Es war einmal ein talentierter junger Prinz. Er liebte es Papierflugzeuge zu basteln und sie tagtäglich in dem königlichen Garten fliegen zu lassen. Er konnte als einziger im ganzen Land weit und breit die schönsten Flieger konstruieren, die aus dem edelsten und musterreichsten Papier hergestellt wurden. In seinem Schloss befand sich sogar ein einzelner Raum voller Papierflugzeuge und deren dazugehörigen Anleitungen, die in einzelnen Glaskästen gefasst die Wand verzierten.
Im Land nannten ihn alle den Papierpilotenprinzen – und das machte ihn stolz! Viele behaupteten, dass er jeden Tag nur in seinem eigenen Garten Papierflugzeuge steigen ließ, um die Anerkennung der Zuschauer zu genießen, die natürlich größtenteils aus den weiblichen Bewohnern des Landes bestand – denn der Prinz war ebenso bekannt für seine Schönheit.
Der König hielt nicht viel von der Fähigkeit seines Sohnes und wollte unbedingt, dass er seine Zeit eher in die Suche nach einer talentierten Frau investierte, anstatt in die zahlreichen neuen Kreationen von Papierflugzeugen. Doch der Prinz weigerte sich vehement und dachte gar nicht daran zu den prachtvollen, prunkreichen Bällen zu gehen, die sein Vater für ihn veranstaltete und zu dem dieser die schönsten Frauen des Landes einlud. Der König verzweifelte langsam, doch kam nach all den Bemühungen auf eine vielversprechende Idee: Da sein Sohn sich nur für Papierflugzeuge interessieren konnte, sollte jede Frau in dem Land ein Papierflugzeug bauen und ihn bei der täglichen Flugstunde des Prinzens fliegen lassen. Eine Frau, die ein interessantes, ausgefallenes und kreatives Flugzeug bastelte, müsste die Richtige für seinen Sohn sein.
So trug es sich zu, dass alle Frauen des Landes Papierflugzeuge bastelten und mit in den königlichen Garten brachten, um dem Prinzen zu imponieren. Der Prinz sah jedoch Tag für Tag so schlecht gefaltete und unkreative Flugzeuge, dass er alle solch ihm zugeworfene Papierflugzeuge unverzüglich zerknüllte oder gar zerriss. Selbst solch Papierflugzeuge, die annehmbar waren und dennoch nicht an die seinen heranlangten, zerstörte er nach kurzem Betrachten. Alle Frauen waren sogleich sehr traurig und verschwanden unverzüglich aus dem Garten.
Eines Tages – es waren schon fast keine Frauen mehr im Land dazu bereit in den Garten zu kommen – kam ein wundersames Mädchen zu dem Prinzen. Sie war trotz ihrer ungewöhnlichen und schmutzigen Kleider wunderschön, hatte einen traurigen und hoffnungsvollen Blick und trug in ihrer Hand ein großes Papierflugzeug. Der Prinz starrte sie erwartungsvoll an und war gespannt auf die Fähigkeiten dieses zugegebenermaßen gut aussehenden Mädchens, obwohl er sich zugleich sehr sicher war, dass die Qualität ihres Papierflugzeuges nicht nur ein winziges Bisschen der Seinen glich.
Das Mädchen warf ihr Flugzeug in die Luft und es schwebte so elegant und leicht wie kein anderes zuvor. Und nicht nur das – die Zuschauer in dem Garten bewunderten das Papierflugzeug dieses plötzlich aufgetauchten Mädchens. Dies bemerkte der Prinz sofort und ließ sein Flugzeug gleich hinterher steigen. Zusammen tanzten die beiden Flugzeuge so herrlich durch die Luft, dass sich niemand wegzuschauen wagte. Alle im Garten Anwesenden – auch der Prinz – staunten mit offenen Mündern, wie die beiden so wundervoll geformten Papiere durch den Garten glitten und mit ihren Bewegungen nicht nur einen aufregenden Tanz, sondern auch eine leise harmonische Melodie darboten.
