halt bot. Fauchend ging sie in Angriffsstellung, bereit ihm ein Ende zu setzen, wenn auch nur mit einem einfachen Messer bewaffnet. Einen Kratzer hatte sie sich bereits eingefangen.
Eine Sekunde später stürzten sie sich schon auf einander. Ein wilder Kampf entstand. Sie kreuzte schützend ihre Arme vor ihrem Gesicht, als es mit den Klauen nach ihr ausholte, wich aus, als sein Schwanz sie erstechen wollte. Das Vieh war definitiv stärker, als sie es vermutet hatte. Der Xenomorph brüllte erneut völlig aufgebracht, dass sein Opfer doch nicht so ein leichtes gewesen war und stürzte sich auf sie. Gemeinsam krachten sie gegen die dahinterliegende Wand, die durch diese Wucht prompt nachgab. Doch anstatt in einen neuen Raum zu stürzen, fielen sie plötzlich. Plötzlich war sie von Wasser umgeben…
Anstatt zu schätzen, dass er noch eine zweite Chance erhalten hatte, sah Vecha dies jedoch eher so, dass ihm dieser Mensch vollkommen ungerechtfertigt die Gelegenheit zum Sieg gestohlen hatte. Er hätte seine Beute erlegen können und damit seine Männlichkeit beweisen! Er war stolzer Zamteh und nun hatte dieses 'DING' ihm den Sieg geklaut! Das würde er nicht auf sich sitzen lassen. Das Messer fester gegriffen, sprang er den beiden hinterher. Er würde sich seine Beute nicht nehmen lassen.
Kalt schlug das Wasser über ihm zusammen. Augenblicklich lieferten ihm die Daten des Helmes die notwendige Info. Rechts von ihm! Vecha machte einen kräftigen Schwimmzug und packte den Xenomorph am Schwanz. Mit einem kräftigen Ruck, der auch ihn selbst näher beförderte, riss er daran und rammte sein Messer in die schwarze Haut. Luftblasen stiegen auf, als das Wesen aufbrüllte. Mit der Klaue hieb es nach dem Predator und erwischte ihn an einer ungeschützten Stelle des Arms. Wobei es keinen Moment lang, von Laryn abließ, deren Haare er erwischt hatte.
Laryn hatte anfangs noch mit bloßer Muskelkraft versucht, sich von dem Xenomorph loszureißen, aber er hatte ihre Haare fest gepackt. Verflucht, sie hätte sie abschneiden sollen! Aber Tirzah…
Plötzlich gab es Dinge, die sie ihrem Gefährten sagen wollte. Dinge, die sie ihm nicht gesagt hatte, bevor sie gegangen war. Dass sie ihn liebte und ehrte, ihn – auch wenn er nicht wirklich ein Gott war – vergötterte. Dass sie die Jahrzehnte mit ihm genossen hatte, keinen Moment bereute. Sie es geliebt hatte, mit ihm alleine zu sein, aber ebenso stolz auf ihn war, dass er sich nicht hatte unterkriegen lassen, auch als alles aussichtslos erschienen hatte. Sie wollte ihm danken.
In diesem Moment bekam sie das Handgelenk des Xenomorphes zu fassen und schaffte es, ihr Messer rein zu rammen. Brüllend ließ es los. Mit drei kräftigen Zügen schaffte sie es, die Oberfläche zu durchbrechen. Sie schnappte nach Luft und hustete. Schnell drehte sie sich um und suchte nach dem Zamteh, der ihnen gefolgt war. Warum tauchte er nicht auf?!
Dieser focht weiter den Kampf mit dem Xenomorph aus. Dank der Ablenkung durch diesen Menschen, wobei er das lieber geflissentlich übersehen wollte, war es Vecha gelungen, sich von hinten an seine Beute zu klammern. Er hieb dem Vieh das Messer in den Hals. Die Luft wurde allmählich knapp, doch alles was in diesem Moment zählte, war der Sieg. Die Säure verteilte sich im Wasser und brannte auf seiner Haut. Nur oberflächlich und ganz sicher nicht tödlich, wenn er nicht zu lange darin verbrachte, aber doch schmerzhaft. Er unterdrückte ein Knurren und schlug erneut mit dem Messer zu. Ein langer Schnitt und der schlangengleiche Körper erschlaffte. Er hatte gesiegt!
