Tirzah hatte Laryns Schülerinnen währenddessen einzeln zum Kampf gefordert. Er hatte sie nicht mit voller Kraft angegriffen, es sei denn, er hatte gemerkt, dass sie sich zurückgehalten hatten. Seine Gefährtin hatte einen guten Anfang mit ihrer Ausbildung gesetzt. Sie hatten noch viel zu lernen und viel zu trainieren, doch der Anfang war gemacht.
Bis auf eine Schülerin waren alle komplett fertig. Aber sie ignorierten tapfer die getroffenen Stellen, um bei dem Kampf, der noch lief, zu lernen. Ihr eigener Frust war mit jedem Schritt schlimmer geworden. Ohne ein Wort schwang Laryn sich über den Zaun und ging zu ihrem Gefährten, der gerade die letzte Schülerin mit einem kräftigen Schlag zu Boden beförderte. Es war klar, dass der Kampf zwischen denen erst einmal fertig war. Im nächsten Moment griff sie an, um diese verfluchte Wut endlich los zu werden. Ein gezielter Schlag von Tirzah konnte ihr vielleicht helfen, wieder klarer zu denken.
Es war ein leises Knirschen, eine Bewegung am Rand seines Blickfelds, das ihn warnte. Im letzten Moment wich er dem Angriff Laryns aus. Ein einziger Blick genügte, um zu sehen, dass sie nicht einfach nur wütend war, sie war soweit, dass sie ausrasten wollte. Nur warum? Was war geschehen? Und wo war Delia abgeblieben? Doch das waren alles Fragen, die warten konnten. Im Moment konnte ihm Laryn eh nicht wirklich zuhören.
Auch dem zweiten Angriff wich er aus. Er kam so ungezielt, dass es kein Problem war. Das war schon immer ihre Schwäche gewesen. Sobald sie von intensiven Gefühlen überrannt wurde, war seine Gefährtin nur noch halb so gut, wie sie sein konnte. Dem dritten Angriff stellte er sich jedoch und brachte selbst einen ordentlichen Schlag gegen ihre Schulter an. Nicht so hart, wie er zuschlagen konnte, doch es würde zweifelsohne ein Bluterguss zurückbleiben.
Und sie wusste genau, warum Tirzah so leichtfertig ausweichen konnte, was sie nur noch mehr in Rage brachte! So schlecht sie sich auch gerade anstellte, sie schaffte es, dass sie ausweichen konnte. Der Schlag ging ins Leere, als sie sich darunter hinwegduckte und versuchte, seine Seite mit ihrer Faust zu treffen. Jahrelang hatte sie schließlich geübt, seinen Schlägen und Tritten ausweichen zu können. Da war ihr eigener Angriff lange zweitrangig gewesen.
Tirzah fuhr weiter fort auszuweichen, auch wenn das Laryn weiter reizte. Sollte sie sich erst einmal austoben. Hin und wieder ließ er einen Treffer zu oder brachte selbst einen Schlag an. Vielen wich sie selbst aus, doch das war gerade nicht der Punkt.
Ihre Schülerinnen und auch so mancher Jäger beobachteten den Kampf. Die Männchen mehr interessiert, die angehenden Jägerinnen nahezu sprachlos. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Zwar war der Kampf zwischen Franuk und Tirzah vor kurzem zweifelsohne beeindruckend gewesen, doch das hier war etwas vollkommen anderes. Ein erschrockener Laut ging durch die Reihe der Weibchen, als Tirzah Laryns Arme einfing und sie ihr auf den Rücken drehte.
Ihrer beider Atem ging schwer, als er sie an sich zog, so dass sie sich in die Augen sehen konnten. „Hast du genug?“, knurrte er, bereit diesen Tanz fortzuführen, wenn es nötig war.
Laryn entkam ein fauchendes Geräusch, als Tirzah es schaffte, ihr die Hände auf den Rücken zu drehen. Sie war ungeschickt gewesen, hatte nicht schnell genug reagiert! Immer wieder schaffte er dies bei ihr! Ihr Atem ging schwer. Nicht nur aus der Anstrengung heraus, ebenso vor Wut. Nicht einmal ein einziges Wort brachte sie in ihrer Rage zustande. Sie stand einfach nur da, und blickte zu dem Predator auf, der sie festhielt.
