Als Reaktion auf den liebevoll geschriebenen Text meiner Freundin, möchte ich dieses Thema anschneiden und einen Einblick in zwei weitere Lebensbereiche geben. Herzlich Willkommen also zu: Frühlingsgefühle im Fitnesscenter und auf der Uni.
Nun, dieses Jahr gehe ich aus Gründen der dauerhaften Schniefnasigkeit und einem Virus, der sich Faulenzeritis extremus nennt, eher seltener ins Fitnesscenter.
Während ich im Winter allein deshalb dorthin gehe, weil es dort grundsätzlich wärmer ist als in dem Eispalast, der sich mein Zimmer nennt - ehrlich, ich könnte die Wände rot und gelb streichen und es würde dennoch alles eisblau schimmern - überlege ich mir das zu drei Phasen des neuen Jahres noch mal genauer.
Zu Jahresbeginn, also noch im Winter, haben wir - Überraschung - Neujahresvorsätze! Da kommen die Leute grundsätzlich auf die tolle Idee, sie müssten ihr Leben im neuen Jahr ändern. Stichtag 1.1. (bitte Jahreszahl einfügen). Warum gerade dieser Tag immer dafür ausgewählt wird und nicht ein anderer x-beliebiger Tag von den 365, alle vier Jahre auch 366, Tagen, die ein Jahr hat, sei auf das knallige Etwas zurückzuführen, das wir in der Nacht vom 31.12. auf den 1.1. vollziehen. (Als Althistoriker sei hierzu von mir angemerkt: Warum zur Hölle feiern wir das neue Jahr im Winter und nicht dann, wenn der neue Zyklus der Jahreszeiten beginnt?!) Das Jahr hätte schließlich 356-6 Tage, unterteilt in 52 Wochen und 12 Monate mit 28, 29, 30 oder 31 Tagen und JEDER Monat hat einen ERSTEN Tag. Dennoch neigen wir Menschen dazu, genau diesen einen als Stichtag unserer neuen Lebenseinstellung zu wählen und viele, wirklich viele, kommen an dem Tag drauf: Ich bin nicht sportlich genug, ich muss was tun.
Als mittlerweile langjähriger Fitnesscenter-Geher verfluche ich diese erste Phase. Der sonst angenehm leere Raum - vor Weihnachten fressen alle, da will keiner Sport machen und seltsamerweise ist die Figur auch egal - wird plötzlich überrannt von übermotivierten, aufgesetzt freundlichen, aber absolut hoffnungslosen Fällen von Möchtegern-Supersportlern.
Diese erste Phase läuft im Februar aus.
Die zweite Welle beginnt im März/April mit den verlockenden Angeboten zur schnellen Sommerfigur. Überall sieht man dümmlich grinsende, 100% gephotoshopte Modells auf Postern und Flyern und liest so tolle Sachen wie "Trink diesen Tee, er half mir abzunehmen, du kannst es auch" oder ähnlichen Blödsinn. Wieder wird das Fitnesscenter überrannt. Diesmal von vorwiegend jungen Menschen.
Mädchen, die in Grüppchen herumkichern und mehr plappern als machen und meine Nerven strapazieren, wenn sie stundenlang meine Geräte besetzen. Außerdem können sie nicht mit den Gepflogenheiten umgehen, die in einem Fitnesscenter herrschen. Man ist grundsätzlich per Du und man grüßt sich. Begeht man den Fehler und redet sie an, obwohl man ja nicht die BFF ist, sehen sie einen an wie einen dreiäugigen Alien. Mein Dad meint dann stets zu mir, er hätte gerne ein Shirt, wo draufsteht "Ich will nichts von dir, ich bin nur freundlich!"
Gut, er ist ein Mann. Männer sind potentiell bösartige Wesen, wenn sie junge Mädchen grüßen. Zumindest in dieser Welt, in diesem Raum, wo es nach ungewaschenen Socken und schlechten Deos riecht.
