2/25
Leo lernte, mutig zu sein, da ihn das ungerechte Verhalten mancher Klosterschwestern dazu zwang. Wenn eines der über 40 Kinder ungerecht in die Besenkammer gesperrt wurde, schritt niemand ein.
Es war ihm ein Anliegen, Mädchen, die er mochte und die ihn auch schätzten, vor negativen Einflüssen zu bewahren. Er schirmte sie vor Jungen ab, die sie belästigten, und stand ihnen gegenüber den 'Pinguinen', so nannte man die Klosterschwestern, bei. Doch die Frage, die sich stellt, ist: Warum macht er das?
Leo kannte zu Hause keine liebevolle Zuneigung; Kuscheln im Bett der Eltern war unüblich, und wenn er auf den Arm genommen wurde, dann nur von Fremden. Zärtlichkeiten wie Streicheln oder liebevolle Umarmungen waren ihm fremd. Neidisch beobachtete er im Park eine Mutter, die ihrem Sohn liebevoll die vom Wind zerzausten Haare strich. Doch sich vorzustellen, zu ihr zu eilen, wenn sie rief, um ein Stück Brot abzubeißen, konnte er sich ebenso wenig vorstellen.
Wenn er jedoch dem Mädchen aus einer misslichen Lage helfen konnte, konnte er erwarten, dass sie ihm aus Dankbarkeit mehr Aufmerksamkeit schenkte und vielleicht auch eine Umarmung?
Ja, es war auf jeden Fall lohnenswert, das Spiel zu unterbrechen, aufmerksam zu sein und gegebenenfalls auch einige blaue Flecken zu riskieren oder eine Zeit lang in der Besenkammer zu verbringen.
Leo verbrachte sein Leben auf der Suche nach Liebe – einer Liebe, die sich durch körperliche Nähe ausdrückte und spürbar war. Berührungen, Streicheleinheiten, liebevolle Umarmungen und all die anderen Möglichkeiten der Zuneigung.
Als Jugendlicher fand er oft mühelos Anschluss in seinem Umfeld, ohne sich besonders anstrengen zu müssen. Leo war zu jeder Zeit ein gutaussehender Junge mit strohblondem Haar und einer vollen Unterlippe, aber seine markante Boxernase verlieh ihm eine weniger feminine Ausstrahlung.
Es scheint, als hätte er eine sehr rationale Einstellung zu Beziehungen gehabt und sich bewusst gegen die überwältigenden Emotionen der Liebe entschieden. Er hatte offenbar andere Prioritäten und Werte, die ihm wichtiger erschienen. Es wäre aufschlussreich, mehr darüber zu erfahren und seine Sichtweise besser nachvollziehen zu können. Was veranlasste ihn, diese Haltung anzunehmen?
Es ist nicht erforderlich, Mitleid für Leo zu empfinden, denn er hat seine ungewöhnliche Kindheit akzeptiert. Sie unterschied sich von der Norm; es gab keine Familie, die Hindernisse für ihn beseitigte, um ihn zu einem "normalen" Menschen zu formen. Leo war alles andere als "normal" und strebte auch nicht danach, es zu werden.
Während "normale Jungen" einem Ball hinterherliefen, um ihn anderen wegzunehmen, auf dem Boden mit seltsamen Geräuschen Autos über eine Straße aus Bauklötzen fuhren, oder es besonders lustig fanden, den Mädchen ihre Puppen wegzunehmen und sie bei jeder Gelegenheit zu ärgern, war Leo anders.
Falls ihr Interesse geweckt wurde und ihr die Entwicklung sowie das Heranwachsen eines jungen Mannes miterleben möchtet, dann folgt den kommenden Geschichten. Ich versichere euch, dass nichts erfunden ist; alles wurde genau so erlebt. Namen und Orte wurden zwar geändert, doch die Ereignisse sind real und sein Leben beginnt im Jahr 1950, wo gezeugt wurde.