„Laryn?“ Nachdem sie auf das respektvolle Klopfen keine Antwort erhalten hatte, hatte Delia einfach die Wohnung ihrer Lehrerin betreten. Seit etwas mehr als zwei Wochen war sie nun offiziell deren Schülerin und das auch nicht mehr allein. Ein gutes Dutzend Weibchen aus allen Clans hatten sich um Laryn geschart, um von ihr zu lernen. Zwei waren bereits nach wenigen Tagen zu ihrem alten Leben zurückgekehrt, doch die anderen blieben und bissen sich durch. Noch konnten sie zwar keine erfolgreichen Jagden verzeichnen, doch sie waren hartnäckig und dachte nicht daran aufzugeben. Trotz blauer Flecke, Schnitte, Prellungen. Und an diesem Tag war es soweit, zu prüfen, was die Männchen letztendlich von ihnen halten würden. Heute war der Tag des Fruchtbarkeitsfestes.
Delia wusste, dass Laryn nicht daran dachte zu den Festlichkeiten zu gehen, doch das hieß nicht, dass sie das ruhen lassen würde. Zum Einen war sie immer ausgewichen, wenn es um das Thema eines festen Gefährten ging und zum Anderen hatte Delia da eine Theorie entwickelt und das Fruchtbarkeitsfest war ihre Gelegenheit diese zu bestätigen.
Laryn saß auf ihrem Bett und hatte begonnen, ihre Rüstung zu pflegen. Ihre Haare waren schon von ihrer Dusche getrocknet, die sie vor einigen Minuten genommen hatte. Auf Delias Klopfen hatte sie nicht geantwortet. Sie wollte heute niemanden mehr sehen. Das Fruchtbarkeitsfestival fand statt und verdammt nochmal, es war sozusagen sogar ihr Jahrestag mit Tirzah. Und sie konnten es nicht einmal feiern! So irrsinnig es auch sein mochte, langsam regte sich mehr als nur Sorge in ihr. Was, wenn es so weitergehen würde? Was, wenn sie sich aus den Augen verloren?
Ihr Blick sprach nicht gerade vor Begeisterung, als Delia ihr Zimmer trotz ausbleibender Antwort betreten hatte. Da erst bemerkte sie ihr Outfit. Ihre Freundin war sich wirklich ihrer Reize bewusst. Zudem zierte ihr Körper auch noch einige Trophäen, die ihr die Jäger geschenkt hatten. „Du siehst gut aus…“, lobte sie, ehe sie konzentriert an ihrer Rüstung weiterarbeitete. Thanos zeigte auf jeden Fall mehr Freude und begrüßte sie Schwanzwedelnd.
„Das weiß ich“, lächelte Delia selbstbewusst, doch dann wurde sie prompt wieder ernst. „Bist du denn noch nicht fertig?“, fragte sie nach, als wüsste sie nichts von Laryns Abneigung gegen das Fest, während sie Thanos über den Kopf strich, um seine Begrüßung zu erwidern. „Du kannst nicht einfach hier bleiben und die Festlichkeiten ignorieren.“ Demonstrativ verschränkte sie die Arme vor der Brust.
Ein mehr humorloses Lachen entkam ihr. Natürlich wusste Delia, dass sie gut aussah. Laryn seufzte, während sie weiter das Öl in das Material einarbeitete. „Du siehst, ich kann“, antwortete sie.