Nun wurde es an der Zeit, Luft zu holen. Den Xenomorph am Schwanz gepackt ruderte er an die Oberfläche. Langsam. Viel zu langsam, doch er würde seine Beute nicht los lassen. Seine Lungen brannten wie Feuer, als er endlich die Oberfläche durchbrach. Süße Luft strömte in seine Lungen. Mit keiner Geste erkannte er die Frau neben sich an. Er gönnte sich lediglich ein paar Atemzüge mehr, bevor er sich orientierte und mit einem Arm zum steinernen Ufer ruderte. Den Xenomorph hinter sich her ziehend.
Bevor er sich jedoch mit dessen Blut zeichnete, sah sich der Zamteh um. Offenbar waren sie in einer Zisterne gelandet. Sie war an den Wänden teilweise abgestuft, doch der Wasserstand war niedrig und die einzige Öffnung außer der, durch die das Regenwasser hinein floss, war gute zehn Meter über ihnen in der Wand. Gut, vielleicht würde dann dieses mickrige Etwas dann hier elendig zugrunde gehen. Er würde ihr ganz sicher nicht hinaus helfen.
Mit dem Messer trennte Vecha dem Xenomorph einen Finger ab. Was nun kam, würde ihn endgültig zum Mann machen. Ohne zu zögern zeichnete er mit dem Blut das Zeichen seines Clans auf seine Haut. Der Schmerz ließ ihn knurren, doch er zuckte nicht zurück.
Laryn entkam ein halbes Knurren. Das hätte ebenso der ihrige Xenomorph sein können und es wäre fair gewesen, wenn sie geteilt hätten. Schließlich hatte sie ihm das Leben gerettet. Die Säure des Blutes von diesem Vieh ließ ihre Haut brennen, sodass sie jeglichen Gedanken an den Zamteh ruhen ließ. Sie hatte ihre Initiation noch nicht abgeschlossen. Über ihnen war ein Ausgang, den sie schlecht nutzen konnte. Über diesen war sie überhaupt erst hier her gekommen. Aber wenn hier Wasser war, musste es erstens einen Ort geben, wie es hier her kam und zweitens musste es irgendwo weg fließen können. Sie tauchte unter, weiter weg von dem Blutschwaben und suchte sich ihren Weg. Glücklicherweise fand sie tatsächlich einen Durchgang, durch das das Wasser hier her gelangen konnte und sie war schmal genug um gerade noch so durchzukommen. Die Luft wurde immer knapper und knapper, auch wenn sie zuvor noch einmal Luft geholt hatte. Für einen kurzen Moment fauchte einer ihrer Gedanken, dass sie es nicht mehr schaffte, da tauchte sie schon auf. Es war eine Art Brunnen. Ein Seil hing zu ihr hinab, an dessen anderer Ende ein Kübel befestigt worden war. In diesem Moment war sie doch tatsächlich dankbar, körperlich mehr Mensch zu sein. Sie hätte es es sonst nie raus geschafft und das Seil hätte ihr Gewicht nicht tragen können.
Bevor sie sich weiter auf die Jagd machte, ging sie an den Ort zurück, an den sie in diesen unterirdischen See oder was auch immer das sein sollte gestürzt war. Eine Liane hatte sich schnell gefunden, dessen Ende befestigte sie an einer Statue. Den Rest ließ sie einfach hinabfallen, damit der Zamteh eine einfachere Möglichkeit hatte, zu entkommen. Nun konnte sie weitergehen.
