Du bist Elred Aramys Nuvian.
Die Probleme fangen früh an. Ihr wisst nicht einmal, ob ihr Barkan’dor betreten könnt. An jeder Ecke hängen Steckbriefe mit euren Bildern. Euer einziger Vorteil ist, dass sie euch nicht ganz getroffen haben. Arthrax würde sich zu Tode lachen, wenn er die Fratzen sehen könnte! Dein Konterfeit hat beispielsweise extreme Segelohren, vermutlich weil der Zeichner sichergehen wollte, dass dich jeder als Elf erkennt.
„Verdammte Spitzohren, was? Kein Wunder, dass die bei so was mitmachen.“ Eine kleingewachsene, breitgebaute Gestalt neben dir spuckt in den Dreck.
Du ziehst die Kapuze etwas tiefer ins Gesicht. „Ja … verdammte Spitzohren …“
Der Zwerg – von dem du eigentlich nur den struppigen, braunen Bart erkennen kannst – stiefelt weiter, ohne dich noch groß zu beachten. So gesehen ist das unfreundliche Wetter ein Segen. Es regnet zwar nicht – noch nicht –, aber der kalte Wind rechtfertigt die Kapuze. Alle Reisende auf den Straßen sind so verhüllt. Die meisten sind trotzdem als Zwerge erkennbar. Sowohl durch ihre Körpergröße als auch durch ihren Gestank. Körperhygiene ist in diesem Ort wohl ein Fremdwort.
Du wendest dich wieder dem Aushang zu, einem Schild aus morschen Brettern vor dem heruntergekommen Gasthaus, in dem die meisten Reisenden unterkommen. Du überlegt, ob du die Steckbriefe abreißen sollst. Es sind sechs, einer für jeden von euch. Karja ist mit einem Dreispitz dargestellt, Allyster blind, Aji mit geradezu riesigen Augen. Da die Bilder bloße Bleistiftzeichnungen sind, kannst du nicht erkennen, ob sie bereits von der veränderten Haarfarbe eures jüngsten Mitglieds wissen. Es steht vielleicht im Text, doch du kannst die Zwergenrunen nicht lesen. Du bist in den zivilisierten Sprachen der Jenseitslande ausgebildet, aber nicht in dieser.
Schließlich entscheidest du dich, die Aushänge tatsächlich abzureißen. Zwar hängen überall noch genug Kopien, das hilft euch also nicht, aber wenn ihr in das Gasthaus wollt, solltet ihr es euren Feinden vielleicht nicht zu leicht machen.
Ihr habt genug eisige Nächte im Gebirge hinter euch, um das Risiko in Betracht zu ziehen. Selbst der tapferste Krieger hält nur eine Zeitlang mit eisigen Füßen durch.
Du rückst deinen Bogen zurecht, während du die Steckbriefe einsteckst. Vielleicht kann Karja sie ja entziffern. So oder so sind sie vielleicht auch ein nettes Andenken. Ihr hattet bereits mehrere Male Kopfgeld, aber noch nie in den Jenseitslanden.
Die Reisenden machen dir nervös Platz, als du zurück zur Straße gehst. Die Blicke, die dir folgen, sind wachsam. Sie halten dich für einen Kopfgeldjäger. Die nutzen die Wege durch das Gebirge häufiger, da sie hier auf nur wenig andere Wanderer stoßen. Die Zwerge kümmern sich nicht darum, welches Gesindel über ihnen vorbeizieht, die Kopfgeldjäger müssen dagegen nicht mit Soldaten rechnen, die sie für ihre Morde zur Rechenschaft ziehen.
Jedenfalls hoffst du, dass man dich zu denen zählt, die ihr Leben mit blutiger Rechenschaft bestreiten. Wenn dich die vielen Kopfgeldjäger hier erkennen, steckst du in echten Schwierigkeiten.
Karja und Brenna warten mit den Pferden und dem Esel außerhalb der Stadt. Beide Frauen treten frierend von einem Fuß auf den anderen.
„Wie schlimm ist es?“, fragt die Piratin.
Du reichst ihr wortlos die Steckbriefe. „Sag du es mir.“
„Hm. Das ist noch höher, als ich gedacht hatte“, murmelt sie.
