Wütend stürmte Nadja durch die große Empfangshalle der weit größten Baufirma im ganzen Staat. Das Schreiben in ihrer Hand glich mittlerweile eher einem Papierball als einem Beschluss darüber, dass ihr Grundstück aufgekauft werden sollte um einen neuen Damm zu bauen. Der Fluss, der dabei über ihr kleines Stückchen Land floss würde dabei zum Versiegen gebracht. Einfach so. Mehr stand in den Schriftstück nicht. Bis auf die riesige Summe, bei dem wohl jeder andere gleich zugeschlagen hätte und ein paar Zugeständnissen, doch Nadja war der Fluss heilig. Sie brauchte ihn zum Leben und das Wort wörtlich.
Das Gebäude der Firma reichte über drei Stockwerke. Um die Empfangskraft in der Halle abzuschütteln hatte sie die Treppe genommen und den Aufzug keines Blickes gewürdigt. Das laute Klacken ihrer Absätze brachte in ihren Augen ihre Wut sowieso besser zum Ausdruck. Schade, dass sie diesem Geschäftsführer nicht einfach bei Nacht in einer dunklen Gasse begegnet war, dabei hätte ihr hohes Schuhwerk garantiert noch besser Geltung gefunden.
Im obersten Stockwerk angekommen begrüßte sie ein weiterer weitläufiger Flur mit massenhaft Glaswänden. Anscheinend gab es hier oben nur drei Besprechungsräume und ein Büro und genau in diesem saß der Mann, der es gewagt hatte ihr dieses unverschämte Schreiben zu schicken. Verwirrt sie hier oben zu sehen kniff er leicht die Augen zusammen. Es ließ seine kantigen Gesichtszüge noch besser hervorkommen. Alles an ihm schrie eher nach Raubtier als nach Geschäftsführer. Obwohl das eine das andere nicht automatisch ausschloss, doch sie war schon so vielen Leuten aus höheren Geschäftsetagen begegnet, dass sie wohl automatisch auch ihn in so eine Schublade gesteckt hatte. Dichtes kurzes Haar, welches leicht Abstand, als ob er gerade noch hindurch gefahren wäre, lud förmlich dazu ein einmal hinein zu greifen. Das helle Braun schimmerte leicht im Sonnenlicht. Die dunklen Augen zeugten von Intelligenz und die sonst wohl vollen Lippen waren zu einem schmalen Strich verzogen als sie vor ihm stehen blieb um ihm den Papierball ins Gesicht warf. Mit einem leisen knisternden Geräusch landete der kleine Ball auf dem Schreibtisch.
„Ich nehme an, Sie sind die Frau, die an unserem Empfang für Aufruhr gesorgt hat? Wie war Ihr Name noch gleich?“
Eine dunkle rauchige Stimme. Trotz ihrer Wut brauchte Nadja einen kleinen Moment um ihn noch einmal genau anzusehen. Wieso sah er aus wie ein Sportler? Dennoch brachte die arrogante Art, wie er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und die Arme vor der Brust verschränkte sie wieder auf Hochtouren.
„Wie kommen Sie dazu mir ein so dreistes Angebot zu unterbreiten! Ihr Schreiben gleicht mehr einem Zwang als einem anständigen Vorschlag!“
„Sie sind also Nadja Morales. Schön, Sie persönlich kennen zu lernen. Setzen Sie sich doch.“
Mit einer kleinen Geste deutete er auf die drei Besucherstühle vor seinem Schreibtisch. Diese wirkten eher wie kleine Ledersessel. Der Schreibtisch war gut drei Meter lang und ebenfalls aus Glas. Alles in diesem Büro schrie praktisch nach Luxus.
„Das wird nicht nötig sein. Der Bau des Dammes ist ein Irrwitz!“
Schnaubend sah er sie an. Devon Vario schien nicht gerade begeistert über ihre Anwesenheit.
„Der Bau des Dammes bedarf nur noch ein paar weniger Formalitäten. Sobald die Genehmigung der Stadt vorliegt können wir theoretisch beginnen.“
„Praktisch jedoch bedarf es ein klein weniger mehr. Habe ich recht?“
Auch wenn sie nicht so aussah hatte Nadja Jahre lang Jura studiert. Insbesondere zum Umweltschutz und sie gehörte mit zu den Besten auf diesem Gebiet. Ihr langes schwarzes Haar war zu einem ordentlichen Knoten gebunden und ihre grünen Augen waren von langen Wimpern eingerahmt. Auch ohne Make-up war ihre Haut tadellos. So etwas wie Schminke war ein Fremdwort.
„Ihnen ist klar, dass mein Grundstück zum Naturschutzgebiet ernannt wurde? Vor zwei Jahren hat man herausgefunden, dass ein paar der Tiere dort unter Artenschutz stehen. Wenn Sie nun den Fluss zum Versiegen bringen, bringt es deren Lebensraum in Gefahr.“
„Deswegen haben wir Ihnen dieses großzügige Angebot unterbreitet, Morales. Die Tiere und Pflanzen werden umgesiedelt, natürlich soweit sie wirklich unter Schutz stehen.“
Wütend ballte sie die Hände zu Fäusten. Die angebotene Summe war tatsächlich sehr hoch. Aber Geld bedeutete ihr nichts.
„Nein! Bauen Sie Ihren Damm wo anders, Vario. Mein Grundstück bekommen Sie nicht und ich werde auch sonst alles Mögliche tun, um Ihr Vorhaben zu verhindern.“
Es war eindeutig eine Pattsituation. Als Nadja herkam hatte sie mit einem älteren Mann gerechnet. Einem, der hochnäsig auf sie und ihr Grundstück herab sah. Stattdessen sah Vario mit einem Blick zu ihr, der von Abschätzung zeugte. Sein Blick schien alles an ihr aufzunehmen. Instinktiv spürte sie, dass gerade irgendein Plan in seinem attraktiven Kopf zusammen gesetzt wurde.
„Warum sind Sie so gegen unser Bauvorhaben, Morales? Unser Angebot ist mehr als Sie erwarten können und wir würden sogar die Umsiedlung der Lebewesen dort vornehmen. Was also stört Sie so daran?“
„Sie mögen zwar viele Dinge besitzen, Vario, doch den Fluss nicht. Der Fluss ist nicht ihr Eigentum!“
Mit einem breiten Grinsen nickte er ihr zu. „Das werden wir ja sehen. Ich brauchte den Fluss selbst gar nicht, nur seine Quelle.“