Der erste der Brut mochte erlegt worden sein, doch es gab noch sechs weitere Xenomorph, die hungrig durch die Pyramide streiften. Äußerlich vollkommen gelassen betrachtete Tirzah den Verlauf der Prüfung. Die Arme vor der Brust verschränkt. Bisher hatte sich Laryn gut geschlagen, selbst wenn sie noch keinen Sieg verzeichnen konnte. Noch sah er es auch noch relativ entspannt. Er bemühte nicht einmal den Computer an seinem Arm, um ihre Vitalfunktionen zu prüfen. Eine Gewohnheit, die er noch immer beibehalten hatte.
Inzwischen näherte sie sich einem der Verstecke, in denen ein Speer verborgen war. Auch dieser war, wie die Messer, aus der speziellen Legierung, die dem Säureblut widerstand. Ob sie ihn finden würde? Nicht weit entfernt pirschten sich zwei Xenomorphe durch die Gänge. Mit keinem Zucken gab Tirzah preis, wie sehr er sich innerlich anspannte. Er wusste, wie gut seine Gefährtin war und er wusste, dass sie diese Prüfung bestehen würde und trotzdem ertappte er sich dabei, dass er sich Sorgen um sie machte.
Laryn war leise, aber dennoch kam sie schnell voran. Inmitten eines kleinen unscheinbaren Raumes blieb sie stehen und lauschte. Sie hörte nichts. Als sie um sich blickte, entdeckte sie einer der vielen Statuen, die die Predator darstellen sollten. Die Götter ihres alten Stammes. Kopfschüttelnd drehte sie sich um und wollte weitergehen, da blieb sie schon wieder stehen. Es machte sie stutzig, dass der Speer, der die Statue hielt, etwas mehr glänzte, als die Nachbildung. Da dämmerte es ihr. Sofort drehte sie sich um und packte die Waffe. Sie hatte eine gefunden! Und damit konnte sie locker einen Xenomorph ein wenig auf Abstand halten.
Schneller, als dass sie es sich selbst zugetraut hätte, machte sie einen Satz zurück, als ein wenig Staub auf sie herabrieselte. Wenn man vom Teufel sprach, hätte Raymond gesagt. Nur war Raymond nicht mehr am Leben.
Dieser hatte nicht wirklich damit gerechnet Laryn jemals wieder zu sehen, nachdem sie mit dem Predator aus dem Stützpunkt geflohen war. Nicht, dass die Army sie nicht gesucht hätten. Gefunden hatten sie jedoch nur den gestohlenen Jeep und eindeutige Spuren in den Wald hinein. Sogar Spuren des Schiffes hatten sie gefunden, doch sowohl Laryn als auch das Monster waren wie vom Erdboden verschluckt. Raymond hatte geflucht und getobt. Vor allem, weil damit sein Erfolg bei dem Projekt gescheitert war. Nicht nur, dass er den Predator hatte entkommen lassen, auch Laryn Miller, die auf seinen Vorschlag hin zur Agentin ausgebildet worden war, war geflohen. Informationen hatten sie keine erhalten. Ein Fehlschlag auf der ganzen Linie.
Es war auch nicht Laryn, die er zuerst wiedersah. Es war das Monster und auch das nicht sofort. Etwa drei Jahre, nachdem dieses Fiasko geschehen war, hatte er sich Abends zum Schlafen hingelegt und war ein paar Stunden später ganz woanders wieder aufgewacht. Um ihn herum ragten Dschungelpflanzen auf. Er war ganz sicher nicht mehr in Missouri/USA. Bis auf Shorts, Socken und Shirt hatte er nichts an, dafür lag jedoch seine Glock neben ihm. Was war das hier für eine Scheiße? Er packte die Waffe. Sie war geladen.