Als die Papierflugzeuge nun vor den Füßen des Prinzen landeten, schaute dieser sich im Garten um. Sogar des Königs Bediensteten stellten ihre Arbeit ein und schauten jetzt auf den Prinzen. Er hob das Flugzeug des schönen Mädchens auf und betrachtete es wie etwas, das er zuvor noch nie gesehen hatte. Es war so prächtig und geschickt gefaltet und war aus einem ebenso feinen Papier wie seine Flugzeuge. Dann schaute der Papierpilotenprinz zu dem Mädchen, die ihn schüchtern anlächelte. Doch statt ihr Anerkennung und Bewunderung zuzusprechen und ihr Papierflugzeug steigen zu lassen, überwand der Prinz seinen Stolz und seinen Neid nicht und zeriss und zerknüllte das Papierflugzeug rasch mit finsterem Blick.
Alle Zuschauer waren fassungslos und das schöne Mädchen begann bitterlich zu weinen. Sie vergrub ihr Gesicht in die Hände und lief aus dem Garten. Dem Prinzen tat sie zwar leid, er fand jedoch sie solle sich nicht so haben, schließlich bestand kein Zweifel daran, dass er die schönsten Flugzeuge baute. Nachdem sich alle Menschen aus dem Garten begeben hatten, machte der Prinz einen Spaziergang durch ebendiesen. Hinter einer Hecke begegnete ihm nun eine alte Hexe. Sie schaute ihn erbost an und sagte: „Du bist zu stolz, zu arrogant und denkst nicht über Gefühle anderer Menschen nach. Du hättest das Flugzeug nicht einfach zerstören dürfen, weil du Angst hattest andere könnten bemerken, dass er deinen Fliegern ebenbürtig ist. Dein Ruf ist dir wichtiger als die Wahrheit und deswegen wirst du deine Lektion lernen müssen. Ein Papierflugzeug sollst du sein! So ein schönes wie deine eigenen – aber du musst jemanden finden der dich in die Lüfte steigen lässt, erst dann wirst du in einen Prinzen zurück verwandelt.“
So war der Prinz nun ein Papierflugzeug. Er verstand nicht was dies alles bringen sollte – denn er war sich sicher ziemlich schnell jemanden zu finden, der mit ihm spielen will, immerhin handele es sich doch um eines seiner Papierflugzeuge, in das ihn die Hexe verwandelt hatte! Voller Stolz und Entschlossenheit flog er den nächstgelegenen Garten an und landete direkt vor den Füßen eines Mädchens. Als das Mädchen das Papierflugzeug bemerkte, wartete der Prinz freudig darauf, dass er gleich durch die Luft wirbelte. Doch das Mädchen erkannte das Papierflugzeug als das des Prinzen und erinnerte sich schmerzerfüllt daran, wie er ihr Papierflugzeug so unsanft zerstörte, als sie es ihm in seinem Garten gab. Das Mädchen schloss ihre Hände um das Flugzeug und wollte es eben gerade zerknüllen, als der Prinz in letzter Sekunde wegfliegen konnte.
Das musste einfach ein Missverständnis sein, anders konnte sich der Prinz so etwas nicht erklären. Das Mädchen habe sicherlich keine Ahnung und habe nicht sein Papierflugzeug in ihm erkannt. Und so machte er sich auf zu dem nächsten Garten.
Doch auch hier entkam er nur knapp dem Tod durch die Zerstörung wütender Hände. Nach und nach entgegneten ihm in allen Gärten, die er anflog, nur verärgerte und erboste Gesichter und er verstand nun langsam, was die Hexe meinte.
