Erstaunt blickte Sezuna auf. „Oh, du hast dich mit ihr angefreundet?“, wollte sie wissen. „Also so richtig, nicht nur für den Auftrag?“
Das war neu für sie, denn sonst sah Kaden die meisten anderen nur als Mittel zum Zweck. Oder zumindest hatte es früher für sie immer so ausgesehen.
Er sah von Sezuna zum Weg und wieder zurück.
„Ich... schätze schon? Hat sich einfach so ergeben. Ich hab sie zufällig beim Laufen im Wald getroffen und dann haben wir uns unterhalten“, erwähnte Kaden beiläufig mit einem Schulterzucken. „Hast du Hunger?“, versuchte er nun das Thema zu wechseln, in der Hoffnung, dass es ihm in einer anderen Umgebung leichter fallen würde.
„Noch nicht, aber ich habe gehört, dass diese Straße runter einige leckere Restaurants, Imbisse und Kneipen sein sollen. Wollen wir da hin?“, fragte sie Kaden und strich sich eine Strähne hinter die Ohren. Etwas, was sie schon immer getan hatte.
Kaden musterte sie noch einige lange Sekunden mit einem Lächeln.
„Ich geh dahin wo du hingehst“, erwiderte er und zog die Rothaarige an seine Seite indem er seinen Arm um ihre Taille legte.
Sezuna genoss es sichtlich in Kadens Gegenwart, auch wenn sie früher schon oft so nebeneinander her gegangen waren.
„Warst du eigentlich schon einmal zuhause in einen dieser Kuriositäten Restaurants, wo sie alles mögliche Seltsame anbieten?“, fragte sie neugierig.
Sie bogen in die nächste Straße ein, als Kaden lächelte und langsam nickte.
„Einmal. Aber ich hab nichts probiert. Ich war nur wegen einem Auftrag dort und das war‘s auch schon“, er hielt an, um sich die Straße anzusehen. „Also, wo willst du hin?“
„Ich war auch einmal dort für einen Auftrag und ich musste etwas essen. Glaub mir das werde ich nie wieder tun“, sagte sie und blickte nun ebenfalls die Straße hinunter. „Ist mir eigentlich ziemlich egal. Lass uns ein wenig durch schlendern und schauen, was wir finden?“, fragte sie.
Kaden nickte, als sich die beiden in Bewegung setzten. Er rang mit sich, als er die nächste Frage stellen wollte.
„Als du beim Rat aufgenommen wurdest... haben sie dir irgendwas gesagt?“, fragte er möglichst unschuldig ohne Blickkontakt aufzunehmen.
Er wollte sie nicht direkt drauf ansprechen, doch die Frage brannte schon in ihm, seit er den Rat zu ihr geschickt hatte.
„Nein. Aber ich habe mir schon gedacht, dass irgendjemand sie auf mich aufmerksam gemacht hat und so viele Leute gab es ja nicht, die wussten, was ich kann“, erklärte sie und war nicht ganz so erfreut, dass er dieses Thema wieder anfing. Aber es musste geklärt werden. „Ich war aber auch sehr lange in Behandlung und durfte auch lange keine Besucher empfangen. Nicht, dass mich irgendwer besuchen kam“, erklärte sie, als wäre es unwichtig. Was es für sie auch irgendwie war.
Mitleidig drehte er sich zu ihr und zog die Brauen zusammen.
„Du wusstest das ich das war?“, fragte er ehrlich überrascht.
Er schluckte und wandte den Blick wieder von ihr ab. „Vergiss es. Ist sowieso unwichtig“, schüttelte er den Kopf und suchte ein neues Thema. „Was ich dich fragen wollte... schon seit wir bei mir im Zimmer waren. Seit wann ist das so? Mit mir und dir?“, wage reihte er irgendwelche Wörter aneinander.
Sezuna hob eine Braue und musterte den blonden Vampir von der Seite.
Meinte er ihre Gefühle?
Für jemanden, der dafür bekannt war charmant zu sein und mit Worten umgehen zu können, schien er jetzt ziemlich wortkarg.
Aber irgendwie war diese Nervosität und dieses leichte Gestotter auch irgendwie süß. Das hatte sie bisher noch nie an ihm gesehen. Ob das gut war?
