Erneut klingelte Kadens Handy. Zum dritten Mal in Folge, als er letztlich augenverdrehend mit einem Seufzten abnahm.
„Ja?“, stöhnte er genervt und sah kurz zu Alexa, die sich inzwischen auf die Couch gesetzt hatte.
„Ah, ich wusste doch, dass du dran gehen würdest. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, aber vermutlich haste mich nur ausversehen 32-mal weggedrückt nicht wahr?“, hörte der Vampir Reyes Stimme am anderen Ende der Leitung und schloss genervt die Augen.
„Hast mich erwischt“, spielte Kaden mit und beobachtete die Brünette auf der Couch deren Lider vor Müdigkeit flackerten.
„Wie dem auch sei. Ich möchte dich sehen. In 10 Minuten in der Bar, ich warte“, mit diesen Worten legte der Mann auf und ließ Kaden keine Zeit für Widersprüche.
Kaden seufzte. Na wunderbar, das war gerade sehr unpassend. Dieser Typ hatte wirklich ein Händchen dafür.
Kaden zögerte kurz. Sollte er Orion Bescheid geben? Wohl eher nicht, wenn er bedachte, wie Alexa auf ihn reagiert hatte. Sie wollte wohl nicht mit einem fremden Mann alleine sein. Was er nachvollziehen konnte.
„Ich muss leider was erledigen. Ich hole Lika rüber, ja?“, fragte er und bemerkte erst zu spät, dass das ja hieß, dass Sezuna mit Orion alleine sein würde.
Wieder musste er sich ermahnen, sich daran zu erinnern, dass sie beide ja nicht zusammen waren. In der Schule hatte er sie schon oft mit anderen Männern gesehen und doch fühlte es sich jetzt anders an als früher.
Doch dafür blieb keine Zeit. Er schrieb Lika eine kurze Nachricht, bevor er aus der Tür rausstürmte, ebenso wie Lika und warf ihr zeitgleich seinen Schlüssel zu, ehe er im lockeren Tempo los joggte, um rechtzeitig zur Bar zu gelangen.
Lika blickte ihm verwirrt hinterher und Orion stand ebenfalls verwirrt im Türrahmen, da er Lika hinaus begleitet hatte.
Die Blauhaarige zuckte die Schultern und betrat Kadens Wohnung, um Alexa Gesellschaft zu leisten, während Orion sich wieder zu Sezuna zurückzog, die dösend auf dem Sofa lag.
Leise trat er wieder an das Sofa und setze sich auf den Couchtisch, der davor stand und musterte sie.
„Hast du Hunger? Soll ich dir was zu essen holen? Oder vielleicht Blut?“, fragte er und wandte den Blick auf seine Hände, die nicht stillhalten wollten.
Sezuna lächelte ein wenig. „Du musst nicht, aber danke“, murmelte sie, wohlwissend, dass ihr Blut im Moment sehr gut tun würde. Blut tat generell immer gut, aber sie wollte nicht, dass Orion sich irgendwie gezwungen fühlte. Immerhin war er als Werwolf den Umgang mit Vampiren nicht gewohnt und wie es Kaden erzählt hatte, fand er seinen Biss wohl auch nicht so toll.
Er krempelte beinahe schon beiläufig seinen Ärmel hoch und hielt ihr den rechten Arm entgegen, während er sie musterte.
„Ich muss mich sowieso noch bei dir entschuldigen“, gab Orion leise von sich und war irgendwie dankbar dafür, dass er ein paar Worte unter vier Augen mit Sezuna wechseln konnte.
Diese setzte sich langsam auf und blickte ihn skeptisch an. Normalerweise lehnte sie kein Blut ab, dennoch war sie vorsichtig und griff leicht nach seinem Arm.
„Für was willst du dich entschuldigen?“, fragte sie und wartete auf eine Antwort. Dabei hielt sie seinen Arm noch immer mit ihren Fingern locker fest. So, dass er ihn ihr jederzeit entziehen konnte.
Er schluckte und beobachtete ihren Griff, doch er zuckte keinen Millimeter bei der Berührung.
„Wegen dem, was ich im Café gesagt hab. Ich hab nicht nachgedacht. Es tut mir leid“, erklärte er überraschend sanft und hielt seinen Arm dichter vor ihren Mund, um ihr zu symbolisieren, dass es ihm nichts ausmachte.
Sezuna schluckte und ihr lief das Wasser im Mund zusammen.