Ein Knurren ließ ihn herumfahren. Nicht weit von ihm materialisierte sich die Gestalt eines Predator. „Du hast eine Stunde Vorsprung“, gab er ihm knurrend zu verstehen. „Danach werde ich dich töten.“
Laryn stöhnte laut auf, als sie zum zweiten Mal an diesem Tag gegen eine Wand geschleudert wurde. Diesmal hatte sie nicht nachgegeben. Dafür wich sie dem Stich des Schwanzes aus und schlug eine Rolle zur Seite. Der Speer stach durch den Oberschenkel in die Hüfte des Xenomorphs, wäre da nicht der Zweite, der plötzlich über sie herfiel. Gerade noch so konnte sie den Schwung des Viehs nutzen und es über sich hinweg hieven, ansonsten wäre mit ihr dasselbe wie mit dem Zamteh geschehen. Nur mit dem Unterschied, dass niemand da wäre, um ihr Leben zu retten. Schnell kam sie wieder auf die Beine. Das Adrenalin raste durch ihren Körper und verlieh ihr noch mehr Stärke.
Während das eine Vieh vor Schmerzen schrie und versuchte einen halbwegs sicheren Stand zu bekommen, hatte das andere sich schon gefangen und wandte sich ihr wieder um. Zwischen seine spitzen Zähne tropfte Speichel hervor...
So unehrenhaft es unter Predator auch war, zu zweit gegen einen einzigen Gegner vorzugehen, so wenig kümmerte dies die Xenomorphe. Ihr Ziel war Nahrung, ganz gleich auf welchem Weg sie sie erreichen konnten. Kreischend stürmte es auf seine Gegnerin zu. Diese Beute war ihnen ganz sicher unterlegen. Kein Grund, den Rückzug anzutreten.
Und Laryn duckte sich unter dem Angriff weg, sprang mit voller Wucht auf den Schwanz des Xenomorphs und versenkte ihr Messer zwischen den Wirbeln. Es schrie furchtbar auf und auch das Blut des Viehs kam dabei auf ihre Hand und verätzte ihre Haut. So sehr es auch brannte, sie ließ nicht los. Sofort zog sie die Klinge mit einem gehörigen Ruck raus und rammte es in seine Kehle. Es gurgelte, als es zu Boden glitt. Kaum war es tot, versuchte schon der andere sie wieder anzugreifen. Es war ein Akt bloßer Verzweiflung. Der Speer hinderte es daran, richtig zu laufen und im nächsten Moment fiel es ebenso tot um. Schwer atmend blickte Laryn auf ihre Beute hinab. Sie… hatte es geschafft. Sie hatte es geschafft!
Ihre Knie gaben nach und sie krachte auf den Boden. Sie hatte es geschafft. Für einen Moment atmete sie tief durch, versuchte ihre brennende Lunge wieder unter Kontrolle zu kriegen. Nachdem das geschafft war, rutschte sie ein wenig näher und schnitt dem ersten Xenomorph einen Finger ab. Sie war Clanlos und sie würde es immer bleiben. Und alleine das war es wert, dass sie selbst ein Zeichen hatte. Ein Zeichen ihres Eigenwillens. Sie hatte lange darüber nachgedacht, aber immer wieder war sie zu einem zurückgekehrt. Laryn zischte vor Schmerz auf, als sie das Zeichen in ihren Oberarm einbrannte. Ein Halbkreis, der mit einem waagrechten Strich durchzogen war. Der Halbkreis stand für den Mond und der Strich für den See. Der Ort, an dem sich Tirzah und sie das erste Mal geliebt und gegen sämtliche Vorschriften verstoßen hatten.
Dann begann sie, die Viecher zu köpfen und zu häuten. Sie musste die Schädel bringen, das war die Abmachung.
Die Beobachter hatten diesen Kampf natürlich verfolgt. Ebenso wie den weiteren Weg von Vecha und Orin. Selbst wenn Tirzah es gewollt hätte, er hätte sich das zufriedene Grinsen nicht nehmen lassen, als die beiden Xenomorphe tot zu Boden gingen. Laryn hatte es geschafft. Sie hatte gesiegt und dieser Sieg war nicht anfechtbar. Nun war sie eine Jägerin. Ein paar der Prüfer sahen ihn an, doch er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Nein, er fand es sogar absolut überflüssig, sie darauf hinzuweisen, dass Laryn, sein Findelkind, der Streuner, das Ergebnis von Genmanipulation, nun als vollwertige Jägerin anzusehen war. Und er selbst damit seinen Platz im Rat erhalten würde.