Delia wusste, dass es eigentlich respektlos gegenüber ihrer Meisterin war und doch nahm sie ihr das Rüstungsteil einfach aus der Hand und legte es neben sie auf das Bett. „Nein, kannst du nicht“, widersprach sie ihr. „Zum Einen hast du dir das Recht verdient, zu den Festlichkeiten zu gehen und ebenso das Recht, die Männchen zu umwerben. Du kannst dir sogar einen Gefährten suchen. Rechte sollten ausgeübt werden, Laryn!“ Sie sprach mehr als Freundin zu ihr als als Schülerin. „Außerdem kannst du uns nicht einfach alleine lassen. Wir sind deine Schülerinnen und du als unsere Meisterin solltest uns anführen. Wir sind nicht länger irgendwelche Weibchen, wir werden Jägerinnen und du bist unser Vorbild.“
Laryn war sich sicher, wäre es nicht Delia gewesen, die ihr die Rüstung weggenommen hatte, so würde sie nun tot vor ihren Füßen liegen. Das, was sie daraufhin sagte, ließ sie nachdenklich werden. Es war tatsächlich ein langer, harter Kampf gewesen, bis sie zur Jägerin erhoben worden war. Selbst jetzt noch wurde sie traktiert und musste ebenso dafür kämpfen, dass sie die Weibchen unterrichten durfte. Nach gründlichem nachdenken, schloss sie ihre Augen und seufzte stumm. Möglicherweise konnte sie ja etwas sehen, was Tirzah und sie noch nicht gemacht hatten? Ein Männchen würde sowieso nicht um sie werben, also hätte sie den Abend wenigstens Ruhe und ihre Schülerinnen hätten sie in der Nähe. Wofür auch immer Delia glaubte, dass sie sie anführen musste.
„Na schön…“, gab sie leise von sich.
„Sehr gut!“ Sie klatschte in die Hände. Das war das Signal für die anderen angehenden Jägerinnen. Immerhin wusste Delia schon seit einer Weile, dass Laryn nicht zu dem Fest gehen wollte und ging einfach davon aus, dass sie auch keine entsprechende Kleidung hatte, um sich herauszuputzen. Und so hatte sie ihre Mitstreiterinnen angestiftet. Nun kamen die anderen zehn Weibchen herein. Jede von ihnen hatte ein Kleidungsstück oder ein Accessoire dabei. Die einzigen Utensilien, die sie als angehende Jägerinnen offenbaren würde, waren die Messer, die sie jeweils am rechten Oberschenkel trugen.
„Was zum-?!“, entkam es Laryn, als plötzlich jegliche Weibchen herein kamen und sie begannen einzukleiden. Innerhalb von einer halben Stunde stand die Jägerin völlig verblüfft vor ihren Schülerinnen, die sich begeistert gegenseitig lobten. Normalerweise trug sie nur ihre Rüstung, aber die Weibchen hatten es geschafft, ihr ein ledernes Oberteil zu knüpfen, das es gerade mal schaffte, ihre Brüste ein wenig zu verdecken. Ihr Rücken war bis auf ein Band völlig frei zu sehen, ebenso ihr straffer Bauch wodurch ihre ganzen Narben deutlich zu erkennen waren. Selbst der Rock, den sie ihr schenken, reichte rechts nur bis knapp zu ihrem Knie, während die linke Seite fast schon ihr ganzes Bein erblicken ließ. In ihre Haare hatten sie ein paar Perlen eingeflochten und ihr ebenso mehrere Schmuckstücke überlassen. Darunter auch einen goldenen Armreif, der ihren Oberarm zierte.
„Ich glaube wir haben zu wenig trainiert, wenn ihr noch Zeit dazu gefunden habt, all diese Sachen zu machen“, gab Laryn zu bedenken, lächelte aber, als Zeichen, dass es ein Scherz war. „Nun gut, ich glaube, wir sollten die Männer nicht mehr lange warten lassen.“ Einstimmiges Jubeln kam ihr daraufhin entgegen. Natürlich nahm sie sich aus dieser Jagd zurück. Thanos selbst würde sie dennoch zu Hause lassen. Wie selbstverständlich ließen die Weibchen ihr den Vortritt und obwohl sie noch nie offiziell an diesem Ort gewesen war, führte sie sie zielsicher dorthin. Die Sonne stand schon tief und ein besonderer Duft lag in der Luft, als sie ankamen. Das Fest war schon im vollen Gange...
Als sie bei den Ruinen angekommen waren, übernahm Delia inoffiziell die Führung, indem sie Laryn den Weg genau ins Zentrum wies. Nicht nur, weil sie dafür ziemlich weit in die Ruinen hinein mussten, und damit an vielen Männchen vorbei, auch weil sie angeben wollte. Doch auch das waren nicht die Hauptgründe. Vor ein paar Tagen war der oberste Rat an sie heran getreten und hatte sie gebeten, Laryn davon zu überzeugen, mit ihren Jägerinnen ins Zentrum zu marschieren. Als Demonstration. Angeblich wartete dort auch eine Überraschung auf ihre Freundin, weshalb sich die Frage erübrigt hatte, weshalb er nicht an sie selbst herangetreten war.
