Das Zottelwesen schätzte sich sehr glücklich, seiner mordenden, plündernden Verwandtschaft entkommen zu sein. Wenn du nur ein Jahr zu leben hast, weil du entweder von deiner eigenen Königin gegessen, von deinen Brüdern getötet oder aber im Kampf mit anderen Wesen vernichtet wirst, dann ist es schon ein großer Erfolg, dieses Jahr überlebt zu haben. Wenn du dann auch noch eine schöne neue Umgebung findest, in der du allerhand Neues entdecken kannst - auch wenn du nicht alles aufessen darfst - dann bist du erstmal zufrieden, einfach nur zu sein.
So erging es dem Zottelwesen. Als allererstes suchte es sich eine geeignete Badestelle. Dazu fand es eine geschützte Stelle zwischen Felsen, wo es sich mit seinen Krallen bewährten Pranken ein Loch ins Eis grub und den Schnee mit der Wärme seines Pelzes auftaute. So hatte es eine Freiluftbadewanne erfunden. Da er ständig allerhand aufsammelte, was er auf seinen Streifzügen entdeckte, hatte er auch zwei Arm voll Tannen- und Kieferzapfen bzw Äste dabei, die er sich als Vorrat neben sein Badeloch legen wollte. Beim Versuch, dort hinein zu klettern rutschten sie allerdings ins Wasser. Obwohl das Zottelwesen sofort nach ihnen langte, war es zu spät. Schicksalsergeben kletterte er hinterher, und während er mit der einen Hand versuchte, seinen Pelz zu schrubben, angelte er mit der anderen nach den verlorenen Vorräten. Manche wurde unter seinem Gewicht zerquetscht, andere konnte er noch retten und aufessen. Beim Plantschen bemerkte er einen zunehmenden Duft, derb-harzig, sehr anregend für jemanden, der bislang kaum was anderes riechen konnte, als stinkigen Urin und Kot, da sich alle in seiner Umgebung darin gewälzt hatten. Gut für die Gesundheit, hatte er geheißen. Zurecht - denn was gut roch, drohte von der Qeen aufgefressen zu werden. Also den Effekt, den das Zottelwesen nun erlebte, können sich am besten starke Raucher vorstellen, die lange genug vom Qualmen gelassen haben und dann in eine auf Nadelwald spezalisierte Parfumerie stolpern.
"Hm, lecker!" Diesen Ausruf hörte man nicht zum ersten Mal und sicher am häufigsten von dem Zottel. Über den unerwarteten Geruch vergaß er die Zeit und versuchte erst, aus seiner Eis-Badewanne zu klettern, als sich das Wasser in sein Fell gesogen und er fast ausgekühlt war. "Aouuuufff!" Empört-überrascht bemerkte er, dass sein Fell an einigen Stellen festgefroren war. Außerdem hatte das Wasser zu stinken begonnen, da sich sämtliche undefinierbaren dunkelbraunen Klumpen, die in seinem Fell gewesen waren aufgelöst hatten und mittlerweile den herrlichen Waldduft übertünchten.
Der Zottel versuchte, sich loszureißen, was ihn einige Büschel seines langen Fells kostete und eine Handteller große kahle Stelle hinterließ. "Waoaooo!" Nun war er richtig wütend und begann, auf das Eis einzudreschen. So, wie es seine Art eben macht. Zwar hatte er eine Menge Körperwärme eingebüßt, aber nicht seine Kraft - und so flogen ihm ettliche Eisbrocken um die Ohren.
Das machte ihn noch wütender und so schlug er weiter seinen Schlachtruf brüllend auf das Eis ein. Noch mehr Eisbrocken flogen ihm um die Ohren und verfingen sich in seinem wassertriefenden Fell. Zwar gelang es ihm so, sich an einigen Stellen zu befreien. Doch noch immer konnte er nicht aus seiner selbst gebauten Wanne klettern, da er an anderen Stellen festvereist war.
Da ließ er sich wieder in Sitzposition fallen, und er stimmte einen anderen Gesang an. So laut, das er weit über die Berge zu hören war und manch einem, der sie hörte, das Nackenfell sträubte: "Woooaaoooaaaoooaaooouuu-uuuaoooaaaa-ääh!" Seine Stimme war derart laut, dass sich vom Echo am Berghang gegenüber ein Schneebrocken löste und zu Tal donnerte. Schnell kam er in Fahrt und riss eine Menge Geröll mit sich. Die Lawine sauste direkt auf den fest gefrorenen Zottel zu.
Da saß er nun und staunte offenen Maules. Sein Schlachtruf war ihm im Hals stecken geblieben und außer dem Donnern der Schnee- und Felsmassen war nichts mehr zu hören.