Er konzentrierte sich weiterhin auf die Bilder, die ihnen das Hologramm lieferte. In einem anderen Teil der Pyramide kämpfte Orin gerade mit zweien seiner Gegner. Es war nicht so, dass er weniger Geschick zeigte, doch sein Schicksal war besiegelt, als ein Teil der Decke nach einem heftigen Stoß gegen die Mauer über ihm zusammenbrach und ihn mitsamt der beiden Xenomorphe begrub. Die Scanner erfassten die Körper unter dem Stein, doch nichts rührte sich mehr. Nun blieb es bei Vechar und Laryn, die letzten der Brut auszulöschen.
Der Zamteh war an der Mauer hinauf geklettert und hatte sich weiter seinen Weg durch das Labyrinth gesucht. Er folgte den Spuren und Geräuschen. Auf seinem Weg entdeckte er einen Speer und sogar eine der Plasmawaffen. Nun würde er eindeutig als Sieger die Pyramide verlassen. Nicht weit entfernt hörte er einen Xenomorph kreischen. Kampflärm folgte. Augenblicklich machte er sich auf den Weg und kam gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie dieser Mensch sich ein Zeichen einbrannte. Für einen Moment lang blieb er stocksteif stehen. Das konnte doch nicht sein. Es konnte nicht sein, dass dieses... Ding besser war als er! Doch offenbar war es so. In ihm sträubte sich alles dagegen, sie anzuerkennen, aber...
Er trat näher und hielt ihr wortlos eine kleine Dose mit konzentriertem Sauerstoff hin. Das Blut der Xenomorphe wurde durch Sauerstoff neutralisiert, je konzentrierter desto schneller. Damit würde es schneller gehen, die Trophäen einzusammeln. Er selbst hatte den Schädel seiner Beute bereits auf dem Rücken hängen.
Laryn hatte bemerkt, dass sie nicht mehr alleine war. Aber schon an dem Geruch hatte sie erkennen können, dass es einer der Predator war. Als sie sich umdrehte, konnte sie nicht verhindern, den Zamteh etwas skeptisch anzusehen. Nach einem kurzen Moment nahm sie mit einem kurzen Nicken der Dankbarkeit den Sauerstoff entgegen. Sie versorgte ihre Wunde und verstaute ihre zwei Trophäen.
„Ich habe Geräusche aus Nordwest gehört“, setzte sie ihn in Kenntnis. Es stand wohl außer Frage, dass sie noch die restlichen Xenomorphen töten sollten. Ohne länger Zeit verstreichen zu lassen, ging sie los. Vielleicht war der andere Predator auch noch da. Wenn er mit ihr kam, sollte es ihr nur recht sein. Wenn er einen anderen Weg einschlug, auch gut.
Vecha wusste selbst nicht, weshalb er sich mit diesem Mensch zusammentat. Vielleicht, weil es keine Rolle mehr spielte und sie so gemeinsam schneller hier heraus kamen. Den Kontakt mit Orin hatte er verloren. Nicht, dass sie tatsächlich zusammengearbeitet hatten, doch sie waren trotzdem irgendwie Verbündete gewesen. Ein Impulsscan der näheren Umgebung zeigte ihm nichts, doch nach einiger Zeit stießen sie in einem Gang auf ein Hindernis. Er war eingestürzt. Unter dem Stein ragte eine leblose Hand hervor. Damit hatte sich die Frage erledigt, was mit Orin geschehen war.
Nach einer kurzen Konsultation mit seinem Computer zeigte er in die entgegengesetzte Richtung. „Dort geht es weiter“, gab er knapp Bescheid. Sie waren gar nicht mal so weit vom Ausgang entfernt. Sollten sie bis dahin die verbliebenen Xenomorphe finden, gut. Wenn nicht, wäre es ihm auch mehr oder weniger gleichgültig. Falls überhaupt noch welche übrig waren. Eines hatte er in der Zisterne erlegt, zwei wurden von dem Menschen getötet, blieben rein theoretisch noch vier übrig. Dennoch, sie hatten die Prüfung bestanden. Es war nicht ihre Aufgabe, alle zu töten. Das würden die Prüfer erledigen.