Eben jener oberste Rat kam gerade von der gegenüberliegenden Seite einmarschiert. Neben ihm Rhutvak und in ihrem Gefolge die Jäger der Venturas. Allesamt für die Festlichkeiten herausgeputzt. Ein paar der Jäger hatten sogar Trophäen dabei, die sie einem bestimmten Weibchen schenken wollten. Auch Tirzah hatte etwas bei sich, doch dieses Präsent war so klein, dass es nicht ohne Weiteres zu sehen war.
Am Rand des Zentrums saßen die anderen Räte bereits auf den vorgesehenen Plätzen. Nicht wenige Weibchen um sie herum. Nur der Platz in der Mitte, der Tirzah vorbehalten war und der ganz rechts, noch immer symbolisch für die Venturas, waren noch unbesetzt.
Laryn ließ sich soweit von Delia führen, wie es nötig war. Danach würde sie sich zurückziehen und an einem ruhigeren Plätzchen die Festlichkeiten beobachten. Noch waren die wenigstens im Akt selbst verstrickt und falls doch, hielten selbst dann ein paar Männchen inne, um die Jägerinnen zu beobachten, die eintraten. Ohne sich umzudrehen, wusste sie, dass ihre Schülerinnen gehörig protzten – genauso wie es sich gehörte. Laryn konnte nicht verhindern, dass ihr ein stolzes Lächeln ins Gesicht stieg. Doch da erblickte sie Tirzah. Ihren Geliebten, ihren Gefährten…
Damit die Weibchen sich dementsprechend präsentieren konnten, führte sie sie genau in die Mitte des Platzes. Gegenüber von den Venturas und dem obersten Ratsmitglied blieben sie stehen. Einige ihrer Schülerinnen begannen zu schnurren, als sie die großen und starken Männer der anderen Seite sahen. Laryn stemmte die rechte Hand in ihre Hüfte und ließ den Blick über Rhutvak und seinem Gefolge gleiten, ehe sie zu Tirzah aufsah…
Wie abgesprochen und nicht ganz unbeabsichtigt blieben sie genau gegenüber voneinander stehen. Laryn konnte durchaus stolz auf ihre Jägerinnen sein, obwohl diese gerade mal mit dem Training angefangen hatten. Trotzdem entging Tirzah nicht der Blick, den sie den anderen Männchen schenkte. Wohl, damit sie ihn nicht so auffällig ansah. Nun, das würde ab heute aufhören. Er trat einen Schritt vor, so dass er genau vor seiner Gefährtin stand. Bereits jetzt sahen viele, durch den Aufmarsch neugierig geworden zu ihnen. Tirzah ignorierte sie. Er griff an seinen Gürtel und löste sein Präsent. Demonstrativ, so dass alle es sehen konnten hob er es hoch.
Es war eine Kette aus den Zähnen eines Shamruk. Nicht die ursprüngliche Kette von ihrer Beute, aber dennoch ein deutlicheres Symbol für sie beide, als es jede andere Trophäe sein könnte. „Damit in Zukunft jeder weiß, dass du meine Gefährtin bist“, sagte er laut und durch die plötzliche Stille wurde dieser Satz weit getragen. „Nur an dich habe ich mich gebunden.“
Laryn sog zitternd die Luft ein, als Tirzah näher an sie heran trat. Er wusste doch, dass er das lieber nicht tun sollte. Konnte er sich denn nicht schon denken, dass sie ihn jetzt schon überfallen wollte? Schon viel zu lange war es her, dass sie sich zuletzt einfach nur so gesehen hatten.
