Du bist Elred Aramys Nuvian.
„Ihr müsst mir jetzt vertrauen!“ Du ziehst Brenna mit dir und rennst zurück, auf den Drachen zu. Sie rennt dir nach, ohne sich über dein Ziel zu wundern. Karja folgt euch etwas zögerlicher, doch er kommt mit. Dann werden alle beide schneller, denn wenn ihr vor dem Drachen aus dem Gang herauskommen wollt, müsst ihr euch beeilen.
Eure Schritte trommeln auf den glatten Boden. Der dunkle Schlund am Ende des Ganges rückt näher. Du behältst die anderen Öffnungen dort fest im Blick, euren einzigen Ausweg aus der Todesfalle.
Dann schiebt sich der goldene Drachenkopf um die Biegung. Eure Stiefel schlittern über den Tunnel, als ihr aus dem Takt kommt.
Ihr dürft nicht zögern. Du zieht die Frauen weiter mit dir. Wenn ihr stehenbleibt, seid ihr auf jeden Fall tot. Wenn ihr rennt, besteht eine geringe Chance …
Die geschuppte Bestie klappt das Maul auf. Glühende Flammen kriechen den Rachen empor, Feuer züngelt um die gewaltigen Zähne. Die Luft flirrt vor Hitze, doch du spürst nichts davon. Du rennst einfach weiter, auf den Eingang neben dem Maul des Drachen zu.
In der verzweifelten Hoffnung, noch etwas zu ändern, erfasst du das Tigerauge. Brenna auf deiner anderen Seite versucht, mit dem Imperial etwas zu bewirken, doch sie runzelt irritiert die Stirn und nichts geschieht.
Unbeirrt läufst du weiter. Inzwischen erglüht ein Feuerball im Maul des Drachen. Du willst an ihm vorbei, zum Ausgang.
Doch ihr seid nicht schnell genug. Das Feuer versperrt euch den Weg. Du wirfst deinen Freunden einen Blick zu und lässt den Schöpferstein los. Brenna drückt deine Hand voller Angst. Ihr verschränkt eure Blicke, versichert euch stumm, dass ihr immerhin gemeinsam sterben werdet …
Flammen umhüllen euch tosend. Ihr kommt schlitternd zum Stehen und wartet auf den Schmerz – doch der kommt nicht. Dir ist nicht einmal heiß, sondern eher kalt. Verwundert drehst du dich zu den Frauen um, deren Gesichter deine eigene Verwirrung spiegeln.
„Was … was ist passiert?“, stammelst du.
Das Feuer versiegt. Der Drache ist noch vor euch und sieht euch direkt an. Dann allerdings verblassen seine Augen.
Brenna schreit auf, als sie – genau wie du – plötzlich eine Person in den gelben Pupillen sieht. Ein Zwerg mit goldblondem Haar und schwarzen Brauen, die Haut dunkel und von einer aufgeschürften, verbrannten Stelle auf der Wange gezeichnet. Einen Moment seht ihr den Fremden, als würde er direkt vor euch stehen.
Dann sind er und der Drache fort. Ihr steht atemlos alleine in dem leeren Tunnel.
„Eine Illusion“, flüstert Brenna schließlich. Ihre Stimme klingt dünn. Du bist wackelig auf den Beinen, deinen Gefährten ergeht es nicht anders.
„Das ist unmöglich“, flüsterst du. „Eine solch komplexe Illusion kann es nicht geben.“
Elred nickt bestätigend. „Aber wir haben sie trotzdem gesehen! Was auch immer hier vorgeht, es ist eine Nummer zu groß für uns!“
„Immerhin war es kein echter Drache.“ Sonst wärt ihr jetzt nämlich nicht mehr als ein Häuflein Asche. Der Aventurin im Reich der Drachenkaiser ist für euch definitiv außer Reichweite, dort würdet ihr keine Minute überleben!
„Ich denke, ich weiß, was hier los ist“, murmelt Brenna. „Es ist der Schöpferstein. Nur sie können so eine Macht erwecken, richtig? Einer der Zwerge kann ihn benutzen.“
Ihr überlegt, doch es gibt keinen Grund, warum sie falsch liegen sollte. Das würde erklären, warum der Stein nicht mehr an seinem Platz ist.
„Wir müssen zurück“, sagst du entschlossen. „Hier ist es jetzt zu gefährlich für uns. Wir gehen zur Taverne, gruppieren uns neu und gucken, ob wir den Stein überhaupt noch brauchen!“
Brenna verzieht das Gesicht. „Dann entgeht uns viel Geld.“
Du rollst mit den Augen. „Wir haben mehr als genug Geld! Jetzt geht es darum, unsere Leben zu retten!“
Eher widerstrebend stimmen beide Frauen dir zu. „Und wie kommen wir nach oben?“
„Wir müssen eine Treppe suchen, die hoffentlich weniger bewacht wird.“ Nachdenklich kaust du auf deiner Unterlippe. Das wird nicht leicht, vor allem, da ihr euch sowieso schon ziemlich verlaufen habt. Doch ihr seid nicht mehr in den Tiefen der Mine, sondern nah am Ausgang. Bis zu euren Reittieren in den Ställen ist es nicht weit. Das Problem ist, dass halb Barkan’dor zwischen euch und der Freiheit steht.
Dass ihr euch eure Niederlage eingestehen müsst, macht die Lage auch nicht besser. Doch es wird schon ein Wunder darstellen, wenn ihr entkommen könnt.
„Wenn wir bloß meine Amsel noch bei uns hätten“, murmelst du. „Dann könnten wir dem Rest erzählen, was sie hier erwartet. Nur falls … falls wir es nicht schaffen.“
Deine Gefährten geben bedrückte Geräusche von sich. Die Sorge, dass ihr es nicht schaffen werdet, haben offenbar auch sie.
Ihr setzt euch langsamer in Bewegung. Letztes Mal wussten die Zwerge, wo der Drache euch gejagt hatte, also wird es hier sicherlich nicht viel anders sein. Ihr solltet einen Aufstieg finden, bevor sie euch finden.
Die Fackel ist während eurer Flucht erloschen, sodass ihr in Dunkelheit geht. Deshalb haltet ihr euch doch an die Höhle in der Mitte, von der ihr eben weggerannt seid. Das sollte hoffentlich auch die Zwerge von eurer Spur abbringen, die über den Drachen vielleicht sogar wissen, wohin ihr zuletzt gelaufen seid.
Treppen und Gänge durchziehen die Seiten der Höhle. Ihr haltet euch in den Schatten, denn über euch stehen Wachen und halten Ausschau. Gruppen von Suchenden mit Fackeln und Armbrüsten kommen über die vielen Brücken herab.
Der Berg wimmelt wie ein Ameisenhaufen. Wie sollt ihr da hindurchkommen?
Plötzlich berührt Brenna euch nacheinander an der Schulter. „Ich hätte eine Idee“, sagt sie leise. „Sie ist verrückt, aber … wie wir beim Theaterstück sagten: Dreistigkeit siegt.“
Herzlichen Glückwunsch!
Dies ist das Canon-Ende von Elreds Part.
Lies weiter bei Kapitel 34.