Eine Weile hielt ich Gregor noch im Arm, bis sein gleichmäßiger Atem in ein leises Schnarchen über ging. Dann schälte ich mich aus seiner Umarmung, wickelte ihn noch einmal fest in die Decke ein und schlich zu meiner Tasche, um die Flasche Versteinerungswasser zu holen. Nachdem ich mir auch noch notdürftig ein Oberteil angezogen hatte, tapste ich aus unserem Zimmer in den Flur. Ich wollte Gregor nicht länger als unbedingt notwendig allein lassen.
Aber Rache musste sein. So. In welches Zimmer war Pargrim noch gleich verschwunden? Das zweite von links, wenn ich mich recht erinnerte. Also drückte ich vorsichtig die Klinke herunter und betrat lautlos den Raum. Tatsächlich lag Pargrim in dem schmalen Bett unter dem Fenster, die Hände ordentlich über der Decke gefaltet. Perfekt. Ohne einen Laut zu machen löste ich den Korken von der Flasche und ging so leise ich konnte auf das Bett zu. Einen Moment wähnte ich mich in stiller Sicherheit, dann schlug Pargrim plötzlich die Augen auf und verpasste mir einen kräftigen Tritt in mein Gemächt.
Mir entfuhr ein kehliger Schrei, der sogleich einem Wimmern wich, als ich vom Schmerz betäubt in die Knie sackte. Ich merkte kaum, wie mir die Flasche aus der Hand rutschte, als ich mich stöhnend zusammenrollte. "Musste das sein?"
Verschwommen konnte ich erkennen, wie Pargrim sich selbst in Augenschein nahm. "Was hast du denn erwartet, du Vollidiot!?" Anscheinend war sein gesamter Oberkörper bis zum Nacken hin versteinert.
"Hast du verdient", ächzte ich und rollte mich auf die andere Seite. Hatte er unbedingt so fest zutreten müssen?
"Was ist denn hier los?" Inzwischen war Olesch mit gezückter Waffe in den Raum gestürmt, die er gerade wieder zurück steckte. "Ich dachte, ihr werdet angegriffen!"
Pargrim mühte sich ab, um sich ihm zuzuwenden, was wegen der Versteinerung gar nicht so einfach war. "Ich wurde auch angegriffen. Von dem Deppen da unten." Leicht trat er mir noch einmal in den Rücken.
"Jetzt ist aber auch mal gut", maulte ich und versuchte mich aufzusetzen, als von der Tür aus ein schallendes Lachen zu mir drang. Hinter Olesch stand Gregor, der sich an die Wand lehnte, um vor Belustigung nicht aus den Latschen zu kippen. Nicht auch das noch. Beschämt ging ich zurück in Embryonalstellung. Sehr viel schlimmer konnte es jetzt echt nicht werden.
"Wenn es euch gut geht, dann gehe ich jetzt wieder schlafen", sagte Olesch bestimmt und drehte sich um. Leise zeternd ging er zurück in sein Zimmer.
Inzwischen beruhigte Gregor sich einigermaßen und wischte sich die letzten Lachtränen weg. "Ihr seid echt zwei Blödköpfe", meinte er und kniete sich neben mich. "Alles gut bei dir, Pargrim?"
"Ich habe schon mal gemütlicher geschlafen, aber die Versteinerung geht ja weg", knurrte dieser und ließ sich zurück in sein Bett fallen. "Ich würde sagen, wir sind quitt."
"In Ordnung", stöhnte ich und ließ mir von Gregor aufhelfen. "Gute Nacht."
Gemeinsam gingen wir zurück in unser Bett. "Wie geht es deinen Eiern?", fragte er noch immer deutlich amüsiert.
"Wird schon wieder", meinte ich, klammerte mich aber noch fester an seinen Hals. Ein wenig länger durfte er schon noch Ritter in der Not spielen. Ich auf meiner Seite musste zugeben, dass es durchaus schlechteres gab als mich von ihm ausziehen, zudecken und umarmen zu lassen.
Es dauerte einen Moment, bevor ich registrierte, dass dies hier die Realität war. Ich lag im Bett, mit Gregors Rücken an mich geschmiegt, sein Nacken direkt an meiner Wange. Sein Körper war warm, und sein Atem ging in einem gemächlichen entspannten Rhythmus. Ob er gut geschlafen hatte, nachdem ich ihn mitten in der Nacht aus Versehen aufgeweckt hatte?
Kurz blinzelte ich zum Fenster. Die frühe Morgensonne versprach einen weiteren warmen Tag. Insgeheim hoffte ich, dass es nicht zu heiß werden würde. Immerhin würden wir die meiste Zeit des Tagen unterwegs sein.
Gregor brummte etwas leises im Schlaf. Er war einfach zu niedlich. Vorsichtig küsste ich den weichen Flaum in seinem Nacken. Gedankenverloren strich ich über seinen Oberkörper, bis mir ein leichtes Anziehen seiner Arme verriet, dass er aufgewacht war. "Guten Morgen, Liebling", lächelte ich, "gut geschlafen?"
Er brummte etwas und schmiegte sich an sich. Manchmal erinnerte er mich wirklich an zutrauliche Straßenkatzen oder scheue Hunde, die eigentlich nur spielen wollten. Nur mit dem Unterschied, dass er humanoid war. Offensichtlich. Grinsend liebkoste ich seinen Nacken, seine Schulter.