Sie schwiegen, während sie liefen. Als sie an dem eingestürzten Gang angelangten und Laryn die leblose Hand entdeckte, ging sie in die Knie. Sie tastete nach einem Puls, fand aber keinen. Er war tot. Sie schloss ihre Augen und verabschiedete ihn, ehe sie aufstand und mit dem anderen weiterging. Erst als sie da waren, erkannte sie den Ausgang.
„Moment“, hielt sie ihn auf. „Ich will die restlichen auch erlegen. Meine Jagd ist noch nicht vorbei.“ Laryn machte ihren Standpunkt damit klar und bot ihm sogleich an, mit ihr zu kämpfen. Sie war nicht der Typ Frau, der die Arbeit anderen überließ. Vor allem hatte sie ihre Prüfung bestanden und Tirzah stand seinen Platz nun zu. Es war nicht länger eine Initiation, es war eine Jagd und sie beendete jede Jagd.
Stirnrunzelnd, auch wenn man das durch den Helm wohl nicht sehen konnte, wandte sich Vechar zu ihr um. „Wie willst du das anstellen?“, fragte er. „Dein Computer kann sie nur begrenzt orten. Du weißt nicht, wie viele noch übrig sind. Willst du tagelang durch die Pyramide streifen, um letztendlich festzustellen, dass nichts mehr da ist, was man noch jagen könnte? Überlasse das denen, die die Ausrüstung dazu haben!“ Für ihn war jedenfalls klar, das er nicht bleiben würde.
In diesem Moment erklang ein leises Piepsen von Laryns Computer. Eine einzige Zahl stand dort. 2. Tirzah hatte beobachtet, wie die beiden jungen Jäger den Ausgang erreichten und dort stehen blieben. Er kannte Laryn gut genug, dass eine Jagd für sie erst vollständig war, wenn sie ihre Beute, alle angestrebte Beute, erlegt war. Und da die Initiation eigentlich schon vorüber war, hatte er nicht das geringste schlechte Gewissen, ihr diesen Hinweis zu geben. Es war ja nicht so, dass er selbst einschritt. Wobei... Für einen Moment war es eine äußerst verführerische Idee, Laryn Gesellschaft zu leisten, doch da sie beobachtet werden würden, ließ er diese Idee so schnell wieder fallen, wie sie gekommen war. Später war noch Zeit zu feiern.
Das leise Piepsen zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Vor allem weil es nur jemanden gab, der sie kontaktieren würde. Das, was sie zu lesen bekam, ließ sie augenblicklich schmunzeln. Natürlich hatte Tirzah über sie gewacht. Der Zamteh hatte ihr auf jeden Fall Antwort genug gegeben. Sie drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort tiefer in den Tempel. Sie kehrte zu der Zisterne zurück und begann eine Falle zu stellen. Sie war auf jeden Fall verletzt genug, dass die Xenomorph ihr Blut riechen würden. Laryn setzte sich und begann ein Stein nach dem anderen ins Wasser zu werfen. Nicht mehr lange und sie würden ganz sicher auftauchen.
Zufrieden beobachtete Tirzah, wie Laryn zurück in die Pyramide ging. Hatte er es doch gewusst. Sie würde nicht eher Ruhe geben, bevor nicht alle erlegt waren. Die anderen Prüfer sahen sich an. Sie hatten nicht mitbekommen, dass Laryn Infos bekommen hatte. „Sie kommt, wenn sie fertig ist“, gab Tirzah ruhig von sich. Und bis es soweit war, würde er über sie wachen. Sofern man das so nennen konnte. Die Prüfer verließen die Brücke, um Vechar zu grüßen, der zum ersten Mal als Jäger vor ihnen stehen würde. „Ist sie nicht in einer Stunde da, werden wir ohne sie abfliegen“, drohte Hrana von den Caiman.
tbc...