Du bist Karja Sturmvogel.
Mit einem tiefen Atemzug wappnest du dich gleichsam für die Entscheidung und für den Weg, den du gewählt hast. Wie lange du wohl die Luft anhalten können wirst? Auf keinen Fall lang genug.
„Nehmen wir die Kanalisation“, sagst du tapfer. „Das ist der sicherste Weg.“
Elred seufzt schwer. „In Ordnung …“
„Es ist ein massiver Vorteil! Dieses Tunnelsystem erstreckt sich quer durch den gesamten Berg. So können wir ungesehen …“
„In Ordnung!“, fährt Elred dich an. „Meine Güte. Ich habe ja nicht widersprochen, oder?“
In entsprechender Laune bereitet ihr euch auf den Tauchgang vor. Du führst deine Begleiter zu einem der unteren Kanäle, wo die Brühe von oben brausend durch ein steinernes Brett schießt. Sie wird tiefer in den Berg geleitet, wo das Wasser gereinigt und dann über komplexe Maschinen zurück nach oben transportiert wird.
Hier ist von der Reinigung noch nichts zu sehen. Ihr steht am Rand einer stinkenden, braunen Brühe, die schäumend und sprudelnd an dem schmalen Steg leckt, der als Fußweg für die Kanalarbeiter neben der Rinne verläuft. Obwohl dieser ein Stück über dem Wasserlevel liegt – falls sich von Wasser sprechen lässt –, sind eure Schuhe sofort verschmiert. Der Geruch lässt euch alle würgen, Elred übergibt sich sogar in die Wellen und weicht dann angewidert zurück, weil einzelne Tropfen gefährlich hoch fliegen.
Brenna sieht deutlich blasser aus als zuvor. Besorgt reichst du ihr eine Hand und verschränkst eure Finger miteinander. Über den sanften Druck versuchst du, ihr Mut zu machen.
Die kalynorische Kriegerin lächelt dich dankbar an. Du kannst ihre Stärke nur bewundern. Sie lässt sich einfach nicht in die Knie zwingen, obwohl eure missliche Lage mehr als genug Grund dafür bietet. Was diese wunderbare Frau bloß an dir findet?
„Es kann nicht mehr weit sein“, tröstest du deine Gefährten und lässt Brennas Hand widerstrebend los, damit ihr beide euer Gleichgewicht besser halten könnt.
Über dem Rauschen des Wassers ist es nicht mehr so leicht, sich zu unterhalten. Der gewölbte Tunnel – über euch läuft er etwas schmaler zu als er unten breit ist – wirft den Lärm wieder und wieder zurück. Es gluckert und rauscht in deinen Ohren. Das Licht eurer Fackel erhellt nur einen kleinen Ausschnitt des Albtraums um euch herum. Schließlich siehst du aber eine Säule mit einer steinernen Wendeltreppe. Die Stufen sind für Zwerge ausgelegt und besitzen kein Geländer – aber es ist euer Weg nach oben.
Den Kopf in den Nacken gelegt kannst du das obere Ende nicht einmal erahnen. Licht fällt jedoch durch Zuflüsse, wo die Scheiße in Wasserfällen nach unten strömt, und einige kleinere Belüftungslöcher. Außerdem weißt du von eurer Flucht noch, wie weit es damals nach unten ging.
„Also los“, murmelst du. Es hilft ja nichts, ihr wusstet, dass ihr die Strecke wieder hinauf müsst. Schritt für Schritt beginnt ihr, die Stufen hinaufzusteigen. Diese sind glitschig von Algen und verirrten Tropfen, die aus den Scheißefällen manchmal bis zur Treppe spritzen. Die Wasserfälle aus den Öffnungen kommen unregelmäßig, scheinbar nach Bedarf, sodass die Fälle kleckernd austropfen und ebenso urplötzlich wieder anschwellen können. Für euch bedeutet das einen Spießrutenlauf mit dem verzweifelten Versuch, halbwegs trocken zu bleiben.
Ab und zu rinnen dünnere Strahlen auch über die Stufen selbst. Diese sind nach außen abgeneigt, um die Pfützen abfließen zu lassen, aber das macht euren Weg nur noch rutschiger.
Und irgendwo über euch trifft so ein Wasserstrahl offenbar direkt auf die Treppe!
Die Fackel in deiner Hand flackert im nächsten Sprühregen. Du presst die Lippen fest zusammen und hebst den Ärmel wieder vor das Gesicht, als du hinter dir ein unterdrücktes Keuchen hörst, das geisterhaft von den Wänden widerhallt.
Du drehst dich um und siehst Brenna fallen. Sie ist ausgerutscht. Instinktiv greifen Elred und du zu, um sie festzuhalten. Das plötzliche Gewicht zerrt euch allerdings mit von den Stufen.
Du wagst es nicht, zu schreien. Zu tief sitzt der Instinkt, in diesem Tunnelsystem den Mund nicht zu öffnen. Der Wind rauscht in deinen Ohren, während ihr mit den Gliedern wedelt und verzweifelt versucht, irgendeinen Halt zu ergreifen.
Die Oberfläche unten kommt in rasender Geschwindigkeit näher. Eine braune Suppe, so stinkend, dass ihr nur hoffen könnt, dass der Aufprall euch zuerst tötet.
Dies ist kein Canon-Ende, deswegen gibt es hier keine Fortsetzung.
Um das Canon-Ende für Karjas Teil der Geschichte zu erreichen, musst du dich für den Aufzug entscheiden.
Vielen Dank fürs Lesen und viel Spaß beim Weiterspielen!