Leider boten die darauffolgenden Tage nur wenige Gelegenheit für Tirzah, sich erneut mit Laryn zu treffen. Was er jedoch tat war, die ersten Vorbereitungen zu treffen, dass sie sich nicht länger verstecken mussten. Ohne Wissen des Rates bereitete er privat die Integrierung der Venturas vor. Den Rat selbst stellte er eine knappe Woche später vor vollendete Tatsachen und Pläne. Bei Sonnenuntergang am darauffolgenden Tag würde der verbannte Clan nach Yautja-Prime zurückkehren.
Provoziert hatte er diese Offenbarung, indem er einen weiteren Sitz in die Halle gebracht hatte. Auf die Frage, was dieser dort zu suchen hätte, antwortete er schlicht, dass es an der Zeit wäre, dass die Venturas zurückkehrten. Der leere Sitz sollte deren Chance auf einen Sitz im Rat symbolisieren. Natürlich mussten sie ihn sich erst verdienen, doch sie sollten letztendlich nicht nur Bürger zweiter Klasse bleiben.
Diese Ankündigung sorgte für eine hitzige Diskussion unter den Räten. Nun, zumindest was die clangebundenen Räte anging. Tirzah blieb die ganze Zeit über vollkommen ruhig. Zum einen würde er sich nicht von seinem Entschluss abbringen lassen und zum anderen hatte er Rhutvak schon benachrichtigt. Das gleiche tat er auch mit Laryn, sobald er nach Hause kam. Eigentlich hatte er es ihr persönlich sagen wollen, doch gerade durch die langwierige Diskussion war es sehr spät geworden, so dass er ihr nur eine Nachricht sandte, die sie am Morgen erhalten würde.
Mit den Venturas im Rücken hatten sie zumindest einen Befürworter, wenn offenbar wurde, was sie beide verband. Doch dazu musste der einst verbannte Clan wieder ein Stück integriert werden. Vorerst sollten sie innerhalb der anderen Clans untergebracht werden, um zu beurteilen, ob sie sich dem Leben hier anpassen konnten. Danach sollten sie ein eigenes Viertel erhalten. Tirzah hoffte sehr, dass die Bevölkerung schnell feststellen würde, dass die Venturas, so sehr sie sich auch äußerlich unterschieden, letztendlich doch Predator waren. So wie auch er dies gelernt hatte.
Am nächsten Tag hatte sie Delia zur Seite gebeten. Die Rückkehr ihrer Erschaffer stand heute auf den Plan und einerseits wollte sie sie vorwarnen und andererseits hoffte sie auf eine Verbündete. Als Laryn sie ein Stück weit weggeführt hatte und sich sicher war, dass sie niemand beobachten oder hören konnte, drehte sie sich zu ihr um.
„Die Venturas kehren heute nach Yaujta-Prime zurück“, offenbarte sie ihr ohne länger zu zögern. „Du kannst dir sicher sein, dass dir und deiner Familie keinerlei Gefahr droht.“
Delia legte den Kopf leicht schief. „Wer kommt zurück?“, fragte sie nach. Irgendwie machten die Worte ihrer Freundin gerade keinen Sinn. Und warum versicherte sie ihr, dass ihrer Familie keine Gefahr drohte?
Laryn hob verblüfft ihre Augenbrauen. Sie kannte sie nicht? Natürlich nicht! Wie hatte sie das nur vergessen können! Tirzah hatte ihr doch damals schon erzählt, dass er bei der Verbannung der Venturas selbst noch ein junger Jäger gewesen war.
„Gehen wir ein Stück“, bot sie ihr an. Thanos folgte den Frauen mit geringem Abstand und beobachtete dabei ruhig seine Umgebung. Erst nach einer Weile, begann Laryn wieder zu sprechen. „Delia, ich werde dir was erzählen, aber ich bitte dich inständig, dass es unter uns bleibt. Unter uns… Freundinnen.“ Es war das erste Mal, dass sie ihre Beziehung als solche beschrieb und sie hoffte, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte.
Damit schaffte Laryn eigentlich nur eines, nämlich dass Delia umso neugieriger wurde. Warum die Geheimniskrämerei? Was war so unbekannt und gleichzeitig so wichtig? Wer waren diese Fremden, dass sich ihre Freundin kaum über sie zu sprechen traute? Sie nickte. „Mein Wort darauf“, versprach sie. Etwas anderes blieb ihr auch kaum übrig, wenn sie wissen wollte, um was es ging.