Sanft senkte sie die Lippen und ihre Zähne wurden bereits länger. Dennoch war sie sehr vorsichtig, als sie ihn biss. Sie war immer vorsichtig, weil sie niemanden verletzten wollte. Doch als sein Blut in ihren Rachen floss, war es so, als hätte sie einen köstlichen Wein probiert. Sie spürte, wie sie sich leicht verspannte, weil ihr Körper mehr brauchte und wollte, doch sie konnte unmöglich die Kontrolle fallen lassen. Nicht, wenn der Partner, bei dem sie trank, so unerfahren war.
Orion atmete tief durch und versuchte sich zu entspannen. Doch der Energiefluss den er auch schon bei Kadens Biss bemerkt hatte, schien ihn wach zu halten.
Er spürte wie Sezunas Finger um seinen Arm zuckten, als hätte sie Angst davor fester danach zu greifen.
„Ist schon okay, ich bin nicht so empfindlich wie ein Mensch“, besänftigte Orion sie, der es seltsam angenehm fand, Sezunas Lippen auf seiner Haut zu spüren.
Der Griff um seinen Arm verfestigte sich etwas, dennoch schien sich die Rothaarige immer noch Mühe zu geben, ihn nicht zu verletzten. Wenn sie sich selbst in einen Blutrausch trank, würde Orion die Anzeichen nicht erkennen und sie nicht aufhalten. Das konnte er einfach nicht, aber sein Blut war so lecker und stärkend, dass Sezuna wirklich Mühe hatte sich nicht komplett hinzugeben.
Sie nahm noch einige Schlucke, ehe sie sich zwang, sich von ihm zu reißen und einige Male zu schlucken. Orion zog seinen Arm zurück, als Sezuna diesen losließ und sah auf die zwei Punkte aus denen dünne rote Blutstropfen flossen. Kurzerhand griff er nach einem Taschentuch, um es sich auf die Wunden zu drück, die sich allerdings jetzt schon verflüchtigten.
Nun sah er wieder zu Sezuna, die sich mehrmals über die Lippen leckte.
„Besser?“, fragte er, als er merkte, dass sie sich schon wieder aufrichtete.
Ihre Augen schienen von einer Intensität zu leuchten, während sie Orion anstarrte.
Dann blinzelte sie und ein Lächeln zierte ihre Lippen, das ein wenig verspielter war, als er es sonst bei ihr gesehen hatte.
„Viel besser. Das war wirklich lecker. Vielen Dank“, sagte sie mit einer schnurrenden Stimme.
Ein wenig überrascht, über die plötzliche Änderung ihrer Stimmung sah er sie einige Sekunden an, bis er den Blick nochmal auf seinen Arm richtete und das Taschentuch lüftete. Die Einstiche waren jetzt schon verschwunden, als hätten sie nie existiert.
„Jedenfalls hoffe ich, dass du es mir nicht übel nimmst wegen dem, was ich gesagt hab. Ich habe oft das Problem... Dinge zu sagen, bevor ich überhaupt nachdenke“, erklärte er erneut, da er sich nach wie vor schlecht fühlte.
Sezuna lehnte sich zufrieden ein wenig zurück und ließ das Blut wirken.
„Es gibt viele Leute, die erst reden und dann denken“, erklärte sie, als wäre das nichts Unnormales. „Nur haben die meisten Leute wohl öfter mit anderen zu tun. Du wirkst mir ehrlich gesagt nicht, wie ein Typ, der viel Umgang mit normalen Leuten hat“, erklärte sie. Sie selbst hatte sich am Anfang ihrer Schulzeit auch erst an den Umgang mit anderen gewöhnen müssen.
Orion musste lächeln, da sie mit ihren Worten gar nicht mal so falsch lag.
„Ich würde eher sagen, dass ich vorher nur mit Leuten zu tun hatte, die mir sowieso bei allem zustimmten. In der Zeit wo ich zur Schule ging, wussten alle, dass ich irgendwann dem Hohen Rat angehören würde, also... machten sie auch kein Geheimnis draus sich bei mir einzuschleimen“, erklärte Orion, wobei er hoffte, dass das nicht zu eingebildet klang.
„Ja, so ein paar Leute haben wir auch gehabt. Nur, dass sie immer extrem eingebildet waren. Dich kann ich mir übrigens nicht eingebildet vorstellen“, hier lachte Sezuna kurz. „Ich begegnete erst vor kurzem einen dieser eingebildeten Fatzkes. Man war der überrascht, als es hieß, dass ich, die Verrückte aus der Schule, die Expedition leiten würde.“
Unweigerlich musste Orion bei dem Gedanken Sezuna würde einem ihrer ehemaligen Mitschüler zurechtweisen, kurz auflachen.
