Sie trafen sich am See im Kölner Stadtwald hinter dem Leonardo Hotel an einer Parkbank. Sie hatte ihr Fahrrad an der Ecke der Parkterrasse vom Hotel abgestellt und ging ihm mit 4 Bierflaschen in der Hand und ihrer Handtasche über der Schulter entgegen. Mit den langen dunklen Haaren, die sie zwei Stunden zuvor noch in Form gebracht hatte und der Sonnenbrille auf der Nase, hatte sie sich in ihr bestes schwarzes Kleid gezwängt. Dazu trug sie ihre neuen schwarzen Schuhe mit dem kurzen Absätzen. Sie hatte sich minutenlang vor ihrem Zimmerspiegel gedreht um zu schauen und war leidlich zufrieden. Ihre schmale Körperform in dem schwarzen Kleid, das ihr gerade so ein bisschen über die Knie ragte erweckte Aufsehen auf der Hotelterrasse, was aber sogleich etwas erstarb als sie die Bierflaschen schwenkte und auf den Mann auf der Parkbank zu ging.
Er kam ihr etwas entgegen mit seinen nackten Füßen in Schlappen, einem farblich undefinierbaren Schlabbershorts und einem roten T-shirt. Ein ungleiches Paar, besser gings nicht.
Er nahm sie kurz in den Arm und küsste sie leicht auf die Wange. Dann nahm er ihr zwei Flaschen ab und sie setzten sich auf die Bank. Sie öffneten die Biere und prosteten sich zu. Dann drehte sie sich nach rechts in seine Richtung, schlug die Beine übereinander und streifte einen Schuh ab. Plötzlich zog sie beide Schuhe aus und setzte ihre Füße barfuß auf den Sandweg. Ihre Schuhe hatten Sie auf dem Weg mit dem Fahrrad schon ordentlich gequält und es war eine Wohltat die feuchte Erde zu spüren. Sie fragte sich allerdings, als sie ihn so ansah, warum sie 2 stunden ihrer kostbaren Zeit verschwendet hatte um sich in Schale zu werfen, wo er doch so nachlässig angezogen war.
Dies war also das dritte Date und die beide anderen konnte sie noch sehr gut rekapitulieren. Kennengelernt hatten sie sich beim Speed Dating in einer Kneipe in der Innenstadt. Ihr war sein markantes Gesicht und die tiefe sonore Stimme, die etwas in ihrem inneren zum Klingen brachte. Auch der erste emotionale Eindruck versprach vielversprechend zu werden. Beim nächsten Mal trafen sie sich bei einem Kaffee und sprachen über Gott und die Welt ohne an die Zeit zu denken. Als dann der Laden schloss, hatten sie sechs Stunden miteinander verbracht ohne das ihr langweilig geworden war .
Es war erst das erste Mal, das ein Mann so Interessant und fesselnd für sie war. Dabei war sie mit ihren fast 30 Jahren schon an so einigen Freundschaften gescheitert, deren intellektuellen Ansprüche an sie eher einem Kindergarten gleich kam, maximal der Hauptschule. Wann traf sie endlich mal erwachsene Männer, und nicht immer welche mit einer sollbruchstelle und Kleinkindgehabe.
Wie hatte Audrey Hepburn einmal gesagt: „ Ich habe den Eindruck, dass Männer und Frauen doch nicht zusammen passen. Vielleicht sollten sie nur Nachbarn sein und sich ab und zu einmal Besuchen“.
Dies Exemplar der männlichen Gattung hatte scheinbar etwas Besonderes an sich. Aber heute war sein Outfit echt daneben dachte sie bei sich. Doch mit zunehmenden Biergenuss und erzählen wurde auch ihre Stimmung etwas lockerer und sie begann es zu Genießen. Sie begannen wieder zu diskutieren, angefangen von den Vorfällen an Silvester auf der Domplatte, über den Papst, die Asylpolitik und vieles mehr. Ein sehr buntes Spektrum das ihren Intellekt forderte.
Sie entspannte sich zusehends in seiner Nähe und die Themen nicht nur oberflächlich kurz und knackig sondern auch schlüpfrig und geheimnisvoll. Ihr fiel noch nicht einmal mehr auf, das er zwei paar unterschiedliche Sandalen an den Füßen hatte, so fasziniert war sei von seiner Stimme und den vielen Tattoo an seinen Armen und Beinen. Sie wollte ihn unbedingt danach fragen was sie auf sich hatten.
Sie waren gerade beim Thema Arbeit angelangt und er erzählte ihr, das er in einer Werbeagentur arbeitete, wo er Plakate entwarf für Dinge, die er selbst nicht mochte.
Im Gegenzug erzählte sie ihm von ihrer Arbeit kaufmänische Angestellte bei einem Kaufhaus das auf Übergrößen für Frauen spezialisiert war. Dazu gehörte auch noch ein kleiner Versandhandel. Beide stellten sie fest, dass sie in Berufen feststeckten, die sie nicht ausfüllten und nur getan mussten um ihren Geldbeutel etwas gefüllter aussehen zu lassen.
Als sie fortfuhren und sich ihre Themen um persönliche Dinge wie Geschwister, Familie, Eltern anfingen zu drehe wurde er immer einsilbiger und fing an aufs Wasser des Sees zu starren. Mann hate den Eindruck, er wollte den Fischen beim Schwimmen zu sehen. Sie bemerkte, dass sie einen sensiblen Bereich angetickt hatte und schwenkte kurzerhand auf etwas unverfängliches über. Sie sprach vom letzten CSD in Köln, bei dem sie auch mit gelaufen war.
Er saß nur da und schaute ins Wasser. Dann packte er eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug aus und zündete sich eine an. Das war ihr bei den letzten Dates nicht aufgefallen und törnte sie jetzt so richtig ab. Küssen war ab jetzt nicht mehr drin, dachte sie.
Aufgefallen war es ihr vielleicht deshalb auch nicht, weil die beide anderen Dates drin stattfanden, wo nicht geraucht werden durfte. Sie stand abrupt auf und fragte sih ob sie gehen sollte. Dazu kam noch, das die Bank auf Dauer doch etwas zu hart war. Ihr fehlte plötzlich ein wenig ihre Unbefangenheit in seiner Gegenwart.
Plötzlich fing er an, ganz leise, langsam und zaghaft über sich zu erzählen.
Soweit ich weiß, haben meine Eltern mich mit zwei Jahren zur Adoption frei gegeben. Ich wuchs bei verschiedenen Familien auf, weil ich ein schwieriges Kind war. Erst mit zwanzig habe ich so langsam kapiert wie einzigartig ich bin auf dieser Welt, wie jeder Mensch. Und das ich meinen eigenen Weg finden muss ohne andere zu verletzen. Alle haben mir von frühester Jugend an erzählt, mach dies, lass das und solche sachen die einen pessimistisch machen. Niemand fragte mich was ich brauche oder wollte. Ich habe nicht versucht meine Eltern zu finden und möchte auch nicht wissen, was sie dazu bewogen hat, mich wegzugeben. Damit endete er und starrte wieder versunken aufs Wasser.
Erstaunt über diese intime Beichte setzte sie sich wieder auf die Bank und dachte über das gehörte nach mit offenem Mund. Ohne Worte.