Als er prompt eine Kette hochhob war sie mehr als nur überrascht. Für… sie? Seine Worte hallten über den ganzen Platz und brachten nun auch noch den letzten Predator zum Schweigen. Er hatte es gesagt. Allen. Und das auf dem Fruchtbarkeitsfestival! Ihr Bauch begann wie verrückt zu kribbeln. Es war, als wären sie bei dem Lagerfeuer, als er sie zum ersten Mal sich selbst überlassen hatte. Sie hatte ihn überfallen, ihn darum gebeten, ihr zu zeigen, wie sie sich hätte wehren sollen, wenn sie am Boden festgehalten wurde…
Die Jägerin hob ihre Hand und ließ ihren Finger über die glatten Zähne gleiten. Dann wagte sie es mit einem letzten Schritt die übrige Distanz zu ihrem Gefährten zu überwinden. Sie standen sich so nahe, dass sie überdeutlich seinen Atem spürte. Auch wenn es nur noch wenige Zentimeter wären, die sie trennten, berührte sie ihn nicht. Stattdessen nahm sie die Kette aus seiner Hand und begann Tirzah zu umrunden. Dabei traf ihr Blick warnend einige der Weibchen. Ab jetzt konnte sie in vollen Ehren um ihren Gefährten kämpfen, ohne sich zurückhalten zu müssen und mittlerweile kannten sie sie gut genug, dass sie wussten, dass sie vor nichts so einfach zurückschreckte. Mit einem Schmunzeln trat sie wieder zu ihren Schülerinnen. Sie sollten es vielleicht nicht gleich übertreiben. Ein bisschen konnte sie noch mit ihm spielen. „Wer von euch hat sonst noch Durst?“, erkundigte sie sich, während ihr Blick völlig unschuldig zu Tirzah glitt. Erst als sie sich ein Stück weit entfernten, legte sie die Kette um ihren Hals.
Tirzah folgte seiner Gefährtin mit Blicken. Sie mochte noch so sehr spielen, ihm noch so oft gesagt haben, dass er nicht um sie werben musste... Es war eine andere Zeit gewesen, eine vollkommen andere Situation. Hier wurden sie von vielen Augen beobachtet und er wusste, dass er gerade nicht wenige von ihnen geschockt hatte. Lediglich Delia gab ein leises 'wusste ich es doch' von sich. Und was Laryn noch nicht verbergen konnte, war der unwiderstehliche Duft nach Lust, den sie zunehmend verströmte. Ein leises, lüsternes Grollen löste sich aus Tirzahs Kehle. Es wurde Zeit, die Anwesenden noch ein wenig weiter zu erschrecken. Sie sollten wissen, dass dies kein Scherz war.
In aller Ruhe entfernte Tirzah seine Schulterstücke und ließ sie zu Boden fallen. Die Armschienen folgten, während er bereits die Muskeln an seinen Armen spielen ließ und, scheinbar unbeabsichtigt, einige seiner Narben präsentierte, die sich dort über seine Haut zogen. Sein Blick traf Laryn.
Ganz automatisch wandte sich ihr Blick wieder Tirzah zu. Da sah sie doch glatt, wie er seine Schulterstücke lockerte und sie vergessen auf den Boden fallen ließ. Scheinbar ruhig beobachtete sie, wie er sich weiterhin entkleidete. Sollten die Weibchen nur wissen, was sie nie haben konnten.
Einer ihrer Schülerinnen gab ihr einen Becher voll mit dem Saft der Gordenc-Blüte. Er schmeckte wie der Wein der Erde, war aber noch viel süßer und schwerer. Die Narben, die Laryn daraufhin auf ihren Gefährten entdeckte, kannte sie nur zu gut. Vielleicht sollte sie bald mal wieder jeder einzelnen ihre Aufmerksamkeit schenken…
Tirzahs Entblößen quittierte sie einzig und alleine mit einem schweigsamen Schluck aus dem Becher.
Laryn beobachtete ihn, das genügte Tirzah. Er wandte ihr den Rücken zu, nur um die Brustplatte zu lösen und damit ebenfalls seinen Rücken zu entblößen. Die lange Narbe, die sich einst darüber gezogen hatte, war ihm genommen worden, doch da er diese Entehrung nicht hingenommen hatte, befanden sich nun auch dort wieder Zeichen seiner Männlichkeit. Und diese waren gar nicht mal so alt. Zwei Paar Klauenspuren, drei an der Zahl zeigten sich schräg auf seiner Haut. Ein ehrenhafter Kampf, dessen Trophäe inzwischen an seiner Wand hing.