„Ich kann es dir nicht sagen“, meinte sie ehrlich. „Es war auch für mich eine Überraschung.“
Kaden lachte leise ein wenig verzweifelt und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
„Ich meine, ob das früher auch schon so war. Damals in der Schule. Oder sogar noch länger?“, fragte er und musste unbeabsichtigt wieder an ihren Abschluss denken, als sie im Schließfach eingeschlossen waren.
'Ist das jetzt der Moment in dem du mir deine wahren Gefühle gestehst?'
Normalerweise vergaß er alles, doch ausgerechnet das war ihm im Gedächtnis geblieben.
Sezuna überlegte. „Nein. Ich glaube früher war es nicht so. Vielleicht liegt es dran, dass ich erst erkannt habe, was du mir bedeutest, als wir uns wieder gesehen haben“, murmelte sie nachdenklich und lies ihre Haare ein wenig vor ihr Gesicht fallen, damit er nicht sehen konnte, wie sie ein wenig rot wurde. Außerdem richtete sie ihren Blick auf die Straße.
Er drehte sein Gesicht zu der Rothaarigen, als er ihre Gefühle bemerkte und strich ihr eine Strähne hinters Ohr.
„Nach so viel Dramatik schämst du dich immer noch?“, fragte er mit einem angedeuteten Lachen und blieb stehen, um sie zu mustern.
„Ja. Es ist mir ziemlich peinlich, wie das alles verlaufen ist und ich hab das Gefühl es ist zum Großteil meine Schuld“, gestand sie. „Ich wollte nie, dass das so ausartet“, gestand sie und ihre Finger spielten mit den Falten ihres Kleides.
Kaden beobachtete ihre nervösen Bewegungen an ihrem Kleid und seufzte.
„Mach dir keine Gedanken darüber. Manchmal müssen schlimme Sachen einfach passieren. Manchmal...“, flüsterte Kaden abwesend und spielte mit dem Gedanken nach ihrer Hand zu greifen.
Doch da musste er auch schon wieder an das Riesenrad denken in dem er so hoffnungsvoll auf ein Zeichen von ihr gewartet hatte.
Das hatte er jetzt nach langer Zeit mehr oder weniger bekommen. Aber er selbst wusste nicht, wie er damit umgehen sollte.
Was hätte er wohl getan, wenn sie ihm auf dem Riesenrad ihre Liebe gestanden hätte?
Sezuna ging von dem Rockgezupfe dazu über an ihren Haaren zu spielen. Mit einer Hand griff sie jedoch nach Kadens Hand und blickte ein wenig schief lächelnd zu ihm auf.
„Lass uns weiter laufen, dort vorne gibt es leckeres Eis. Es sei denn du möchtest schon etwas Richtiges essen“, sagte sie, damit sie sich nicht wieder über dasselbe Thema stritten, oder sich anschwiegen.
Er sah runter auf ihre Hände und verschränkte seine Finger mit ihren.
„Eis klingt gut“, gab er zurück.
Als würde bei ihm eine Art Schalter umgelegt, der ihn alles vorherige vergessen ließ, lächelte er nun wieder und sie setzten ihren Weg fort.
Er würde ganz ruhig bleiben. So tun, als wäre das hier ein vollkommen normales Date mit einem vollkommen normalen Mädchen.
Sie setzten sich in das kleine Eiscafé und warteten auf die Bedienung.
„Weißt du, ich hab nachgedacht“, begann Kaden nun mit dem Vorsatz sich wieder wie früher zu verhalten. Denn im Grunde war es wirklich nichts anderes.
Sezuna blickte von der Karte auf und schenkte ihm denselben Blick, den sie ihm schon früher bei diesen Worten geschenkt hatte.
„Das ist nie gut“, stellte sie nüchtern fest, aber in ihren Augen schimmerte Vorfreude.
Kaden lachte kurz, als er die Karte vor Sezuna ein Stück runter zog, um auch einen Blick darauf werfen zu können.
„Wir sind ja wieder ganz witzig aufgelegt, was?“, flüsterte er mit angewinkeltem Kopf bis er sich der Karte zuwandte. „Hast du dir das auch gut überlegt mit mir? Ich meine dir ist schon klar das Ma früher oder später davon Wind bekommt oder?“, fragte er nun und musste grinsen bei dem Gedanken wie sie reagieren würde. Normalerweise war jeder Vampir, der an ihren Kindern interessiert, nicht gut genug, doch bei Sezuna könnte das sogar noch eine Spur interessanter werden.