Offenbar nicht. Trotzdem musste dieses ziellose Wüten aufhören. Nicht nur, weil sein verletztes Knie inzwischen vehement pochte, sondern auch, weil nicht den Effekt hatte, den er erhofft hatte. Laryn würde sich weiter verausgaben, bis sie zusammenbrechen würde. Wäre sie nur seine Schülerin, würde Tirzah sie jetzt anherrschen, dass sie sich nicht verhalten sollte, wie ein trotziges Kind. Doch das war sie nicht. Sie war ebenso seine Gefährtin.
Im Gegensatz zu ihr war er vollkommen ruhig und wusste, was er tat. „Laryn...“, grollte er ihren Namen so sanft und lüstern, wie er es vermochte.
Ihr Name drang an ihr Ohr und obwohl sie sich versuchte, zusammen zu reißen, erschauderte sie bei dem sanften Klang seiner Stimme. Die Wut verwandelte sich in etwas völlig anderes. Sie begehrte ihren Gefährte und seinen Körper, aber in diesem Moment wollte sie so viel mehr. Sein Griff ließ nur minimal nach, aber es reichte, dass sie sich befreien konnte. Ohne weiteres schlang sie ihre Arme um ihn und biss ihm, immer noch frustriert von ihren Gefühlen, in seinen Hals.
Wie von selbst hielt Tirzah Laryn fest. Ein raues Knurren entkam ihm, als sie ihn fest biss. Das war eine andere Art, Frust abzubauen, die er ebenso unterstützen würde. Mit einer Hand löste er das Band, das Laryns Haare bändigte und löste die schwarzen Strähnen. Die andere fand ihren Weg zu ihrem Po. Nur leicht krallte er sich hinein und zog sie so noch näher an sich.
Laryn entkam ein erregter Laut, als er sie näher zu sich zog. Im Gegensatz zu dem festen Biss, der selbst bei Tirzah ein wenig blutig geworden war, leckte sie zärtlich darüber. Ihr Atem stockte, als sich sein Geschmack in ihrem Mund ausbreitete. Es war wie früher. Sie beide auf der Jagd, trainierten und lebten nur füreinander. Wie oft hatten sie zusammen gekämpft und waren dann doch einfach über einander hergefallen? Das Lagerfeuer, das neben ihnen brannte, während Tirzah immer tiefer in sie glitt. Ihr fehlten die gemeinsamen Jagden...
Aber da war ein winziger Funke Vernunft. So klein, dass sie ihn kaum bemerkte. Nur minimal löste sie sich von ihrem Gefährten. „Können wir nach Hause gehen?“
Mit einem sachten Grinsen gab Tirzah seiner Gefährtin noch etwas mehr Freiraum. Nach ihrem Ausbruch hatte er nicht erwartet, dass sie inne halten würde, bevor sie sich nicht anderweitig ausgetobt hatte. Ihre vor Lust raue Stimme sandte ihm einen so angenehmen Schauer über den Rücken, dass er mit einem lustvollen Geräusch darauf reagieren wollte. „Lass uns nach Hause gehen“, bestätigte er stattdessen und ließ sie los. Nur zu gern hätte er angefügt, was sie dort mit ihm tun konnte und was er im Sinn hatte, doch er bezweifelte, dass sie dann tatsächlich bis nach Hause kommen würden.
Laryn warf ihren Schülerinnen nur einen kurzen Blick zu. Sie wussten, was sie nach dem Training zu tun hatten. Gemeinsam verließen sie das Trainingsareal. Kaum, dass sie auf der anderen Seite des Zaunes waren, griff sie nach seiner Hand, um sie auf ihrer Taille zu platzieren. Somit war er ihr viel näher und konnte sich auch ein wenig auf ihr abstützen. Sein Knie tat ihm bestimmt immer noch weh und ein angenehmer Nebeneffekt hatte es auch: Jeder konnte sehen, dass sie ihm gehörte.