Rhutvak entschied, dass er lange genug gewartet hatte. Um den Blickkontakt zwischen Laryn und ihrem Gefährten nicht zu durchbrechen umkreiste er sie und trat an den jungen Jägerinnen vorbei. Beinahe, als wäre es nebensächlich, ließ er seine großen Schulterplatten fallen, die gleichzeitig seine mächtigen Oberarme offenbarten. Der Blick, den er dem auserwählten Weibchen zuwarf, war jedoch keineswegs nebensächlich.
Laryn setzte sich auf die Stufenartigen Plätze. Ein paar Weibchen hatten bereits ihre Aufmerksamkeit woanders hin schweifen lassen, als auf die Offenbarung, die sich ihnen gerade geboten hatte. Die Anderen setzten sich zu ihr, ebenso Delia. Das fiel der Jägerin aber nicht auf. Sie beobachtete den starken Körper ihres Geliebten, der sich ihr so präsentierte, wie er es noch nie getan hatte. Ihr Kopf legte sich leicht schräg, als ihr Blick über die Narben tiefer zu seiner Kehrseite glitt. Hm… sie konnte sich noch sehr gut an das erste Mal erinnern, als sie diesen Teil nackt gesehen hatte. Damals hatte sie ihn darum gebeten, alleine auf die Jagd gehen zu dürfen. Er hatte sie einfach gepackt und ins Bett gehoben. Die ganze Zeit über war ihr nicht bewusst gewesen, dass er nackt darin geschlafen hatte.
Die Jägerin lehnte sich zurück und strich mit ihren Fingern eine ihrer schwarzen Strähnen zurück. Dabei legte sie die Narbe frei, die Tirzah am liebsten hatte. Ihr Mittel- und Zeigefinger glitten über ihren Hals, ihre Schulter und weiter nach vorne zu ihren Brüsten…
Nur halb wandte sich Tirzah um, während er seine Waffen ablegte. Dennoch ließ er Laryn kaum aus den Augen, wollte er doch ihre Reaktion bis ins kleinste Detail miterleben. So entging ihm auch nicht, dass sie die punktförmigen Zeichen zeigte, die sie zu seiner Gefährtin machte. Seit ihrer ersten gemeinsamen Nacht am See war viel Zeit vergangen und doch konnte er nicht behaupten, die Anziehung oder das Gefühl zwischen ihnen wäre weniger geworden. Die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten, hatte lediglich eine Vertrautheit und Innigkeit hinzugefügt, die er bisher noch nie so erlebt hatte.
Fast schon beiläufig, aber keineswegs unbeabsichtigt, wandte er sich Laryn wieder vollends zu. Bisher war es so offen nicht möglich gewesen, doch nun warb er um sie. Er präsentierte sich, als ob er sie erst an diesem Tag davon überzeugen müsste, dass er die richtige Wahl für sie wäre. Nun hatte er zwar schon lange nicht mehr ernsthaft um ein Weibchen werben müssen, doch das bedeutete keineswegs, dass er es nicht konnte. Zwischen den einzelnen Bewegungen, die stets darauf ausgerichtet waren, sein Muskelspiel oder seine Narben hervorzuheben, schenkte er ihr kleine Blicke. Dazwischen lagen Gesten, die wohl nur sie beide deuten konnten. Wie das leichte Krümmen seiner Finger, als ob er sie gerade durch ihre seidene Haarflut gleiten ließ. Die Beinschienen fielen. Blieb nur noch der Unterleibsschutz.
Und Laryn saugte jede noch so kleine Geste auf. Sie wusste genau, was sie zu bedeuten hatten und es war ihr, als würde sie es bereits an ihrem eigenen Leib spüren. Es fehlte nur noch ein Teil, das ihren Gefährten bedeckte. Ganz automatisch strich ihre Zungenspitze ihre Oberlippe entlang. Dezent, kaum zu sehen für jemanden, der nicht wusste, was sie damit meinte. Ihr war nur zu bewusst, dass ihr Gefährte noch süßer als das Rauschmittel schmeckte, dass sie in einem Becher neben sich abstellte. Und es hatte auch noch eine viel stärkere Wirkung auf sie.
