Es war wieder einer dieser Tage, an denen alles, was nur irgendwie schiefgehen konnte, eben dieses auch tat, nämlich schief gehen. Der Drucker, der im Büro stand, war eigentlich recht zuverlässig, nur wie gesagt heute nicht. Zuerst war das Papierfach leer, was normalerweise keinen Anlass zur Klage gab, denn dieser Umstand war nun einmal unvermeidlich, da Papier beständig benutzt wurde. Ein Papierstau dagegen war dann doch eher unangenehm und eine andere Hausnummer an Herausforderung, da zu Beginn der Meldung nie ganz klar war, wo sich dieser Stau denn nun befinden sollte. Also war es unumgänglich, sich durch dieses unsägliche Menü an dem viel zu kleinen Display zu hangeln, um Klappen zu öffnen und zu schließen, Walzen zu wenden und zu drehen, vordere Klappe, hintere Abdeckung, Einzug Fach eins, die sonst so liebgewonnene Duplexeinheit, die Ausgabe oder gar die Sorter, Hefter und Finisher. Wo war dieser vermaledeite Stau? Die Fehlermeldung grinste mich nun seit geschlagenen 15 Minuten an und schien mich förmlich zu verhöhnen. Dann endlich hatte ich den Übeltäter, der dieses Malheur ausgelöst hatte, identifiziert und lokalisiert. Ein Stückchen Papier, quasi ein Eckchen eines winzigen Zipfelchens eines unbedeutenden Dokuments hatte sich zwischen zwei Walzen verklemmt und führte so zu dieser nervtötenden Fehlermeldung und unsäglichen Irritation des Gerätes, dass es jegliche Kooperation bis zur erlösenden Behebung des Ungemachs eingestellt hatte. Mit angehaltenem Atem und höchster Konzentration machte ich spitze Finger und zog das Corpus Delicti vorsichtig, doch mit notwendiger Kraftanwendung, aus der unheilvollen Umklammerung der Transportwalzen. Krachend schloss ich die Klappen und Fächer. Ein langersehntes Getöse setzte ein und die Höllenmaschine spuckte meine Dokumente ... nicht aus. Viel mehr erschienen mir unbekannte Schriftstücke, die nur die Schlussfolgerung zuließ, dass das Problem schon länger bestand und meine Kollegen nur nicht gewillt waren, sich des Problems anzunehmen. Nachdem ich nochmals Papier aufgefüllt hatte, tauchten meine von mir erstellten Dokumente aus der Druckerwarteschlange nun endlich auch auf. Aber dies war nur eines der Ereignisse, die meinen Tag zu einem unvergessenen Tag im Büro machten, denn wir verfügen in der Kaffeeküche über einen dieser schicken neumodischen Kaffeevollautomaten, der neben Filterkaffee auch die eine oder andere fulminante koffeinhaltige Spezialität herstellen konnte. Auch hier sind die Fehlermeldungen und Hinweise des Gerätes auf Unterstützung des Benutzers mannigfaltig, von Kaffee in unterschiedlichen Qualitäten oder Kakao auffüllen, bis zum leeren Milchbehälter ist alles dabei. Gerne genommen das verstopfte Mahlwerk oder gar entkalken oder der allgemeine Wasserzufluss. Sucht es euch aus, es konnte nicht schlimmer kommen. Gefühlt waren an diesem Tage alle Meldungen, die dieses Gerät in irgendeiner Form mächtig war, dabei. Falls ich eines schönen Tages einen neuen Arbeitgeber haben sollte, ließe ich mir zusätzlich den Servicemechaniker für Büro- und Kaffeemaschinen attestieren. Aber ich schweife ab.
Wo war ich? Ach ja, nicht mein Tag. Ziemlich genervt und gefrustet kämpfte ich mich durch den feierabendlichen Berufsverkehr, der präzise wie ein Uhrwerk funktionierte, dass sogar mittlerweile Verkehrsschilder auf den alltäglichen Stau aufmerksam machten. Nachdem ich dreimal um den heimatlichen Block gefahren war, fand ich auch endlich einen Platz in erklecklicher Entfernung, um mein Fahrzeug formvollendet zu parkieren. Warum sollte heute auch etwas wohnungsnah frei sein? Doch als ich per pedes nach Hause kam, stellte ich mit Entsetzen fest, dass der Parkplatz direkt vor Haustür frei war und er mich hämisch angrinste. Ja ne, is klar.
Im Hausflur öffnete ich den Briefkasten, um die nächste Attraktion des Tages zu erleben, die Post. Schnell hatte ich die unterschiedlichen Sendungen identifiziert, als ein besonderer Umschlag meine Neugier weckte. Edles Papier und eine zarte geschwungene Handschrift, die, wie es schien, mit einem altmodischen Füllfederhalter ausgeführt worden war. Die Suche nach dem Absender blieb, wenig befriedigend, erfolglos, selbst der Poststempel verriet mir nicht viel, außer dass er von gestern war. Mit einer Tasse Kaffee setzte ich mich in mein Sommerwohnzimmer, andere nennen es Balkon, und öffnete den äußerst interessanten Briefumschlag, der ein Schriftstück aus eben jenem Material und mit der nämlichen feinen Handschrift enthielt wie das Couvert.