„Wie viel Gold?“
„Ich … ich kann es nicht gut in kalynorische Währung umrechnen. Aber wenn ihr die Möglichkeit hättet, euch gegenseitig auszuliefern, würde der Verräter das erhalten, was euer Herrscher euch gezahlt hätte. Ich denke, das gesamte Kopfgeld zusammen ist ziemlich genau euer Anteil am Gold der Krone.“
„Verlockend“, meint Brenna. „Besonders, wo wir vermutlich noch mit dir teilen müssen, falls wir unserem Auftrag folgen!“
„Genau“, wirfst du ein. „Alles, was es dich kostet, ist das letzte bisschen Moral und das Leben deiner Freunde.“
„Ganz zu schweigen davon, dass wir mit dem Gold nicht mehr viel anfangen könnten.“ Brenna grinst. „Aber für alle Fälle wäre es noch eine gute Option, ein paar arme Menschen mit unseren Rüstungen auszuliefern. Wenn alle Stricke reißen.“
Die Anspannung, die dich auf der Straße ergriffen hatte, fällt wieder von dir ab, während du mit deinen Freundinnen scherzt. Doch du vergisst eure Situation dabei nicht einen Moment.
„Wir könnten jetzt in die Taverne und uns aufwärmen. Ich weiß aber wirklich nicht, ob das so eine gute Idee ist.“
„Wir sollten es tun“, sagt Karja mit fester Stimme. „Wir werden morgen die Tore passieren, wenn das Gedränge am größten ist. Dafür wirst du deine Kraft brauchen, Elred.“
Karjas Plan besteht darin, das Tigerauge und den Imperial zu nutzen. Sie weiß zum Glück einiges über Barkan’dor. Etwa, dass hier zwar überwiegend Zwerge unterwegs sind, aber auch große Reisende nicht allzu selten sind. Neben den Kopfgeldjägern gibt es auch Händler, die zum Berg strömen, um die Schätze des Zwergenreichs für ihre Waren zu erhalten. Als solche werdet ihr euch ausgeben. Es gibt nur ein Problem: Die Reisenden werden an den großen Toren, die die Straße in Abschnitte teilen, streng kontrolliert. Um dort hindurchzukommen, werdet ihr die Macht der Schöpfersteine brauchen.
„Lass dich ansehen.“ Karja triff vor dir und streicht die Kapuze zurück. Dann stellt sie sich auf die Zehenspitzen und überrascht dich mit einer muffigen, kratzigen Wollmütze, die sie dir tief in die Stirn zieht.“
„Was, bei allen Göttern, ist das für ein Scheiß?“ Du willst sie dir vom Kopf reißen.
Karja hält deine Hand fest und sieht dich beschwörend an. „Nicht.“ Sie klappt zwei Taschen an den Seiten herunter, die über die Ohren fallen, und zupft an dem Band, das jeweils am Ende von diesen abgeht. Du schlägst ihre Hand beiseite und bindest dir die Mütze schweren Herzens zusammen. Deine Kopfhaut kribbelt unter der Mütze schon jetzt. Sie ist sicherlich voller Läuse! Aber wie Karja sehr gut erkannt hat, versteckt sie deine spitzen Ohren.
„Solange wir draußen sind, sollte das helfen“, urteilt die Piratin grinsend.
Auch Brenna lächelt belustigt. „Dir fehlt eigentlich noch ein Bart.“
„Wo habt ihr die her?“
„Die hat Karja gegen einige unserer Brote getauscht“, erklärt Brenna. „Sie hat auch neue Satteltaschen geholt.“
Stolz präsentieren die beiden dir acht große Taschen, die, wie du nach einem kurzen Test feststellst, mit Steinen gefüllt sind.
„Die tun wir auf die Pferde.“ Brenna hat deinen fragenden Blick bemerkt. „Es sieht nach Waren aus, jedenfalls von außen.“
„Die armen Tiere“, murmelst du.
„Wenn wir es schaffen, sollten wir auch einen Karren erwerben“, fährt Karja fort. „Einen Einspänner für den Esel. Dafür möchte ich mich in der Taverne umhören.“
Du nickst, während du nur mit halbem Ohr zuhörst. Deine Gedanken kreisen darum, dass du die Mütze nun wenigstens drei Tage tragen wirst – so lange dauert es laut Karja, bis ihr die eigentliche Stadt erreicht habt, wobei ihr sieben Tore passieren müsst. Das letzte Tor soll zwar nur noch zeremoniell sein, ohne Kontrollen, aber bis dahin steht euch viel bevor.