Was sie dann allerdings sah, brachte sie dazu, von ihrem Gefährten wegzusehen. Neben ihn hatte sich ein Jäger aufgestellt, dieser ebenso begann, sich seiner Rüstung zu entledigen. Nur dieser trat näher auf sie zu. Wäre sein Blick nicht so starr auf sie gerichtet, hätte sie weiterhin geglaubt, dass er um einer ihrer Schülerinnen warb. Moment mal... er warb um sie?
Ein Grollen, so sanft, wie es wohl nur Laryn jemals zu hören bekam, löste sich aus Tirzahs Kehle, als er mit dem Blick dem Weg ihrer Zungenspitze folgte. Ohja, er konnte es eigentlich kaum erwarten, sie zu berühren, zu streicheln, zu beißen, ihre Lippen an sich zu spüren... Dieses Mal würde er das Fruchtbarkeitsfest aus vollen Zügen genießen. Es würde kein schaler Beigeschmack bleiben, weil er wusste, dass der Sonnenaufgang ihre Trennung bedeutete. Nein, dieses Mal würde er seine Laryn mit zu sich nehmen. Sie würden sich nie wieder tatsächlich trennen müssen.
Eine Bewegung neben sich, lenkte seine Aufmerksamkeit von seiner Gefährtin zu dem anderen Männchen. Es brauchte nur einen Moment, bis er realisiert hatte, was der andere tat. Aus dem sanften Grollen wurde ein aggressives Knurren. Im gleichen Moment zügelte er sich jedoch. Nicht, dass er eine Herausforderung scheute, schon gar nicht, wenn es um seine Gefährtin ging, doch das Werben beinhaltete erst als letzter Instanz einen Kampf. Zuvor stand das eigentliche Werben, auch wenn er seine Ansprüche liebend gern mit roher Gewalt klar machen wollte. Wie auch der Andere trat er einen Schritt vor, so dass sie nebeneinander standen.
Sein Rivale war jünger als er, doch er hatte schon beachtliche Ehren sammeln können. Tirzah wandte seine Aufmerksamkeit wieder vollends seiner Gefährtin zu. Dabei präsentierte er ihr genau die Narbe, die er sich damals auf der Erde eingefangen hatte. Es war nicht nur ein Zeichen, dass er jederzeit um sie kämpfen würde, es war auch sein Versprechen an sie. Sie würde seine einzige Gefährtin bleiben. Ganz gleich, was geschehen mochte.
Delia betrachtete sich das Schauspiel. Liebend gern hätte sie Laryn angestoßen und ihr gesagt, dass sie sich geehrt fühlen sollte, dass zwei so ehrbare Jäger um sie warben, doch diese schien bereits so eingenommen, dass sie sich lieber auf die Suche nach ihrem Gefährten machte. Nur weil sie jetzt eine Jägerin wurde, änderte das nichts daran, dass sie diesen noch immer hoch respektierte.
Laryn glitt ein Schauer über den Rücken, als Tirzah knurrte und damit sie als seine Gefährtin verteidigte, auch wenn er sich schnell wieder zur Ruhe rief. Sie neigte ihren Kopf auf die andere Seite, als ihr Geliebter ihr die Narbe zeigte, die er sich zugezogen hatte, als er zur Erde gekommen war. Dabei kam ihr auch wieder Raymond in den Sinn, den ihr Gefährte wenige Jahre später getötet hatte.
Der Jäger schien zu merken, dass er ihre Aufmerksamkeit nicht halten konnte. Somit machte er einen weiteren Schritt auf sie zu und ließ sein letztes Stück fallen, um sein doch recht stattliches Geschlecht zu präsentieren.