Und damit schaffte sie es, dass sie lächeln musste. Delia war eine ehrenvolle Frau und Laryn glaubte ihr, wenn sie ihr etwas versprach.
„Es gab vor langer Zeit einen Clan auf Yautja-Prime, der nach Perfektion strebten. Allerdings wählten sie nicht den üblichen Weg, sondern begannen, ihre Gene zu manipulieren. Nach Jahrhunderten ihrer erfolgreichen Arbeit wurden sie aus Angst vom Rat verbannt. Um aber ihr Volk in Sicherheit zu wiegen, erzählten sie, dass sie sie vernichtet hätten.“ Das war der erste Brocken, den Delia zu schlucken hatte. „Mein Meister war vor seiner Verbannung ein Cleaner. Er kam auf die Erde, um eine Initiation zu beenden. Dabei fand er mich. Ich weiß nicht, wie viel du von Menschen weißt, Delia, aber Menschen haben keine Augen wie ich. Sie haben auch kein solches Haar. Er nahm mich mit um den Rat entscheiden zu lassen, ob man mich töten sollte oder nicht. Sie entschieden, mich beobachten zu lassen. Tirzah nahm mich unter seine Fittiche und lehrte mich das Leben der Predator. Durch eine Art Vision von mir erkannte er, dass ich das Ergebnis der Venturas war und dass sie einen Krieg anzetteln wollten. Er verließ Yautja-Prime und forderte den Anführer heraus, um das zu verhindern. Er gewann, aber dadurch, dass er ohne im Wissen und Willen des Rates gehandelt hatte, wurde er verbannt.“
Drei Mal wollte Delia eine Frage einwerfen, doch sie stoppte sich jedes Mal noch rechtzeitig und hörte sich zu Ende an, was Laryn berichtete. Das war alles so... unwirklich. Als ihre Freundin letztendlich schwieg blieb sie stehen. Den Blick hatte sie auf die Erde gerichtet und versuchte in ihren Kopf zu bekommen, was sie gerade erfahren hatte. Von den Venturas hatte sie jedenfalls noch nie etwas gehört. „Aber wenn sie verbannt wurden, warum dürfen sie ausgerechnet jetzt zurück?“, stellte sie ihre erste Frage. „Und wenn sie einen Krieg wollten...“ Das war doch erst recht ein Grund, sie auch weiterhin in Unehren zu lassen. „Und...“ Ihr fehlten die Worte. Natürlich hatte jeder mitbekommen, wie Tirzah zurückgekehrt war und welche Forderungen er gestellt hatte. Die genauen Hintergründe waren jedoch nicht offenbart worden. Und Laryn war sozusagen ein Abkömmling der Verbannten? Wie hatte sie da die Initiation beschreiten dürfen? Sprach das nicht gegen alles, was sie sonst in Ehren hielten? Andererseits hatte Delia nie erlebt, dass ihre Freundin ohne Ehre gehandelt hätte. Irgendwie war das alles ein wenig viel im Moment.
Laryn blieb ebenso wie Delia stehen und hörte sich in aller Ruhe ihre Fragen an. Sie war völlig überfordert und sie wusste nur zu gut, wie sie sich fühlte. „Ihr alter Anführer wollte einen Krieg, um ihr Überleben zu sichern. Rhutvak, der sie nun anführt, möchte nur für das Überleben sorgen. Er sieht die Fehler, die sie gemacht haben und steht auf der Seite des Friedens. Ihr habt nichts zu befürchten“, beantwortete sie die Frage, die ihr wichtiger erschien. „Und warum sollten sie nicht zurückkehren? Sie gestehen sich ihre Fehler ein und wenn sie auch nur ein Jahrzehnt weiter ohne Hilfe weiter auf ihrem Planeten sind, sterben sie. Der Rat hat entschieden, dass sie zurückkehren dürfen.“
Wirklich überzeugt war Delia noch nicht und das war ihr auch deutlich anzusehen, als sie ihren Blick wieder zu ihrer Freundin wandte. Noch einmal sortierte sie ihre Gedanken. „Das heißt also, sie bekommen eine zweite Chance“, schlussfolgerte sie. „Aber was, wenn sie diese Chance nutzen, um doch noch Krieg zu führen?“, wandte sie ein. „Immerhin haben sie lange in Verbannung gelebt. Sie müssen uns doch hassen!“ Irgendwie fühlte sie sich unwohl bei dem Gedanken, dass ein fremder Clan auftauchen würde, der eine Bedrohung darstellen konnte. Nein, trotz der überzeugten Worte war sie verunsichert.