Es war schon demonstrativ, dass sie so eng aneinander geschmiegt gingen. Normal hätte sich Tirzah wohl dagegen gesträubt, bevorzugte er es doch, in der Öffentlichkeit distanziert aufzutreten. Allerhöchstens bei Fruchtbarkeitsfest machte er da eine Ausnahme. Und so wie es aussah, nun auch für seine Gefährtin. Trotzdem stützte er sich nur minimal auf. Leider sorgte der anhaltende Schmerz dafür, dass ihm die Lust verging. Dennoch bereute er das Duell nicht. Es hatte seine und Laryns Zugehörigkeit deutlicher gezeigt, als sein Geschenk und ihre Aktionen auf dem Fruchtbarkeitsfest.
Kaum schloss sich die Tür hinter ihnen atmete er auf. Ein dunkles Knurren lag in seiner Stimme. Verdammt, das war mehr als nur lästig.
Die Tür schloss sich hinter ihnen und Laryn drehte sich sofort zu ihrem Gefährten. Je weiter sie gegangen waren, desto mehr konnte sie sich beruhigen. Es war, als bräuchte sie alleine seine Nähe, um die Welt zu vergessen. Und damit wurde ihr auch wieder bewusst, was sie von Tirzah soeben verlangt hatte, was sein Knurren nur bestätigte. Ihre Hände glitten über seine Rüstung. „Leg dich hin, mein Geliebter“, hauchte sie zärtlich. „Lass mich deine Wunden pflegen und mich um deine Rüstung kümmern.“
Statt diesem Vorschlag zu folgen, legte Tirzah jedoch seine Hände an ihr Gesicht. „Erzählst du mir dann, was passiert ist?“, fragte er nach, auch auf die Gefahr hin, dass sie erneut wütend wurde. Es musste etwas mit Delia und Janna zu tun haben, doch was konnte vorgefallen sein, dass seine Gefährtin so voller Zorn war?
Seine sanften Berührungen genießend, schloss sie die Augen. Sanft nickte sie auf seine Frage. Einerseits wollte sie ihm einfach davon erzählen und brauchte sie seinen Rat. Vielleicht wusste er, ob es besser wäre, wenn sie die Weibchen nicht mehr unterrichten würde. Sie hatte doch nur auf die Bitte Delias damit begonnen!
Wenige Minuten darauf löste Laryn die Verschlüsse der Rüstung Tirzahs. Fürsorglich legte sie ein Teil nach dem anderen auf den Boden, damit sie sie reinigen konnte. Zuerst aber wartete sie geduldig, bis er sich hinlegte. Für einen Moment blickte sie ihm einfach nur in die Augen… ehe sie sich vorbeugte und einen zärtlichen Kuss auf sein verletztes Knie hauchte.
Es war gut, das Knie zu entlasten. Die Arme aufgestützt beobachtete Tirzah jede Bewegung Laryns. Wieder einmal wurde ihm klar, dass er sie nicht missen wollte. Gerade die Zeit, die sie hier getrennt verbringen mussten, hatte ihm das klar gemacht. Ein Teil von ihm wollte nur wieder zurück zu dem gemeinsamen Umherstreifen in der Galaxie. Ohne Verpflichtungen, ohne weitere Bindungen. Nur sie beide.
Als ob er passend dazu auf sich aufmerksam machen wollte, sprang Thanos auf das Bett und legte sich so nah an Tirzah, dass er ihn fast von selbigem schob. Leicht lachend tätschelte dieser den Dusoq. Das Leben hier tat ihm nicht wirklich gut. Er wurde faul.
Laryn schmunzelte sanft, als Thanos sich zu seinem Freund kuschelte. Vorsichtig und äußerst genau begann sie, die schmerzstillende Salbe beim Knie einzumassieren. Erst nach einer Weile, als sie selbst merkte, dass ihre Fingerspitzen taub wurden, seufzte sie stumm.