„Du bist doch nicht verrückt“, murmelte er und senkte den Kopf ein wenig, um auf seine Hände zu sehen.
Es war merkwürdig wie viel ihm doch ihre Meinung über ihn bedeutete, auch wenn er versuchte, dass nicht offen zu zeigen. Doch er war noch nie sonderlich gut darin, etwas vor jemandem zu verstecken, der ihm nicht egal war.
„Meine Eltern hielten mich für verrückt. Die meisten Schüler hielten mich für verrückt. Viele Lehrer übrigens auch und ich mich zwischenzeitlich auch“, erklärte sie, als würde es ihr nicht viel bedeuten, doch selbst er konnte den kurzen Schmerz in ihren Augen sehen. „Immerhin sehe ich Dinge, die nicht da sind und glaube mir, bisher habe ich meine Fähigkeiten nie aktiv genutzt, nur passiv. Es gibt schon einen Grund, warum mich alle für durchgeknallt halten.“
Orions Gesichtszüge wurden, bei den Erzählungen der Vampirin weicher.
Auch wenn er nicht wirklich wusste, was sie erlebt hatte oder wovon sie sprach, schien sie nicht wie jemand der sich sowas einbildete.
„Ich halte dich nicht für verrückt. Du hast schließlich eine sehr mächtige Gabe. Das sollte man nicht unterschätzen. Im Grunde ist es ja auch unwichtig, was die anderen über dich sagen, solang du selbst von dir überzeugt bist“, gab Orion zu bedenken, auch wenn er nicht selbst seinem Beispiel folgte.
„Das dachte ich auch lange“, erklärte sie und lächelte dann. „Aber es ist immer gut, wenn es auch andere gibt, die an dich glauben. Das macht es einfacher deinen Dämonen die Stirn zu bieten“, erklärte sie und schien seltsam zufrieden.
„Wie war es denn so, als Kind aufzuwachsen, an das man so hohe Anforderungen stellte?“, fragte sie, einfach um das Gespräch am Laufen zu halten. Es war irgendwie angenehm mit ihm zu plaudern.
Er senkte bei ihrer Frage wieder den Blick und rang ungeduldig mit seinen Händen.
„Anstrengend“, seufzte er und erinnerte sich noch daran, wie froh er war, als er seine ersten Aufträge alleine durchführen durfte. Keine Leute, die ihn überwachten, oder ihm sagten was er denn alles falsch machte und das er nie als Teil des Hohen Rates durchkommen würde. „Jeder versucht aus dir jemanden zu machen, der du gar nicht bist und im Endeffekt, weil du nichts anderes kennst, denkst du auch du wärst diese Person“, hier lächelte er kurz und sah Sezuna an. „Wir sind uns sowohl gar nicht so unähnlich. Wir beide glauben, dass zu sein was die anderen in uns sehen... sehen wollen“
Sezuna runzelte die Stirn. „Bei mir war es eher durch mein Elternhaus bedingt, aber der Rat hatte nie etwas damit zu tun. Soweit ich weiß fördert er sogar die Individualität seiner Leute. Es gibt bei uns kein richtig, oder falsch. Das Ergebnis zählt. Der Weg dorthin ist meist unwichtig, solange man bestimmte Regeln beachtet, die allerdings allgemeingültig sind“, erklärte sie langsam. „Darum ist der Rat bei uns auch eine Art Sammelsurium an Charakteren und Talenten. Man wird da normalerweise nicht reingeboren“, erklärte sie und dachte angestrengt nach.
Konnte sie sich vorstellen schon von vornherein dafür ausgebildet zu werden, irgendwann einmal im Rat zu dienen. Wohl eher nicht.
„Ich meinte nur- ach nicht so wichtig“, verwarf Orion das Thema und schüttelte den Kopf.
Mit einem Seufzen stand er auf und ging zur Küche hinüber, um sich etwas zu trinken zu holen. „Hast du Durst?“, fragte er an Sezuna gewandt und drehte sich kurz zu ihr um.
„Hast du Tee da?“, fragte sie und erhob sich nun aus. Dass er einen Wasserkocher hatte, wusste sie. Die Frage war nur, ob auch Tee vorhanden war.