Laryn nahm beruhigend ihre Hände in die ihre. „Sie hassen euch nicht und ich vertraue darauf, dass der Rat sie gut beobachten wird. Lass dir eines gesagt sein: Ich werde dich und deine Familie mit allem schützen, was ich besitze. Niemand wird euch auch nur ein Haar krümmen. Ich verspreche es.“ Den Gefallen, um den sie sie eigentlich bitten wollte, erwähnte sie nicht. Wie könnte sie auch nur verlangen, dass sie sie mit ihr begrüßen würde?
Sacht drückte Delia die Hände Laryns. Deren Versprechen bedeutete ihr viel. Nicht nur, weil sie ihr vorbehaltlos glaubte. Im Gegensatz zu manch anderen hatte sie schnell festgestellt, dass die Jägerin ihre Versprechen nie leichtfertig gab. Dennoch wusste sie nicht, ob sie bei der Ankunft des fremden Clans dabei sein wollte. Vielleicht würde sie nur aus der Entfernung zusehen.
Die Neuigkeit, dass der ehemals verbannte Clan zurückkehren würde, machte bald die Runde auf Yautja-Prime. So war es wenig verwunderlich, dass immer mehr Predator dem Flugfeld entgegen strömten, je mehr es auf Sonnenuntergang zu ging. Auch der Rat hatte sich vollständig versammelt, Tirzah in der Mitte. Dieser suchte Laryn unter den Schaulustigen. Als er sie fand, nickte er ihr kurz zu.
Als die Sonne den Horizont berührte war es soweit. Ein Summen erklang und kurz darauf erschienen die Schatten von drei Schiffen am Himmel. Im direkten Anflug landeten sie auf dem weiten Platz, der extra dafür geräumt worden war. Trotz der knappen Beleuchtung aufgrund der Dämmerung war offensichtlich, dass diese nicht den neuesten Stand der Technik präsentierten. Trotzdem waren sie gut in Schuss. Die Antriebe verstummten und für einen Moment herrschte vollkommene Stille. Dann öffnete sich das Schott des mittleren Schiffes und Rhutvak trat daraus hervor. In voller Rüstung, doch ohne nennenswerte Waffen betrat er Yautja-Prime. Ihm folgten gut zwei Dutzend Krieger. Ebenso wie er herausgeputzt, aber unbewaffnet. Auch aus den anderen Schiffen traten weitere Venturas. Insgesamt etwa hundert Krieger.
Gemessenen Schrittes trat Rhutvak vor und auf den Rat zu. Respektvoll grüßte er Tirzah und die Räte, indem er die Hand auf die Brust legte und den Kopf ein Stück neigte.
Laryn stand ganz vorne, um die Venturas zu begrüßen. Unweit von dem Rat entfernt hatte sie sich mit Thanos positioniert. Viele Predator hielten noch Abstand zu dem Dusoq, auch wenn sie wussten, dass er ohne einen Befehl niemanden angreifen würde.
Sie erwiderte das Nicken von Tirzah und schmunzelte sogar ein wenig. Er hatte sich an die Abmachung gehalten. Keinen Moment hatte sie daran gezweifelt. Als Rhutvak mit seinen Kriegern den Planeten betrat, war sie um ihre Erscheinung erleichtert. Auch wenn die Männchen teils größer als die auf Yautja-Prime waren, wirkten sie ohne die Waffen geradezu harmlos. Die Krieger wagten es noch nicht, sich auf ihrer neuen Heimat umzusehen. Ihre Blicke waren starr auf ihren Anführer gerichtet, der dem Rat Respekt erwies. Sie folgten seinem Beispiel, legten die Hand auf die Brust und verneigten sich.
Tirzah erwiderte den Gruß ebenfalls und die Räte taten es ihm, nach kurzem Zögern, gleich. Es gefiel ihnen nicht, dass sie so derart hintergangen worden waren, doch sie konnten es sich nicht leisten uneins zu wirken. Und so spielten sie ihre Rolle und taten so, als geschähe all dies mit ihrem Einverständnis.