„Das Treffen war furchtbar“, begann sie leise zu erzählen. „Ich habe über Makishs Respektlosigkeit hinweg gesehen, bin ruhig geblieben bis zuletzt.“ Grundsätzlich war das ja gut und sie war sich auch sicher, dass Tirzah stolz darauf war. Aber er wartete nur noch auf das ‚Aber‘, das wusste sie. „Aber dennoch ist er im Glauben, dass es kein guter Weg für die Weibchen ist, Jägerinnen zu werden. Er sagte Delia, dass er dafür sorgen würde, dass sie Janna nicht mit hineinziehen wird. Da ich darauf vertraute, dass du dich darum kümmern wirst, habe ich nicht darauf reagiert. Aber Delia hat daraufhin aufgegeben. Sie ist nicht länger meine Schülerin.“ Laryn schloss ihre Augen und… sah dann endlich wieder zu ihrem Gefährten. „Was ist, wenn er Recht hat? Wie viele Weibchen nehme ich ihr zu Hause, nur wenn ich einwillige, sie zu unterrichten? Wie vielen Müttern nehme ich ihre Kinder?“
Tirzah wartete und drängte seine Gefährtin nicht und schließlich berichtete sie. Was er jedoch in ihren Augen sehen konnte, als sie ihn ansah, sorgte dafür, dass sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog. Nicht nur aufgrund all der Zweifel. Kurzerhand richtete er sich auf und zog sie zu sich. Zusammen mit Laryn legte er sich zurück auf das Bett. Die Arme um sie gelegt. „Er hat unrecht“, war das erste, was er sagte. „Das hier ist eine Zeit der Veränderung und es gibt Jäger, die tun sich schwer damit. Aber auch sie werden lernen. Denk nur daran, dass wir beide clanlos sind. Das ist etwas, das noch nie vorgekommen ist. Dennoch hast du den Rang einer Jägerin erreicht und ich sitze als unabhängig im Rat. Die Venturas sind zurückgekehrt und sind dabei sich ihren Platz im Volk erneut zu verdienen. Du warst vielleicht der Anstoß, dass es mehr Weibchen versuchen wollen, dem Weg der Jäger zu folgen, doch sie sind keinesfalls die ersten. Oder die Letzten.“ Er streichelte Laryn sacht über den Arm. „Was neu ist, ist dein Vorbild. Du bist ihre beste Chance. Dank dir wird sich zeigen, ob es tatsächlich am Geschlecht liegt, dass die Jägerinnen der Vergangenheit gescheitert sind oder an der fehlenden Ausbildung. DU gibst ihnen diese Gelegenheit. Du allein.“
Einen Moment schwieg er, bevor er fortfuhr. „Delia ist nicht der erste angehende Jäger, der aufgeben will“, offenbarte er. „Die Anforderungen sind hart und es kommt in jeder Generation vor, dass jemand alles hinwerfen will. Doch Delia hat einen wesentlich besseren Grund. Sie gibt nicht auf, weil sie sich der Herausforderung nicht gewachsen fühlt. Sie will ihr Kind nicht aufgeben.“ Er sah auf Laryn herab.
Es war genau das, was ihr in dem Moment gefehlt hatte. Auch wenn sie nun Jägerin war, sie fühlte sich in diesem Augenblick irgendwie… hilflos. Laryn schmiegte sich an ihn und lauschte nicht nur seinem Herzschlag, sondern auch seinen Worten. Als er endete, stützte sie sich wieder auf ihren Armen auf, damit sie ihn ansehen konnte. „Aber es ist nicht das erste Mal, dass sie aufgeben will. Was, wenn ich mich verschätze und es tatsächlich nicht ihr Weg ist? Ich… ich möchte Janna nicht ihre Mutter nehmen und ebenso wenig wollte ich, dass Makish Delia verstößt. Ich wollte einfach nur... helfen. Vielleicht sind meine Gefühle im Weg. Delia ist oder war meine erste Freundin.“
Tirzah begegnete ihrem Blick mit einem Lächeln. „Dann ist das doch der beste Grund, weshalb du sie nicht einfach aufgeben solltest“, antwortete er. „Wenn es nicht ihr Weg ist, wird sie es selbst merken und zu ihrem alten Leben zurückkehren. Aber nicht wegen Janna oder Makish, sondern für sich selbst. Du nimmst ihr nichts, im Gegenteil. Du gibst ihr eine Gelegenheit.“ Zärtlich strich er seiner Gefährtin durch die Haare. „Es war nicht deine Entscheidung, dass Makish seine Gefährtin verstoßen hat, das war seine. Doch das solltest weder du noch Delia als Nachteil sehen. Nun hat sie die Gelegenheit einen Gefährten zu finden, der ihren neuen Weg und die damit einher gehende Stärke zu schätzen weiß. Was wäre, wenn sie jetzt nicht frei wäre und einem Jäger begegnen würde, der sie über Makish hinaus anspricht? Sie müsste auf das nächste Fruchtbarkeitsfest warten oder darauf warten, dass sich die beiden duellieren. Ist es so dann nicht besser?“
Laryns kritischer Blick zeigte wohl, dass sie noch nicht überzeugt war. Vorsichtig bettete sie sich wieder auf ihrem Gefährten, um nachzudenken. Das war alles… so kompliziert. Es war alles viel einfacher, als es nur sie beide gegeben hat. Es war gut, so wie es jetzt war, aber trotzdem fehlte einem kleinen Teil in ihr die Zeit vor ein paar Monaten.