"Lass das", knurrte er mit einem Lächeln in der Stimme und drehte sich um. Diese Bewegung war so flüssig, dass ich erst eine Sekunde später bemerkte, dass er mich küsste. Irritiert wich ich zurück, nur um in sein entschlossenes Gesicht zu sehen. Grinsend schob ich meine Hand an seine Wange, in seinen Nacken, und erwiderte den Kuss liebevoll. Für einen Moment existierten nur wir zwei, seine salzigen Lippen auf meinen, meine Arme, die sich um seinen warmen Körper legten, die kratzige Decke, die uns umschloss. Ich schmiegte mich an ihn und er hielt sich an mir fest, als wäre ich der letzte sichere Felsen in einem Sturm.
Und vielleicht war ich das auch.
Irgendwann lösten wir uns von einander. Seine Zunge schnellten zwischen seinen Lippen hervor, die sich zu einem koketten Lächeln verzogen. "So könnte von mir aus jeder Morgen beginnen." Liebevoll fuhren seine schlanken Finger meinen Kiefer nach.
"Das lässt sich gewiss einrichten." Noch wollte ich nicht von ihm lassen und zog ihn für einen weiteren Kuss zu mir. Er ließ mich, flocht sein Bein um meine und auf einmal lag er auf mir. So konnte ich schon viel besser meine Arme um ihn legen, die leichten Hebungen und Senkungen seines Rückens erforschen, seine Wirbelsäule nachfahren. Alles in seinem Tempo, erinnerte ich mich. Nicht zu viel von ihm verlangen. In den letzten Stunden habe ich schon mehr von ihm bekommen, als ich mir erhofft habe.
"Meinst du, die anderen sind schon wach?", fragte er auf einmal, während er mit meinen Haare spielte.
Wie gemein. "Ist das nicht völlig egal gerade?" Beleidigt zog ich einen Schmollmund.
Er lachte leise und ließ sich wieder neben mich fallen. "Ein wenig."
"Na gut." Gespielt eingeschnappt setzte ich mich auf und begann, mir meine Schuhe wieder anzuziehen.
Gregor hielt mich am Arm fest. "Ey, bleib doch hier! Ich habe nur Spaß gemacht."
"Ist schon klar." Nachdem ich den zweiten Schuh zugeschnürt hatte, drehte ich mich zu ihm, um ihm einen schnellen Kuss auf die Stirn zu hauchen. "Aber ich fürchte, dass wir gar nicht aus dem Bett kommen, wenn wir jetzt nicht aufstehen. Das kann ich dir garantieren."
"Na gut." Trotzig setzte er sich auf und lehnte sich an die Wand. Schweigend sah er zu, wie ich mich anzog.
Als ich fertig war, saß er immer noch unbewegt im Bett. "Kommst du nicht mit nach unten?"
"Gleich", sagte er und griff nach meiner Hand, um mich noch einmal für einen Kuss zu sich zu ziehen.
Lächelnd ließ ich es zu. "Bis gleich, Liebling."
"Bis gleich."
In der Taverne saßen bereits alle anderen am Tisch und frühstückten. Ein warmes duftendes Brot lag in der Mitte des Tisches und ein kleines Tellerchen mit Butter stand daneben. Bei dem Anblick lief mir bereits das Wasser im Munde zusammen, sodass ich mich schnell dazu setzte und zugriff. "Guten Morgen, zusammen!", flötete ich dabei. Bis auf Randalf schienen alle recht schlecht gelaunt zu sein; Besonders Pargrim sah mich böse ein. Ich verstand nicht, was sie hatten.
"Hauptsache, du kannst wieder laufen", grummelte Olesch und rieb sich die Stirn. "Wo bleibt denn dein Sonnenschein?"
Was für eine wundervolle Idee für einen Kosenamen! Den musste ich mir merken. "Gregor kommt gleich", verkündete ich und biss in meine Scheibe Brot.
Bumblebore gab ein herzhaftes Gähnen von sich und ließ Jürgen auf den Tisch krabbeln. "Der Kleine hat mir die ganze Nacht das Ohr abgequakt", beschwerte er sich. "Ich habe kaum geschlafen."
"Da bist du nicht der Einzige", grinste Randalf, woraufhin er einen bösen Blick erntete. Dass Miranda und er etwas besseres als Schlafen getan hatten, war aus meilenweiter Entfernung zu erkennen. Unwillkürlich schweiften meine Gedanken zu Gregor. Wann er wohl soweit sein würde...?
Ich war so sehr in meine nicht gerade jugendfreien Überlegungen vertieft, dass ich gar nicht bemerkte, wie Gregor sich neben mich setzte. "Guten Morgen", brummte er in die Runde und griff nach dem Brot.
"Guten Morgen, Sonnenschein!", grinste ich, legte einen Arm um ihn und küsste ihn auf die Wange.
Im Hintergrund war ein Würgen der Autor*in zu hören.
Gregor sah mich düster an, bevor er seine Butterstulle mit wenigen Bissen verschlang. "Wann gehen wir los?"
"Eigentlich haben wir nur auf dich gewartet." Olesch stand noch während er sprach auf.
"Na dann", sagte Gregor tonlos und aß seine zweite Scheibe auf. Dann stand er auf und ging nach draußen.
Schulterzuckend folgte ich ihm, und bald darauf auch die anderen. Nur Randalf benötigte noch etwas Zeit, um sich von Miranda zu verabschieden.