Nach über einem Jahr verzweifelter und erfolgsloser Suche nach jemanden, der ihn einfach in die Luft steigen ließ, hatte sich der Prinz schon an ein Leben als Papierflieger gewöhnt. Er müsse nur aufpassen, wenn es regnet oder schneit – auch bei Wind sollte er lange Spazierflüge meiden, doch er vermisste sein Zuhause und seine Eltern sehr. Er flog sehr oft heim und sah wie sein Vater der König und seine Mutter um ihn trauerten – sie wussten noch nicht einmal was mit ihm geschehen war. Aber er hatte ja bereits alles versucht, er war in allen Gärten bereits einmal gelandet.
An einem sonnigen Tag flog der Prinz über die zu seinem Königreich gehörenden Wälder und entdeckte hinter einem See eine Waldhütte mit großem Garten. Darin befand sich das schöne Mädchen, welches damals das so wunderschöne Papierflugzeug in seinen Garten brachte, als alle anderen dies auch in der Hoffnung taten, der Prinz würde eine von ihnen als seine Prinzessin auswählen.
Der Prinz sah es als seine letzte Chance an, vielleicht würde das Mädchen ihn gar nicht erkennen, weil sie ja auch nur einmal in seinem Garten war. Falls sie ihn doch erkannte, war er sogar bereit zu sterben, denn wer, wenn nicht dieses schöne Mädchen, welches er von allem am schlechtesten behandelt hatte, hätte das Recht ihn zu zerknüllen.
Er landete direkt vor ihren Füßen. Das Mädchen schreckte kurz auf, da sie vielleicht einen kranken Vogel vermutete. Als sie das Papierflugzeug betrachtete und erkannte, dass es das vom Prinzen war, hob sie es auf und hielt es fest in ihren Händen. Der Prinz war auf alles gefasst und verabschiedete sich von der Welt. Das Mädchen jedoch blickte nur traurig lächelnd das Papierflugzeug an und dann ließ sie es steigen.
Der Prinz wusste nicht wie ihm geschah – gerade drehte er noch zwei geschickte Saltos in der Luft, als er sodann mit seinen beiden Beinen fest auf dem Boden stand. Er schaute verwirrt zu dem Mädchen und fragte sie: „Warum hast du das getan? Ich war so gemein zu dir und habe dein Papierflugzeug zerstört! Ich hätte es gar nicht verdient…“.
Das Mädchen erklärte ihm, dass sie mit ihrem älteren Bruder alleine in der Waldhütte gelebt hatte. Vor einigen Jahren, als sie selbst noch klein war, hatte ihr Bruder auch stets Papierflugzeuge gebastelt und alle ihm gebrachten Flieger von Verehrerinnen zerknüllt und sogar ins Feuer geworfen. Eines Nachts sei dann die Hexe erschienen und habe ihren Bruder in ein Papierflugzeug verwandelt. Sie hatte alles mit angesehen und ihr Bruder versuchte immer jemanden zu finden, der ihn in die Luft warf. Doch es gab niemanden und als er die Hoffnung aufgab und nirgendswo mehr hinflog, brachte sie ihn mit in des Königs Garten.
Der Prinz verstand jetzt erst, was er mit seiner Arroganz und seinem Neid damals alles angerichtet hatte und ging auf das wunderschöne Mädchen zu. Er nahm ihre Hand, kniete nieder und sprach: „Nicht nur weil du mein Leben gerettet hast, sondern vor allem auch weil du der gütigste Mensch bist, den ich je getroffen habe, möchte ich dich bitten mit mir zu kommen und meine Frau zu werden. Du bist eine ehrliche Seele und hast ein reines Herz und das soll mir ein Vorbild sein. Ich werde nie wieder irgendein Papierflugzeug zerstören!“
Das Mädchen willigte ein und schon bald wurde nach der Wiedersehensfeier schon Hochzeit gefeiert. Der König war sehr froh nicht nur seinen Sohn wieder zu haben, sondern auch noch eine so wunderschöne und liebe Frau an seiner Seite zu wissen. Nur das Papierflugzeuge Basteln, das gaben sie nicht auf.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sieht man heute noch ihre Papierflugzeuge durch die Lüfte steigen.