Tirzah spürte gut genug, dass er die Zweifel seiner Gefährtin nicht hatte ausräumen können. Dafür kannte er sie zu gut. Dennoch war die Gemeinsamkeit, die sie gerade teilten etwas wunderbares. In der letzten Zeit hatten sie viel zu wenig davon genießen können. In diesem Moment kam ihm eine Idee, die er auch umsetzen wollte. Sie beide brauchten dringend wieder Zeit nur für sich und jetzt wusste er, wie er das möglicherweise erreichen konnte. Doch das würde er erst am nächsten Tag klären können.
Seine Finger spielten mit Laryns Haaren. „Welches Lied hast du Janna denn vorgesungen“, fragte er nach einer Weile des Schweigens.
Laryn liebte es, wenn Tirzah mit ihrem Haar spielte. Immer wieder jagten seine sanften Finger oder Krallen, die nur flüchtig ihren Kopf berührten, kleine Schauer durch ihren ganzen Körper. Diese Zärtlichkeit schaffte es wohl auch, sie davon abzuhalten, an ihren Gedanken zu verzweifeln. Es war auch die Stimme ihres Gefährten, die sie da vollkommen herausriss. Plötzlich drohten ihre Wangen aus irgendeinem Grund rot zu werden. Erfolgreich konnte sie es aber zurückdrängen. „Eines, dass ich mal vor ein paar Jahrzehnten gedichtet habe", antwortete sie leise und streichelte weiter über seinen Arm.
Eigentlich sollte sie doch wissen, dass ihm diese Antwort nicht genügen würde. Wahrscheinlich wusste sie es auch und spielte nur damit. So wie sie beide wussten, dass der jeweils andere ihn liebte und umgekehrt, ohne dass sie es immer wieder sagten. Tirzah bewegte ein Stück weit seinen Arm und verschränkte locker seine Finger mit Laryns, nur um sie gleich darauf wieder zu lösen. Ihre Hände waren so unterschiedlich wie sie beide es waren und doch passten sie so perfekt ineinander. „Würdest du es mir ebenfalls vorsingen?“
Laryn verfolgte Tirzahs Hand und musste irgendwie schmunzeln, als er nur kurz seine Finger mit der ihrigen verschränkte. Manchmal konnte sie es kaum glauben, wie wohl sie sich bei ihm fühlte. So beschützt, geborgen und ja… geliebt. Auf seine Bitte hin, zögerte sie kurz, ehe sie sich aufrichtete und sich auf seine Hüfte setzte. Abschätzend musterte sie ihn. „Es wird dir womöglich gar nicht gefallen“, warnte sie.
Bereitwillig entließ er sie aus seinen Armen, doch seine Hände fanden sich schon automatisch auf ihrer Taille wieder. „Das ist immer noch meine Entscheidung“, entgegnete er sanft, doch er registrierte durchaus, dass es ihm nicht gefallen könnte. Aber wissen wollte er es. Er wollte wissen, was seine Gefährtin über ihn singen würde, wenn er nicht mehr war.