Ein kleiner Fun-Fact, der mir immer auffällt und dessen Sinnhaftigkeit mir noch immer verschlossen blieb: Viele Mädchen (und Frauen) schminken sich VOR dem Training. Meistens sind es genau die, die dann irgendwelche Kurse besuchen, wo ihnen der Schweiß so runterrinnt, dass sie aussehen wie Pandas oder Clowns. Vielleicht hat irgendwer von euch eine göttliche Eingebung und kann mich aufklären, warum das so ist.
Neben den wandelnden, sinnlosen Kichererbsen, die sich bei einer 2-kg-Hantel anstellen, als wäre es eine Tonne, gibt es auch die männliche Variante.
Die kann man in zwei Kategorien einteilen: Es gibt einerseits die laufenden Handtücher mit Zahnstocherbeinchen, wo man nicht weiß, was die tun, aber sie sehen nachher genauso aus wie vorher. Sie sind umgänglich. Sie kuschen, wenn sie sehen, dass du mehr Ahnung hast und sie sehen mich an wie einen Autobus, wenn ich mit den "Älteren" (Altersgruppe meines Vaters, also ab 40 alles) rede.
Andererseits gibt es die "schnell zu Traumbody"-Typen, die du einmal siehst und beim nächsten Mal sind sie ein wandelndes Muskelpacket, aber so, wie sie trainieren (ein Anblick, der selbst Laien wehtut), weißt du: Das kam nicht allein von der Natur, sondern von so netten künstlichen Stoffen, mit denen sie sich abfüllen.
Die Phase der ersten Sommerbody-Abnehmer läuft irgendwann im Mai aus...
Und macht Welle Nummer drei Platz. Seltsamerweise tritt die erst ein, wenn der Sommer schon da ist. Ich denke mir immer, dass darunter alle diejenigen Fallen, die bei den ersten zwei Phasen noch im Winterschlaf feststeckten und deren Gehirne - wenn vorhanden - jetzt erst bemerkten: Uh, es ist warm, es ist Sommer, ich brauche jetzt sofort einen Dreambody!
Im Grunde selbes Spiel wie oben, allerdings werden die Geräte, trotz mehrfacher verzweifelter Versuche der Trainer, die nur helfen wollen, noch falscher gehandhabt und wenn ich zusehe, brauch ich nichts mehr tun. Der Schmerz kommt ganz von allein. Im Kopf. Die Schreie meines Verstandes, der mich warnt, das meine Augen bluten werden, wenn ich noch länger zusehe, wie andere Leute sich sämtliche Muskeln zerren und die Bandscheiben misshandeln.
Während mein Leben im Fitnesscenter in den Wintermonaten also durchaus behaglich ist, fahren wir im Sommer in Richtung Fitnesscenter, um bei McDrive einzukehren und dem Wahnsinn zu entkommen.
Auf der Uni sieht das Ganze so aus: Februar konnte man sich erholen. Neue Kurse stehen im Stundenplan, neue Herausforderungen, man ist absolut motviert.
Bis man draufkommt: Hey, es ist deine Uni. Die Professoren sind noch immer dieselben, der Drucker redet nach wie vor nicht mit dir und die Themen in den Kursen ähneln sich jedes Semester wie ein Ei dem anderen. Außerdem hasst du Referate vorbereiten und Arbeiten schreiben und du würdest lieber 1000 andere Dinge tun als das, die du im Februar nicht gemacht hast, als du Zeit hattest! Damals wolltest du sie ja auch gar nicht tun. Aber jetzt.
Wenn man mein Talent hat, bekommt man immer Referatsthemen, die niemand außer dir jemals im Leben machen würde, weil jeder außer dir weiß, dass sie bescheuert sind. Ich wurde heute von meinem Professor aufgeheitert mit den Worten: "Ja, Frau Heap, bei Ihren Giebeln ist ja nicht viel über. Nur Fragmente, die in der Literatur kaum erwähnt werden." Wie schön, dass mein Referatsthema heißt "Die Darstellungen auf dem Giebel eines einzigen, speziellen Apollon-Tempels" mit dem Kleingedruckten, das man erst rausfindet, wenn es schon zu spät ist, "dieser Tempel ist so besonders, du wirst zu ALLEN Bauten des Heiligtums von Apollon tonnenweise Literatur finden, außer zu seinem Tempel".