Sehr geehrter …
Leider war die Anrede verschwommen, wie hatte das nur passieren können? Vielleicht Feuchtigkeit beim Versand oder eine Unachtsamkeit bei der Couvertierung? Doch ich las weiter und ignorierte den Umstand, dass mein Name bedauerlicher Weise in der Anrede nicht lesbar oder doch ausgelöscht worden war.
wir gratulieren Euch zum Gewinn unseres Preisausschreibens.
Euch erwartet ein denkwürdiger Abend voller Überraschungsessen.
Wie versprochen, sind Gastgeber und der Ort des Geschehens noch geheim und werden erst im Laufe des Abends offenbart.
Wir bitten um angemessene Kleidung.
Ihr werdet am 01.04.2020 um 17.00 Uhr standesgemäß abgeholt.
Dieses Ereignis wird für Euch unvergessen werden.
Preisausschreiben? Wer macht denn noch bei Preisausschreiben mit und gewinnt womöglich noch etwas? Ich für meinen Teil, nehme schon seit längerem nicht mehr daran teil, das Einzige, was man dort immer gewinnt, ist die Aufmerksamkeit von Callcentern und anderen Werbefutzis, die einem ungefragt mit Anrufen, Postwurfsendungen und Mails zumüllen, dass man gar nicht mehr weiß, wohin mit dem ganzen Mist. Dann warf ich einen erneuten Blick auf die Einladung und meine schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt. Das Datum war ein eindeutiger Hinweis darauf, dass dies garantiert keine Gewinnbenachrichtigung war, sondern der Beginn eines großangelegten Scherzes. 1. April, der allseits bekannte Tag der Narren und der derben Scherze, ein Tag, nur dafür gemacht, straflos anderen einen Streich zuspielen, wo das Ansehen des Gefoppten oder die Hierarchien keinerlei Rolle spielten und jegliche Standesgrenzen niedergerissen wurden. Ein müdes Lächeln, das nicht nur einem anstrengen Arbeitstag geschuldet war, umspielte meine Lippen. Wem, ich ging gedanklich einige Personen durch, traute ich einen solchen Scherz zu?
Zum einen war dort Karl, der schon von jeher für seine aufwendigen Scherze bekannt war. Ich erinnerte mich, wie er noch zu Schulzeiten unserem Direktor, der dafür bekannt war, dass er einen guten Scherz zu würdigen wusste, einen eben solchen gespielt hatte. Wie er es damals fertig gebracht hatte, war sein wohlgehütetes Geheimnis, doch das Ergebnis konnten alle sehen und bewundern und legte zudem die Maßstäbe für Scherze an den Direktor sehr hoch. Sein allzeit geliebter gelber VW Käfer stand in seiner vollen Pracht und Lebensgröße, so man bei einem Automobil davon sprechen konnte, also Lebensgröße nicht Pracht, im Lehrerzimmer, das nicht über eine Wandöffnung, sei es Fenster oder Tür, die ein solches Gefährt hätte einlassen können, verfügte. Es ging die Mär, dass das vortreffliche Gefährt, welches den Status eines Oldtimers innehatte, in seine Einzelteile zerlegt, hineingelangt und dort an Ort und Stelle wieder zusammengebaut worden sei.
Der andere denkwürdige Kandidat hörte auf den Namen Giselmar und war, wie beschreibe ich ihn in korrekter Weise, von ausgesprochener Raffinesse, dass plumpe oder tumbe Scherze nicht sein Stil waren. So sorgte er dafür, dass wir bei einer Tombola eine Flugreise nach Rom auslobten, die er selbstverständlich organisierte und auch buchte. Die Unterlagen des Reisebüros zeigte er uns damals und so glaubte keiner von uns an einen Scherz im großen Stile. Selbst am Tage der Flugreise wahrte er den Schein und ließ die Gewinner des Preises mit einer Limousine abholen und zum Flugplatz bringen. Was waren sie in freudiger Erwartung der Ewigen Stadt und einer Audienz beim Heiligen Vater, eine Erwartung, die wir alle natürlich die ganze Zeit über geschürt hatten, in dem wir immer wieder an die Attraktionen der Ewigen Stadt erinnerten. Keiner von uns glaubte mehr an einen üblen Streich, doch dann kam das dicke Ende. Die freudigen Gewinner stiegen in einen Hubschrauber, da sie glaubten, zu ihrem Linienflug gebracht zu werden, doch der Flug ging geradewegs, quasi Non-Stop, nach Rom, nun denn, nicht an den Tiber, sondern eher in den Westerwald. Es war in der Gemeinde Morsbach. So war Giselmar eben.
Diese feine Handschrift, das edle Papier, die etwas antiquierte Sprache war genau Giselmars Stil, nur er konnte sich so etwas ausdenken. Wenn er sich schon soviel Mühe machte, musste es einen guten Anlass geben oder er mochte mich einfach noch, nach all den Jahren seit der Schule, als wir noch wirklich gute Kumpel waren. Es erfüllte mich schon ein wenig mit Stolz, wenn ich tatsächlich Opfer eines von Giselmars Scherzen werden sollte, dass war nicht etwas, was einfach so geschah, das Recht musste man sich schon treulich erwerben.
Da ich den vermeintlichen Urheber der Briefsendung nun, wie ich glaubte, ermittelt hatte, konnte ich mich entspannt zurücklehnen und gelassen auf den Tag der Überraschung warten. So überlegte ich natürlich, welche angemessene Kleidung dem Anlass gerecht werden konnte, verschwendete jedoch keinen weiteren Gedanken an etwaige Unannehmlichkeiten, da das Risiko für mich überschaubar schien.
Fortsetzung folgt ...