Laryn schüttelte amüsiert ihren Kopf über Tirzah. „Na gut. Ich singe dir das eine vor“, sagte sie und gab ihm damit auch noch zu verstehen, dass sie mehrere Lieder über ihn gedichtet hatte. Sie hatte ihm kein einziges jemals vorgesungen und auch sonst hatte er sie nie darum gebeten, dass sie für ihn singen sollte. Es war das erste Mal und diese Tatsache machte sie doch ein wenig nervös. Sie rechnete auf jeden Fall damit, dass es ihm nicht gefiel, aber irgendwo hoffte sie doch, dass es anders sein würde.
Also begann sie in ihrer alten Sprache zu singen. Janna hatte sie nur einen Teil des Refrains vorgesungen, doch ihm wollte sie das ganze zeigen.
Tirzah hatte durchaus registriert, dass es wohl mehrere Lieder gab. Es schmeichelte ihm, dass Laryn über ihn sang. Es war zwar die Aufgabe der Weibchen ihre Gefährten zu Besingen, doch es stand kein Zwang dahinter. Entsprechend wusste er zu schätzen, dass Laryn über ihn ein Lied, nein, mehrere verfasst hatte. Schweigend lauschte er dem Lied. Es war kein glückliches Lied, auch wenn es davon sprach, wie sehr sie ihm zugetan war. Vielleicht gerade deshalb.
Als Laryn endete, umfasste er ein weiteres Mal ihr Gesicht mit beiden Händen. „Du wirst immer meine Göttin sein“, raunte er sanft.
Einmal mehr schmiegte sie sich in seine Hand, die sie festhielt. Es schien nicht, als hätte es ihm nicht gefallen. Sie wusste ebenso, dass er das Lied im Gegensatz zu Janna verstanden hatte. Seine Worte darauf rührten sie. Sehr sogar. Er wusste doch, wie sehr sie ihn vergötterte und liebte. „Deine einzige?“
Ein sanftes Lachen löste sich aus seiner Kehle. „Meine einzige Göttin“, bestätigte er und streichelte mit den Daumen Laryns Wangen. „Meine einzige Gefährtin.“ Und das war ein Versprechen, dass er schon vor so vielen Jahren nicht leichtfertig gemacht hatte. Er ließ seine Hände weiter abwärts wandern. Über ihre Schultern, Arme, Hände. Sacht verschränkte er seine Finger mit ihren.
Und somit schaffte er es, sie zum Lachen zu bringen. Sie war glücklich und das zweifelsohne. Hätte Raymond das jemals gekonnt? Nein. Raymond war ein lächerlicher Versuch gewesen, über Tirzah hinweg zu kommen. Hätte es jemals ein anderer geschafft? Nein. Es gab nur einen Mann für sie und der lag gerade unter ihr. Laryn hob seine Hand und hauchte einen Kuss auf seinen Daumen. „Ich liebe dich, ehrenwertes Ratsoberhaupt“, hauchte sie. „Ich liebe dich, Jäger.“ Noch ein Kuss, diesmal auf den Zeigefinger. „Ich liebe dich, Meister.“ Mittelfinger. „Ich liebe dich, Tirzah.“ Ringfinger. „Ich liebe dich, mein einzig wahrer Gott.“ Kleiner Finger...
Wie schon so oft kam Tirzah in einer fließenden Bewegung hoch und brachte Laryn unter sich, die Arme rechts und links neben ihr aufgestützt. Ihre Gesichter trennte kaum noch eine Handbreit. „Das Letzte ist völlig ausreichend“, grollte er sacht. „Was sollte ich weiter anstreben, als dein Gott zu sein?“ Nur ganz sacht bewegte er seine Hüfte in einer eindeutigen Geste.