„Ich mag deine Ma“, sagte sie. „Außerdem bin ich an dir interessiert, nicht an deiner Ma. Das mit deiner Ma würde sowieso nicht gut gehen“, fügte sie so nüchtern hinzu, als hätte sie tatsächlich darüber nachgedacht etwas mit seiner Mutter anzufangen.
Kaden riss die Augen auf und schielte zu der Rothaarigen hoch.
„Das ist einfach nur gruselig“, warnte er sie, doch konnte sich selbst ein Lachen nicht verkneifen.
„Ja, sehe ich auch so. Aber ich mag deine Familie wirklich gern. Auch deine Ma. Gerade weil sie so ist, wie sie ist“, erklärte Sezuna, als auch schon ihr Stracciatella-Becher und die heiße Schokolade kam.
„Ja, sie ist wirklich einzigartig“, murmelte Kaden nur ironisch mit hochgezogener Augenbraue, während er Sezuna beim Essen beobachtete.
Auch er hatte sein Essen bekommen, es aber bisher noch nicht angerührt.
Langsam breitete sich ein Lächeln auf Kadens Gesicht aus, als er den Blick auf ihre goldenen Augen gerichtet hielt.
„Ich hab auch über anderes nachgedacht“, flüsterte er plötzlich langsam und musste grinsen.
Nun hob Sezuna ihren Kopf wieder von ihrem Eis und musterte ihn neugierig. „Ach ja? Möchtest du mich in deine Gedanken einweihen?“, fragte sie neugierig und ihre Lippen verzogen sich jetzt schon fast zu einem Grinsen.
„Wirklich? Gar keine Witze darüber das ich denken kann?“, fragte Kaden herausfordernd, der es fast schon gewohnt war, dass sich die beiden spielerisch beleidigten.
„Ach nein. Heute nicht“, meinte Sezuna gut gelaunt. „Ich bin eher gespannt darauf zu erfahren, was deinem Geist entsprungen ist“, erklärte sie noch immer neugierig.
„Die Frage wollte ich eigentlich an dich richten. Du hast doch von irgendwelchen Träumen gesprochen“, erklärte Kaden nun, während er sich noch weiter zu ihr gelehnt hatte. „Wie war denn dieser Traum-Kaden? Sah er gut aus?“
Sezuna musste lachen, bei Kadens Frage. „Nein so überhaupt nicht“, erklärte Sezuna ironisch. Sie wollte den Moment nicht unbedingt kaputt machen in dem sie zu ernst über die Dinge sprach.
Kaden bemühte sich ein gespielt ernstes Gesicht aufzusetzen.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendeine Version von mir nicht gut aussehen könnte“, gab dieser zurück und begann nun ebenfalls sein Eis zu essen.
„Ach wirklich?“, kam die überraschte Aussage von Sezuna. „Ich nicht. Ich bin mir sicher jede deiner Versionen ist so charmant und sexy wie das Original.“
Kaden musste lachen und rührte in seinem Eisbecher herum.
„Genau, deswegen sind wir beide befreundet“, lachte er mit gehobenem Löffel bis ihm klar würde das er sie als Freundin betitelt hatte wie früher.
„Ja, richtig“, stellte Sezuna fest und lachte. Sie störte sich nicht daran. Immerhin hatten sie gesagt sie wollen es ruhig angehen lassen, oder sowas. Das hieß auch, dass sie sich Zeit lassen sollten.
Wenn Kaden wohler damit war, mit ihr umzugehen wie früher, bis sie sich wieder aneinander gewöhnt hatten, würde sie ihm diese Zeit geben.
„Da fällt mir ein, was ich dir noch erzählen wollte. Erinnerst du dich noch an Tavish aus der Schule? Der der dich immer ausführen wollte“, fragte Kaden nun und musste lächeln bei der Erinnerung wie er Kaden immer über sie ausgefragt hatte.
Sezuna stöhnte. „Ja. Er ist mir mal begegnet und ich würde sagen er hat sich kein bisschen verändert“, sagte sie und erinnerte sich daran, wie er selbst damals versucht hatte sie zu bezirzen.
Kaden lachte laut auf, da er sich nicht mehr zurückhalten konnte.
„Ich hab ihn auch getroffen... auf einem Auftrag“, brachte er nur gepresst hervor da sein Lachen alles andere erstickte.