Tirzah musste sich erneut zur Ruhe rufen, als dieses dreiste Männchen doch tatsächlich einen weiteren Schritt auf Laryn zu machte und sich tatsächlich vollständig entblößte. Das konnte er nicht auf sich sitzen lassen. Seinem Rivalen keinen einzigen Blick gönnend trat er neben ihn. Stolz aufgerichtet. Mit der Kralle einer Hand fuhr er eine Narbe auf seiner Brust entlang, deren Entstehung bei einer Jagd Laryn selbst miterlebt hatte. Mit der anderen Hand löste er seinen Unterleibsschutz und stand nun ebenso nackt da, wie sein Rivale. Es war nicht nur seiner Körperbeherrschung, sondern mehr noch Laryn selbst zu verdanken, dass sein Glied hart und aufrecht stand.
Laryn stand auf und hatte bereits ihr gezogenes Messer zur Hand. Nur wenige Zentimeter versank die Klinge zielgenau vor den Füßen des Jägers, der um sie warb. Er sollte nicht weitergehen, keinen einzigen Schritt. Einige ihrer Schülerinnen hatten teils erschrocken ihre Luft angehalten, aber das interessierte sie nicht im Geringsten. Sie hatte keine Geduld mehr. Nicht, wenn Tirzah völlig entblößt und ebenso erregt um sie warb. Sie ging auf ihn zu, nein rannte die wenigen Schritte, die sie noch trennten. Ohne an sich zu halten, sprang sie an ihrem Geliebten hoch, schlang Arme und ebenso Beine um seinen großen und starken Körper...
Eine klarere Ansage konnte es kaum geben. Zufrieden grollend fing Tirzah seine Gefährtin auf. Damit hatte sie wohl eindeutig klar gestellt, wen von ihnen beiden sie wählte. Sein Rivale war vergessen. Einzig und allein Laryn zählte noch. Zärtlich ließ er seine Zunge über ihre Haut wandern, seine Hände vergruben sich in ihrem Haar. Die Perlen darin klimperten leise. „Laryn...“, schnurrte er schon fast. „Meine Göttin...“ Niemals würde er zulassen, dass ein anderer sie berührte, sie gehörte zu ihm allein. Und nun wussten es alle. Ob er sich morgen vor den anderen Ratsmitgliedern rechtfertigen müsste? Eigentlich war es ihm gleichgültig.
Sein sanftes Grollen und Schnurren brachte ihren ganzen Körper zum Erbeben. Konnte es wahr sein? Hatten sie nun endlich alles geschafft? Sie war eine Jägerin, er ein Ratsoberhaupt und nun wussten sie alle von ihrer Bindung. Sie hatten alles erreicht, was sie sich vorgenommen hatten. Laryn blickte überglücklich zu Tirzah, während ihre Hand durch seine Dreads glitt. Selbst ihre Augen drohten glasig zu werden. „Ich hoffe du hast das Ratsoberhaupt vor die Tür gesetzt? Nicht dass es jemand gibt, der dir Konkurrenz machen wird“, meinte sie frech grinsend.
„Niemand kann mir jemals Konkurrenz machen“, entgegnete er mit einem gespielten Knurren. Schon gar nicht in diesem Moment. Er ließ seine Zähne über die Haut an Laryns Hals kratzen, bevor er leicht zubiss. „Schon gar kein langweiliges Ratsmitglied.“
Laryn schloss ihre Augen, als sie seinen warmen Atem auf ihrer Haut spürte. Ihr Griff um ihn verstärkte sich, als er einmal mehr seine Zähne in ihrer Haut versank. Sie hatten schon tausende Male miteinander geschlafen, aber heute fühlte es sich wie das erste Mal an und dennoch war jeder Griff so vertraut. „Nur dir alleine gehört mein Herz…“, hauchte sie sanft an seine Schulter. Ein zärtlicher Kuss auf seine Haut folgte. Dabei sog sie seinen so wundervollen Geruch ein...
„Meine Göttin...“, grollte er sacht und leckte das rote Blut auf. Die Zärtlichkeiten seiner Gefährtin sorgten nur dafür, dass er sie umso mehr wollte. Seine Hand wanderte ihren Rücken hinunter. Seine Krallen ritzten sacht die helle Haut. Mühelos durchschnitten seine Krallen das Band, das Laryns Oberteil an Ort und Stelle hielt. Der Rock setzte ebenso wenig Grenzen. Endlich war das Warten vorbei. Nun mussten sie sich nicht mehr verstecken. Die Hände an die Hüfte seiner Gefährtin gelegt, führte er sie. Ein raues, ungezügeltes Stöhnen entkam seiner Kehle, als er langsam in sie drang. SEINE Gefährtin.