Tirzah trat vor. „Willkommen daheim“, grüßte er Rhutvak mit einem angedeuteten Lächeln und streckte ihm den Arm entgegen. Der Anführer der Venturas schlug ein. Sie hatten beide ihren Teil der Abmachung erfüllt und quasi quitt. Dennoch war es nicht so, dass sich ihre Wege nun endgültig trennen würden.
Rhutvaks Blick streifte Laryn. Sofort fiel ihm das Zeichen auf ihrem Arm auf. Er löste sich von Tirzah und ging auf die junge Frau zu. „Also hast du es geschafft“, stellte er schlicht fest und grüßte Thanos, in dem er ihm den schuppigen Brustkorb klopfte. Brummend schüttelte sich der Dusoq.
Es lief alles friedlich von statten. Gut so. Bevor sie den Venturas helfen konnte, trat schon Rhutvak auf sie zu und schaffte es, dass sie schmunzeln musste. „Ebenso du. Hast du etwas anderes erwartet?“, fragte sie schlicht und weniger ernst.
„Nein“, grinste Rhutvak. Nachdem Tirzah und Laryn des öfteren Gast auf dem Planeten gewesen waren, waren seine Zweifel daran immer mehr gesunken, bis sie schließlich ganz verschwunden waren. Auch war die junge Jägerin irgendwann nicht länger einfach nur ein missglückter Mittel zum Zweck geblieben. Sie war wahrhaftig eine Tochter ihres Volkes geworden. Nicht nur aus seiner Sicht, die meisten anderen der Venturas sahen dies ebenso.
Er hatte seine Zweifel, aber je mehr Zeit sie miteinander verbracht hatten, desto eher konnte das Vertrauen wachsen, das sie heute verband.
Laryn legte ihre Hand auf seinen Oberarm. „Willkommen“, begrüßte sie ihn endlich.
Rhutvak ließ den Blick ein wenig über die versammelten Predator schweifen, bevor er leicht die Augen zusammenzog und fragte: „Ist es schon offiziell?“ Und damit meinte er nicht die Integration seines Clans. Das was für die Venturas längst selbstverständlich war, die Bindung zwischen Laryn und Tirzah, stieß in der Heimat wohl auf größeren Widerstand.
„Nein“, antwortete Tirzah anstelle seiner Gefährtin und trat näher. „Aber nicht mehr lang.“ Er schenkte Laryn einen weichen Blick. Nicht so lang, dass er auffällig war, aber mehr als nur ein Augenblick.
Laryn war überrascht, dass Tirzah sich zu ihnen gesellte. Sie dachte, er konnte sich nicht weit von den Ratsmitgliedern entfernen. Was er zu sagen hatte, schaffte es aber, dass sie ein wenig schmunzeln musste. Hoffentlich. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass sie eine eigene Wohnung besaß, viele Weibchen träumten davon, hatte sie sich sagen lassen. Aber ein zu Hause war erst der Ort, an dem auch ihr Gefährte war. Seit ihrem kleinen Intermezzo war schon wieder viel zu viel Zeit vergangen...
„Verstehe“, gab Rhutvak von sich und nickte. Damit war selbstverständlich, dass es auch vorerst so bleiben würde.
„Komm“, forderte Tirzah ihn auf und kehrte zu den Räten zurück. „Es gibt genug leer stehenden Wohnraum, in dem dein Clan vorerst unterkommen kann“, offenbarte er. „Mit der Zeit wird es dauerhafte Arragements geben.“ Alles andere was wichtig war, hatte er ihm bereits mitgeteilt. Wie er es mit den anderen Räten abgesprochen, oder besser ihnen aufgedrängt hatte, rief ein jeder von ihnen vier Jäger seines Clans auf, die vor traten. Jedem von ihnen wurden einige Venturas zugeteilt, denen sie Wohnungen zuweisen sollten. Lediglich Rhutvak würde bei Tirzah selbst unterkommen.
Nicht wenig skeptische Blicke folgten den fremden Jägern, als sie ihren Führern vom Flugfeld in die Stadt folgten. Mit der Zeit würde sich das auch geben, da war sich Tirzah sicher. Beide Seiten brauchten nur etwas Zeit, um sich aneinander zu gewöhnen. Die Wenigsten hatten noch die Forschungen und die Verbannung der Venturas erlebt, so dass es lediglich die Erzählungen waren, die die Meisten überwinden mussten.