Zunächst wählt ihr jedoch die Taverne. Karja und Brenna haben sich ebenfalls etwas verkleidet. Brenna hat sich sogar kurzerhand die dicken Zöpfe abgeschnitten und nun Haar, das nur bis zu ihren Ohrspitzen reicht. Damit sieht sie wie verändert aus. Härter. Älter. Aber nicht unbedingt unattraktiv.
Karja hat sich eine falsche Augenklappe aufgesetzt und sich eine auffällige Narbe auf die Wange geschminkt. Solange es nicht in Strömen regnet, lenkt die falsche Wunde effektiv von ihren Gesichtszügen ab. Nimmt man nun noch hinzu, dass du unter mehreren Stoffschichten und mit der Mütze eher wie ein alter Fischer aussiehst, sollte es schwierig sein, euch der gesuchten Gruppe zuzuordnen.
Der Wirt scheint jedenfalls keinen Verdacht zu schöpfen, als ihr ihn für drei Stallplätze und drei Zimmer bezahlt. Die Münzen, die ihr verwendet, hat Karja zuvor mit Schlamm geschwärzt und im Dreck noch mehrmals draufgetreten, damit sie nicht mehr neu aussehen. Dennoch zieht das kalynorische Geld einige begehrliche Blicke auf sich. Ihr gebt eine Runde für alle im Schankraum aus, das ist laut Karja die beste Möglichkeit, sich Freunde zu schaffen, dann setzt ihr euch an einen Tisch und wartet auf einen fettigen, bereits erkalteten Braten, der hier als Abendessen serviert wird. Das Bier, das ihr dazu trinkt, ist bitter. Du würdest gerne ganz darauf verzichten, aber ihr habt nun mal etwas Aufmerksamkeit erregt.
„Denkt daran, die Hälfte dieser Leute wird mit uns bis Barkan’dor reisen“, schärft Karja euch ein. „Verscherzt es euch also nicht!“ Sie steht auf.
„Wo willst du hin?“, fragt Brenna sofort.
„Ich gehe die andere Hälfte suchen. Jemanden, der seine Waren losgeworden ist und einen Karren zu verkaufen hat, den er sonst den ganzen Weg zurück ziehen müsste.“ Die Piratin grinst. „Ich hoffe jedenfalls, dass jemand zu so einem Geschäft bereit ist, sonst muss ich kreativ werden. Amüsiert euch gut – ich komme gleich zurück.“
Damit stapft sie davon. Du umfasst unwohl deinen Bierkrug. In diesem Land fühlst du doch so überhaupt nicht willkommen. Die Zwerge hassen Elfen. Der Dornenwald, deine ursprüngliche Heimat, grenzt im Westen an Barkan’dor. Früher haben beide Völker um das Hügellang Krieg geführt, das dazwischen liegt. Seitdem sich die Hochelfen mit Kalynor verbündet haben – worauf die Dunkelelfen verstoßen wurden – ist der Krieg für euch gewonnen.
Was bedeutet, dass du nirgendwo so sehr gehasst wirst wie in diesem Land der Verlierer!
Du versteifst dich, als ein Mann an euren Tisch getorkelt kommt. Er muss ein Kopfgeldjäger sein – jedenfalls ist er kein Zwerg, sondern wohl ein Mensch. Er trägt eine Armbrust über den Schultern und eine ähnliche Mütze wie du, die dem entspricht, was in Flutheim an Leder und Pelzen getragen wird. Der bärengroße Mann ist muskulös und vernarbt. Eine besonders tiefe Wunde scheint ein Messerstich in seiner Stirn zu sein, über dem rechten Auge. Das Loch ist sicherlich einen halben Daumen tief – dass er überhaupt noch lebt, ist ein Wunder!
„He, Schnecke“, lallt er Brenna an. „Hasse heut‘ noch was vor? Ich war lests’ns in Südmarke und kann dir was über den Turm von Lilienstein erzählen.“ Er lacht dreckig. Ihr seid dagegen einen Moment lang zu erschrocken, um zu reagieren. Dann …
Pairing-Entscheidung!
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- Kein Pairing. Lies weiter in Kapitel 2.
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- Das Pairing Brenna & Karja. Lies weiter in Kapitel 3.
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- Das Pairing Brenna & Elred. Lies weiter in Kapitel 4.