Wenn mein Vater fluchend aus dem Fenster hängt, meine Mutter ihn jammernd an den Füssen hält damit er keine Bekanntschaft mit dem Bürgersteig machen muss, es aus der Küche qualmt und meine beiden jüngeren Geschwister sich mit Christbaumkugeln aus Glas bewerfen, ja dann ist Heiligabend.
Sobald die Lichterkette hängt und mein Vater wieder sicher im Wohnzimmer steht, sehen meine Eltern das Chaos, welches meine Geschwister in den unbeaufsichtigten Momenten angerichtet haben.
Sie schreien die beiden an, da mal wieder nur die hälfte der Christbaumkugeln übrig ist und das Lametta mehr an ein zerrupftes Huhn als an Baumschmuck erinnern und meine Eltern mal wieder nicht daran gedacht haben mehr zu kaufen damit man nicht nur den halben Baum schmücken kann.
Da merkt meine Mutter das dicker qualm aus der Küche kommt und rennt schreiend in die Küche nur um 30 Sekunden später mit einem schwarzen Braten in das Wohnzimmer zurückzukehren.
" Was soll ich jetzt nur tun? Was soll ich jetzt nur tun? Die Verwandtschaft kommt in 1 Stunde und ich habe kein Abendessen." jammert sie.
Mein Vater, vor Wut immer noch hochrot im Gesicht dreht sich zu ihr um und sagt: " Da muss wohl wieder Dosenfleisch herhalten."
Das Dosenfleisch wird aus der Vorratskammer geholt, meine Mutter bleibt in der Küche damit jetzt nichts mehr schief geht, meine Geschwister werde ins Zimmer geschickt und mein Vater wischt die Scherben der Kugeln auf und versucht den Weihnachtsbaum so zu schmücken das es nicht allzu katastrophal aussieht, aber irgendwie sieht das Resultat doch sehr kläglich aus.
Und ich? Ich sitze in meinem Zimmer und bin einfach froh wenn das ganze vorbei ist und ich ein Jahr ruhe habe, aber das schlimmste steht mir leider noch bevor.
Punkt sechs Uhr stehen all meine Verwandten auf der Matte, ich werde gefühlte tausendmal umarmt, in die Wangen gekniffen und abgeschlabbert.
Alle setzen sich ins Wohnzimmer und loben den Weihnachtsbaum obwohl ich in ihren Blicken sehen kann wie schäbig sie ihn finden.
Meine Mutter verteilt Getränke, wir stossen alle an und wünschen uns frohe Weihnachten.
Meine Grossmutter Anne fängt nach dem ersten Glas Sekt schon an sehr falsch verschiedene Weihnachtslieder bunt durchmischt zu summen, was meinem Onkel Werner sehr missfällt und er faucht sie auch gleich an.
Grossmutter Anne faucht gleich zurück, das sie sich von einem alten Narren nichts vorschreiben lässt.
Das lässt Tante Emma durch die Decke fahren, denn niemand greift ihren Schnuckel an.
In den Streit mischen sich nach und nach alle ein, bis sich am schluss alle anschreien, die Kinder kreischen, aus der Küche qualmt es schon wieder, die Katze verfängt sich in den Kabeln und wirft den Weihnachtsbaum um und auch die restlichen Kugeln sind Geschichte.
Das Fallen des Baumes hat aber ein Vorteil.
Die Gemüter beruhigen sich wieder alle entschuldigen sich und es ist doch noch ein sehr lustiges Fest.
Meine Mutter improvisiert irgendetwas aus Konserven und am Tisch wird geredet und gelacht.
Nach dem Essen dürfen wir Kinder endlich die Geschenke auspacke und spätestens jetzt sind alle zufrieden und ruhig.
Am Schluss sind alle Beteiligten froh nach Hause gehen zu können und das ganze Chaos von Heiligabend erst wieder in einem Jahr durchmachen zu müssen.