Auch wenn womöglich über fünfzig Predator zusahen, es fühlte sich an, als wäre sie mit Tirzah alleine. Nur sie beide zählten in dieser Nacht. Als sie seine Größe an ihrem Eingang spürte, biss sie leicht in seine Schulter. Er drang tiefer und tiefer in sie ein, füllte sie bis zuletzt aus. Endlich! Endlich war das Warten vorbei! Sie waren ab sofort für immer eins… „Mein einzig wahrer Gott“, stöhnte sie. Ganz von alleine krallten sich Laryns Finger in seine Haut.
Der Jäger, der bis vor kurzem noch um die Jägerin geworben hatte, knurrte, als sie sich nicht für ihn entschieden hatte. Er hätte nicht gedacht, dass es dem Ratsoberhaupt tatsächlich so ernst war. Auch ihn hatte das fremde Äußere gereizt und er wollte erfahren wie es war, wenn er Laryn nehmen würde. Doch das was die beiden verband war mehr, als er gedacht hatte. Noch nie in seinem Leben hatte er so etwas gesehen. Es lag in ihren beiden Bewegungen etwas tieferes, als Lust und Verlangen. Etwas, dass er nicht benennen, aber ebenso haben wollte. Er drehte ab und ging.
Ein leichtes Lachen schlich sich in Tirzahs wohliges Grollen. Er war kein Gott, war es nie gewesen. Auch hatte Laryn schon lange davon Abstand genommen, in ihm tatsächlich ein übermächtiges Wesen zu sehen. So war diese Anrede zu einem zärtlichen Spiel geworden. Trotzdem war sie diejenige, für die er lebte. Wäre sie nicht gewesen, hätte er vor so vielen Jahren den Tod gesucht. Doch sie war da gewesen. Und er hatte sich dafür entschieden zu kämpfen, sich seine Ehre zurückzuholen. Nun hatte er den wohl höchsten Stand, den ein Jäger erreichen konnte und mehr. Niemand würde sich noch zwischen ihn und seine Gefährtin stellen.
„Laryn...“ In ihrem Namen lag nicht nur Lust und Begehren, sondern gleichermaßen auch Liebe und Sehnsucht. Sanft bettete er sie auf dem sandigen Boden, ohne sich von ihr zu lösen. Zu sehr genoss er das Gefühl von ihr, von ihren Händen, ihrem Körper, ihren Fingernägeln, die sich leicht in seine Haut gruben. Sacht knabberte er an ihrer Schulter.
Er alleine hatte völlig ihre Gedanken eingenommen und gab ihr so viel mehr als Liebe. Die unfreiwillige Enthaltsamkeit und Sehnsucht nach ihm hatte sie empfindlich werden lassen. Jede noch so kleine Bewegung schlug immer höhere Wellen der Lust.
Ein leichter Stoß seinerseits reichte schon aus, um sie laut aufstöhnen zu lassen. Nicht mehr viel und endlich hätte er diese furchtbare Einsamkeit vertrieben...
Nur zu gern wiederholte Tirzah die eigentlich so simple Bewegung, mit der er seiner Gefährtin schon des Öfteren mehr als nur ein Stöhnen entlockt hatte. So wie sie ihm scheinbar mühelos lustvolle Geräusche entlockte, wollte er sie gerade heute dazu bringen, vor Lust zu schreien. Alle sollten sehen, wie sie erneut ihre Verbindung feierten.
Und das taten sie. Sie feierten...
Die Nacht war erfüllt von Überraschungen. Es blieb nicht nur bei der Offenbarung, dass sie zusammen waren, nein, sondern auch dass Tirzah seine Gefährtin vor Lust schreien lassen konnte und sie nach ihrem ersten Orgasmus nicht genug hatte. Ebenso wenig nach ihrem zehnten.
tbc...