Schon ganz automatisch schlang sie ihre Arme um ihn, damit er sie unter sich bringen konnte. Auch konnte sie nicht verhindern, dabei vergnügt zu lachen. Es verstummte aber schnell, als er ihr so verführerisch nahe kam. Sie spürte ihn eindeutig an ihrer Hüfte und sie unterdrückte ein erregtes Stöhnen, indem sie sich auf ihre Unterlippe biss. „Mein einzig wahrer Gott“, beteuerte sie. „Nur über dich werde ich singen, nur dir werde ich mich präsentieren…“ Da kam ihr doch glatt etwas in den Sinn und sie begann frech zu grinsen. „Wird mein Gott mir denn auch bald zeigen, wie er sich die Zeit ohne mich vertrieben hat, so wie er es einst versprochen hat?“
Ein raues Grollen antwortete auf die Forderung. „Versprochen?“, wiederholte Tirzah, als ob er sich dieses Wort auf der Zunge zergehen lassen müsste. Stimmte ja, vor gar nicht allzu langer Zeit hatte er Laryn damit geneckt, gefragt, ob sie Details wollte. Und sie hatte ganz dreist, wie es ihre Art war, danach verlangt, es zu sehen. Einen Moment lang hielt er sie noch mit sich selbst gefangen, doch dann legte er sich neben sie. „Doch warum sollte ich mir die Zeit vertreiben, als ob du nicht da wärst?“ Sacht ließ er seine Hand über ihren straffen Bauch wandern. Nur ganz leicht kratzte er über eine dünne Narbe. Deren Geschichte kannte er nur zu gut. Es war eine harte, gute Jagd gewesen. Seine Gefährtin hatte dabei all seine Erwartungen übertroffen.
Laryn blickte ihn einfach nur unschuldig an. Eine Gänsehaut breitete sich über ihren ganzen Körper aus, als er eine ihrer Narben berührte. Grinsend drehte sie sich auf den Bauch, sodass sie halb auf ihm lag. "Vielleicht werde ich inspiriert", schnurrte sie. "Womöglich könnte ich dich in Zukunft besser befriedigen?" Neckend ließ sie ihre Hand über seine Brust fahren. "Bitte, mein Geliebter."
Leise lachend sah Tirzah auf seine Gefährtin hinab. „Wenn du noch besser wirst, wirst du mich in Zukunft regelmäßig in ein Koma befördern“, grinste er und fing ihre Hand ein.
Laryn konnte nicht anders und begann lauthals zu lachen. Alleine die Vorstellung, was das bedeuten würde! "Wie sollte ich das dem Rat denn erklären? 'Tut mir Leid, Leute. Ich habe Tirzah ins Delirium geritten! Kommt morgen wieder!" Prompt schlug sie ihre Hände vor ihrem Mund, bei den Worten, die da raus gekommen sind. Aber ihr Lachen verstummte deshalb nicht.
Tirzah stimmte in das Lachen ein. Das war eine äußerst amüsante Vorstellung. Laryns Ausdauer war ohnehin schon Thema der Gerüchteküche, wenn dann noch dazu käme, dass sie ihn ins Koma gevögelt hatte... Ein neuer Lachanfall suchte ihn heim. Wenn das so weiter ging, wären sie bald wegen ganz anderen Dingen als ihren Fähigkeiten als Jäger bekannt.
Erst nach ein paar Momenten schaffte es Laryn, sich wieder halbwegs zu beruhigen. Immer noch leise glucksend sah sie ihrem Gefährten in die Augen. In diesen Momenten könnte sie vor Liebe explodieren. Natürlich waren sie bereit, jederzeit um den anderen zu kämpfen und ihn zu befriedigen. Aber das hier, nebeneinander liegen, scherzen und lachen... das machte ihre Beziehung tatsächlich vollkommen. "Der arme Rat. Zuerst müssen sie zuschauen, wie ich dich verführe und dich vor ihren Augen befriedige und dann sorge ich dafür, dass ein Orgasmus dich ins Koma befördert. Was für eine miese Hexe du dir da ins Bett geholt hast!"
Amüsiert grinsend legte Tirzah seine Arme wieder um Laryn. „Ich dachte, du wärst meine Göttin?“, zog er sie auf, während er mit ihren Haaren spielte. „Zumindest würde ich eine Göttin jederzeit einer Hexe vorziehen.“ Einen Moment später fügte er hinzu: „Vielleicht sollten wir die Hexe und das Ratsoberhaupt gemeinsam in ein Zimmer sperren.“
"Meinst du?", fragte sie unschuldig, aber ihre Stimme klang alles andere als unschuldig.
tbc...