Laryn verbeugte sich respektvoll, als Tirzah sich entfernte, um die Etikette zu wahren. Sie beobachtete, wie sich die Venturas aufteilten und spürte eine Art… Frieden. Es fehlte nur noch die Veröffentlichung, dass sie einen Gefährten hatte und dass dieser nicht irgendjemand war. Dann wäre alles endlich perfekt. Ein Schmunzeln erschien ihr auf dem Gesicht und sie entschied sich dazu, über die Neuankömmlinge zu wachen und ihnen zu helfen, falls es notwendig sein würde. Sie war kaum ein Stück gegangen, hörte sie plötzlich ihren Namen. Nicht nur sie drehte sich um, denn auch einige Predator wollten sehen, wer etwas von dem Streuner wissen wollte.
„Janna“, begrüßte die Jägerin die Tochter Delias, die sich von ihr löste und ihr entgegen gerannt kam. Vielleicht hätte sie die Neugierde des Mädchens nicht so wecken sollen. Sie konnte es sich auch nicht verkneifen, sie aufzunehmen und sich mit ihr im Kreis zu drehen. Die Größe des Mädchens war ihr völlig egal. Ihr eigenes Herz hüpfte vor Freude als sie sich an ihr festhielt und ebenso Freude an diesem kleinen Spiel hatte.
„Hast du die Männchen gesehen? Die sind ja riesig!“, erzählte sie munter drauf los, als würde sie nicht gerade mit einer Außenseiterin spaßen. Als Laryn sie kennen gelernt hatte, sah es auch anders aus. Aber kaum hatte sie ihre Rüstung und ihre Waffen wirklich wahrgenommen, war es wohl um sie geschehen.
„Das habe ich“, antwortete sie grinsend. „Und ich wette, du wirst in wenigen Jahren mindestens zehn an jedem Finger haben, der dir den Hof macht.“
Das Mädchen kicherte und schlang ihre Arme um Laryn. Natürlich träumte sie, wie so viele Mädchen, davon eines Tages einen großen Jäger als Gefährten zu bekommen. Vielleicht wurde sie ja auch selbst eine große Jägerin.
Delia kam näher. Sie hatte die Ankunft der Venturas aus der Entfernung beobachtet. Sie waren nicht so bedrohlich, wie sie geglaubt hatte. Größer, martialischer, ja, aber nachdem was Laryn ihr erzählt hatte, hatte sie aggressiveres Verhalten erwartet. Stattdessen waren die fremden Männchen sehr zivilisiert gewesen. Vielleicht hatte ihre Freundin ja mit ihrer Einschätzung recht und sie schätzten es einfach, dass sie in die Heimat zurückkehren durften. „Janna“, ermahnte sie ihre Tochter, die an der Jägerin hing, wie eine Klette. „Falle Laryn nicht zur Last, hörst du? Sie ist eine Jägerin und hat den entsprechenden Respekt verdient.“ Trotzdem lag ein Lächeln auf ihren Zügen. Sie verstand ihre Tochter irgendwo, denn der Weg einer Jägerin hatte auch für sie einen großen Reiz. Dennoch wollte sie ihrer Tochter vornehmlich den traditionellen Weg eines Weibchens weisen. Wenn sie älter war, konnte sie noch immer entscheiden, ob sie Jägerin werden wollte.
Laryn grinste, als Janna sie erschrocken ansah, als hätte sie ganz vergessen, dass sie ihr Respekt erweisen musste und nun fürchtete, von ihr Ärger zu bekommen. Natürlich nahm die Jägerin ihr es nicht übel. Wie hätte sie auch bei diesem Lächeln irgendwie ernst bleiben können? Vorsichtig ließ sie sie runter.
„Bist du bereit, für deine erste Jagd?“, fragte sie mit geheimnisvoller Stimme das kleine Mädchen. Diese quietschte fast schon vor Aufregung und nickte heftig. „Dann… fang mich!“ Lachend rannte Janna ihr hinterher. Immer wieder entwischte sie aus ihren Fingern und als sie schon Minuten getobt hatten, drehte sich Laryn einfach um und fing sie mit einem gespielten Brüllen auf, ehe sie sie einfach durchkitzelte. Der Gedanke, dass sie niemals so mit ihrem eigenen Kind spielen konnte, hing dabei wie ein Schatten über ihr, wurde aber die meiste Zeit erfolgreich ignoriert.
tbc...