Sezuna stöhnte. „Oh, sag mir bitte nicht, dass er nach mir gefragt hat. Als wir uns trafen, hat er mir sofort die nächst besten Blumen ausgerupft und geschenkt. Weißt du wie böse die Frau war, der er sie gestohlen hatte?“
Kaden musste noch heftiger lachen und schüttelte den Kopf.
„Er war schon immer ein stattlicher Mann von Welt“, gab Kaden sarkastisch zurück. „Und ja er hat nach dir gefragt... nachdem ich ihm beim Rat abgeliefert hab. Er ist immer noch ein schlechter Lügner.“
Sezuna verdrehte die Augen. „Ja, das glaube ich gern. Dieser Typ war noch nie ganz sauber. Sag. Erinnerst du dich noch an Miranda? Die kleine, ruhige, die immer ganz hinten saß?“, fragte Sezuna neugierig.
Kaden beruhigte sich wieder und setzte ein nachdenkliches Gesicht auf.
„War das die, die beim Abschluss geweint hat?“, fragte er und versuchte sich an sie zu erinnern.
Sezuna war diejenige, die sich alles merken konnte, also hatte er sich nie so viele Gesichter eingeprägt.
„Ja genau. Die, die du eine Woche lang belagert hast, weil sie nicht mit dir ausgehen wollte“, erklärte Sezuna nüchtern.
„Das war zwar öfter der Fall, als mir lieb war aber ja ich weiß, wen du meinst. Was ist mit ihr?“, fragte er nun neugierig und aß weiter.
„Sie ist jetzt ein Popstar“, erklärte Sezuna und es klang überhaupt nicht wie Ironie.
Kaden sah sie ungläubig an.
„Echt jetzt? Kann ich mir gar nicht vorstellen“, gab Kaden zurück und versuchte es sich vorzustellen. „Ich weiß nur, dass lorie aus unserer Klasse jetzt wohl mit unserem Geschichtslehrer verheiratet ist. Ich vergess‘ seinen Namen immer.“
„Iorie ist was?“, fragte Sezuna und riss die Augen auf. „Sie hat Mr. Maron geheiratet? Ehrlich? Diesen seltsamen Typen?“ Sezuna ließ fast ihren Eislöffel fallen, so überrascht schien sie zu sein.
„Ja, derselbe der mich immer mit Kreide beworfen hat, wenn ich nicht aufgepasst habe“, erklärte Kaden augenrollend und erinnerte sich daran, wie Sezuna immer gekichert hatte, wenn er den weißen Staub im Gesicht kleben hatte.
„Ich mochte ihn nicht. Er war so… seltsam. Obwohl das ja auf die meisten Lehrer zu traf. Erinnerst du dich noch an den Lehrer, der den einen Tag in Unterwäsche in den Unterricht kam?“, fragte sie gut gelaunt.
Kaden unterdrückte ein Lachen und versuchte weiterhin seriös zu wirken.
„Oh ja, wie könnte ich das vergessen. Diese Schule gehört wirklich geschlossen“, scherzte Kaden, als er den letzten Löffel nahm und das Geld zum Bezahlen auf dem Tisch platzierte. Er seufzte und sah Sezuna wieder musternd an. „Ich hab das vermisst“, murmelte er so leise, dass Sezuna ihn nur gerade so verstehen konnte.
„Oh ja“, sagte sie und leerte ebenfalls ihr Eis. „Ich hatte zwar viel zu tun und bin viel rum gekommen, aber die verlassenen Tempel und alten Relikte hätte ich viel lieber mit dir erkundet. Das hätte viel mehr Spaß gemacht, als allein.“
Kaden stand auf und lächelte Sezuna an.
„Du meinst mit jemandem der sie kaputt macht?“, fragte dieser sarkastisch, um die Last von Sezunas Worten zu nehmen.
Sie hätte sie lieber mit ihm erkundet... das klang viel zu endgültig.
Sezuna lachte. „Nein, aber dir hätten die Fallen bestimmt mehr Spaß gemacht, als meinen Kollegen“, erklärte sie kichernd. „Einen von ihnen musste ich mal aus einem Schlangennest retten. Der war gar nicht begeistert und hat die ganze Zeit nur gemault.“
Kaden schluckte und musterte Sezuna mit verengten Augen.
Sie wusste genau wie sehr er jede Art von Reptilien hasste.