Als Constantine vor dem Restaurant wartete, verspürte er ein leises Kribbeln in den Fingerspitzen. Aufregung? Das war eigentlich lächerlich, da er sein ganzes bisheriges Leben ohne diese Art Gefühl ausgekommen war. Was genauso seltsam war, wenn als Leibeigener einer Vampirin endete.
Den Kopf schüttelte er, um Lady Jacinda aus seinem Gedächtnis zu vertreiben. Für sie war an diesem Abend ebenso wenig Platz wie für die unausweichliche Wahrheit, die er noch eine Weile vor sich herschob. Auf einen passenden Moment wartete ...
»Wann sagt man einem Menschen, dass man ein Leichenfledderer ist?«, raunte er mit Blick in den mit Sternen übersäten Himmel. Eine Antwort blieben sie ihm schuldig, da ihn Schritte ablenkten und er Marc mit beschwingtem Gang auf sich zukommen sah. Den Kellner derart guter Laune zu wissen, stimmte auch ihn zuversichtlich. Die Chancen standen besser, dass ihr Zusammensein nicht in einer Katastrophe endete.
Marc grinste.
»Hi, können wir?«
Constantine holte tief Luft, ehe er antwortete. Er war definitiv aufgeregt.
»Ja, natürlich.«
»Gut«, entgegnete Marc mit einem Lächeln, »wenn wir hier Wurzeln schlagen, bekommen wir einen Vorgeschmack auf Sturm Meghan und glaub mir, du willst ihre Wut nicht am eigenen Leib spüren.«
Er würde es vorziehen, wenn die Kellnerin erst gar nicht zornig auf einen von ihnen beiden war. Sein Blick wanderte hinauf zur Restauranttür, wo er sie mit vor der Brust verschränkten Armen stehen sah.
»Ich sollte mich für mein Verhalten ihr gegenüber entschuldigen.«
Vorhin hatte er spaßen können, aber sein schlechtes Gewissen meldete sich. Er hatte ja gewusst, dass er mit Meghan nur ein Spielchen spielte. Über ihre offensichtlichen Gefühle hinweggeblickt, was ihm jetzt teuer zu stehen kommen sollte.
»Wenn du ihr das Herz aus der Brust reißen willst, tu dir keinen Zwang an«, meinte Marc leichthin, die Hände in den Taschen seines Mantels vergraben, wo Constantine hören konnte, wie er eben diese zu Fäusten ballte. Selbst bei einem so untoten Ghul wie ihn schrillten Alarmglocken.
Er wandte sich dem jungen Mann vollends zu, ohne sich noch einmal zum Restaurant umzudrehen. Sein schlechtes Gewissen packte er in die hintersten Winkel seines Innerstes. Es kam später bestimmt noch einiges hinzu, dass er bereute.
»Tut mir leid, ich bin ... wie ich bereits sagte, bin ich nicht besonders gut darin ...«
Was wollte er eigentlich ausdrücken?
»Das bin ich auch nicht, aber ich weiß, was ich will. Bist du dir darüber im Klaren?«
So wichtig war ihm eine Entschuldigung bei Meghan nun auch wieder nicht. Langsam und bedächtig nickte er.
»Steht direkt vor mir.«
»Gut, dann solltest du mich besser nicht aus den Augen verlieren.«
Marc drehte sich um und ging voran. Dabei gewährte er ihm einen ausgiebigen Blick auf seine Kehrseite, die in diesen Jeans verflucht gut aussah.
An dieses Flirten könnte ich mich gewöhnen, dachte sich Constantine, als er seinem Kellner durch die nächtliche Stadt folgte. Sie wechselten auf dem Weg kein Wort miteinander. Hin und wieder sah Marc ihn über die Schulter hinweg an, wohl, um festzustellen, dass er ihm noch hinterherging.
Mit jedem Schritt nahm jedoch seine Nervosität zu, was sich hinter verschlossenen Türen abspielen würde. Wie weit konnte er und und wie weit durfte er bei einem Menschen gehen, ehe seine Natur ihn überwältigte?
Ein Teil von ihm wollte das wissen, während sich der andere davor fürchtete. Er hielt Abstand, als sie das Wohngebiet betraten, wo Marc mit seiner Großmutter zusammen in einem Haus lebte. Seine Nase nahm keinen sonderbaren Geruch wahr, den ihm Sion prophezeit hatte. Lediglich eine Vielzahl von Gewürzdüften drang unter der Haustür zu ihm hervor.
»Letzte Chance, Constantine«, verkündete Marc leise, ehe sich der Kellner in die Jackentasche griff, in der die Schlüssel klirrten, »wenn du gehen möchtest, musst du das jetzt sagen.«
Einen Moment lang lauschte er Marcs schnellen Herzschlag und wünschte sich, dass sein eigener dem nacheifern könnte. Doch in seiner Brust gab es nichts, was einem wilden Stakkato glich. Dort herrschte nur Stille, die er mit seinem Kellner nicht teilen konnte.
»Ich bleibe.«
Mit Argusaugen beobachtete er, wie Marc die Schultern entspannte und die Tür aufschloss.