Bei einem solchen Thema hilft es eigentlich nur mehr, wenn man den Büchern Namen gibt, damit man irgendwen beleidigen kann, der es einem nicht allzu übel nimmt. Oder man legt sich mit dem Drucker/Kopierer/Scanner an.
Wir haben seit letztem Halbjahr ein neues Modell. Es funktioniert ziemlich gut, fiept ständig rum und schreibt seit zwei Wochen "Alttoner fast leer, aber bitte noch nicht tauschen!" im Display. Bisher gab es aber noch keine Beschwerden von Seiten der Nutzer oder des Gerätes.
Das Vorgängermodell war da anders... und ich vermisse es, denn es hatte Persönlichkeit. Eine launische Persönlichkeit, deren schlimmste Seite im Sommersemester auftrat. Hier ein paar Ausschnitte von wahren Erlebnissen:
1. Das Gerät war eigensinnig. Du kannst die Druckerkarte an der Wand reiben, abschlecken, im Klo baden, neu bestellen, verkehrt und richtig reinschieben, wenn es keine Lust hat, wird es die Karte auch hundertmal ausspucken und dich anpiepen, weil du sie nicht schnell genug entfernst.
2. Das Gerät will Aufmerksamkeit um jeden Preis. Fingierte Papierstaus standen an der Tagesordnung als ich zum ersten Mal in der Bibliothek mitarbeitete. Oft zog mich das Fluchen der Studenten zum Kopierer, nur um zu sehen, dass er mal wieder Stau hat und Probleme mit dem Papier. Unser Gerät steht in einer Nische mitten im Raum (sieht so lächerlich aus, wie es klingt), damit man ungestört dort ist. Leider hat der Architekt in seiner Bedachtheit, links und rechts Ablageflächen für Papier anzubringen, vergessen, dass man ab und an die Klappen an der Seite öffnen muss, um eingeklemmtes Papier vom Selbstmord aufzuhalten. Der Eingang der Nische ist grad mal so groß, dass das Gerät auf Teufel komm raus durchpasst. Man selbst aber nicht mehr rein oder raus kommt. Im besten Falle ist man zu zweit. Allein schon, weil selbiger Architekt die Kabel durch ein Loch im Boden führte und man beim Zurückschieben immer im Loch hängen bleiben.
Der beste Papierstau, den es fingierte war, als überhaupt kein Papier mehr im Fach war. Vermutlich wollte es nur bewegt werden.
3. Angesichts der beiden Tatsachen oben, besonders Nummer 1 "Nimmt die gottverdammte Karte nicht", kann man verschiedene Gefühlslagen der Studenten oder des Bibliothekars wahrnehmen. Es beginnt mit verärgertem Karte immer wieder reinstecken. Geht weiter zu Bitten, zu Betteln, zu weinerlichem Flehen und gut-zureden. Man beginnt das Gerät nicht mehr als Maschine, sondern als Lebewesen zu sehen. Man sagt Dinge wie "Wenn du die Karte nimmst, kauf ich dir einen neuen Toner" oder "Schau mal, ich streichel dich. Magst du jetzt mit mir kommunizieren?" Wenn das nicht hilft, verändern sich die Schmeichelein in Beleidigungen und enden in Morddrohungen und spätestens, wenn man das leise Scheppern eines Fußes gegen Blech hört, sollte man zum jammernden, schreienden Kollegen rennen, ihn wegreißen und dem Gerät sagen: "Er meints nicht so! Bitte druck mir zu liebe!"
Ich frage mich wirklich, warum es mir fehlt. Spätestens, wenn ich den neuen Kopierer nutze, weiß ich es wieder: Es hat wenigstens nicht gepiept - außer, wenn es die Karte nicht mochte.