Tomaten im Winter
Tomaten im Winter? Und Erdbeeren? Das passt irgendwie nicht. Noch dazu, wenn es sich um regionale Produkte handelt - und ich finde es zunehmend wichtig regional und saisonal einzukaufen. Nahrungsmittel sollten nicht (nur) Industrieproduktion sein, welche um den Globus gekarrt wird.
Eine Kollegin hatte den Besuch bei einem der größten regionalen Gemüseproduzenten organisiert, ich wußte nicht recht, was mich erwarten sollte. Gewächshäuser?! Die Führung begann mit einem etwa einstündigem Vortrag, dann mussten wir einen Overall überziehen und uns desinfizieren - wie in einem Bio-Labor. Was ich dann erlebte, überwältigte mich. Gigantische Gewächshäuser, mehr als zehn Meter hoch, auf einer gewaltigen Fläche von etwa 20 Hektar! Etwa ein Drittel davon wird rein biologisch bewirtschaftet - und diesen Teil durften wir nicht besuchen, Kontaminationsgefahr durch Schädlinge. Man sah endlose Reihen mit Tomatenpflanzen, alle in Reih und Glied - etwa 15 Meter lang, die Wurzeln in ein kleinen Subsratballen. Die unteren Teile der Tomaten waren entlaubt und abgeerntet - am oberen Ende wuchsen sie, scheint´s endlos weiter. In die Substratballen führten Schläuche und Sonden, die ständig den genauen Wasser- und Nährstoffbedarf der Pflanzen maßen und sie auf den Punkt versorgten. Eigentlich eine sehr gute Sache, so wurde weder Wasser verschwendet noch der Boden überdüngt. Der Betrieb arbeitet ausschließlich mit Regenwasser, welches auf die Dächer der Gewächshäuser fällt und in großen Teichen aufgefangen wird. Der gesamte Strombedarf wird von den Photovoltaikanlagen auf den Gebäuden produziert, die nicht dem Anbau dienen, ja und geheizt wird auch - CO2 neutral mit Geothermie. Da es in Südbayern bis in den Spätherbst wesentlich mehr Sonnenstunden gibt als in Holland, in dem die Gewächshaustechniken entwickelt wurden - ist es möglich, wesentlich länger und, ich habs probiert, schmackhafteres Gemüse zu kaufen. Die Firma baut außer Tomaten noch Erdbeeren, Paprika und Gurken an und hat Erträge, die wesentlich höher als die Freilanderträge sind. Ja, Probleme mit Schädlingsbefall haben sie natürlich auch. Eine festangestellte Biologin überprüft daher täglich den Pflanzenbestand und setzt dann vor allem mechanische Bekämpfsmethoden wie Gelbtafeln und biologische, wie etwa Schupfwespen oder Raubmilben ein, die die Schädlinge in Schach halten. Bestäubt werden die Pflanzen durch Hummelvölker, die wesentlich lokaler agieren als Bienen und daher die Gewächshäuser, deren Dächer im Sommer offen sind, nicht verlassen.
Mit ihren Erträgen kann diese Anlage etwa zwei Landkreise mit diesem Gemüse komplett - fast über das gesamte Jahr versorgen.
Ich bin ein großer Freund von natürlicher Landwirtschaft und freue mich über jede selbstgezogene Tomate (dieses Jahr sind die Paprika gut geworden) - aber mich brachte der Besuch sehr zum Nachdenken. Ich denke, was hier gemacht wird ist so Nachhaltig, wie Gemüseanbau sein kann, da nur lokale Resourcen genutzt werden. Es spart enorme Mengen an CO2, da etwa die langen Transportwege entfallen, über die ansonsten vieles dieser Gemüse aus Ländern importiert würde, wo es oft unter problematischen Methoden angebaut wird. Die Umweltbelastung ist wesentlich geringer als bei herhömmlicher Landwirtschaft und ich finde es ist ein beeindruckender Mosaikstein für eine lebenswerte Zukunft. Noch dazu, wenn man bedenkt, dass die Firma auf einem Drittel der Fläche rein ökologisch produziert.