Im Angesicht der heutigen Tagesaufgabe fragte sich die junge Dienerin, warum ihr Vater so lange gelebt hatte. Die Aufgabe war mehr als nur dazu geeignet, ihre Karriere, damit leider auch ihr Leben, recht kurz zu gestalten. Sie sollte mit so einem Federding Bücher in der Bibliothek abstauben. Das Ganze im Schein von Kerzen und auf einer Leiter, die ab der ersten Stufe den sichern Tot prophezeit, so alt und klapprig war sie. Oben in der Dunkelheit hing dieses Historische Stück Steighilfe an einer Schiene und konnte vielleicht hin und her geschoben werden, wenn einer die Rollen geölt hätte. Das hier der Tod auf sie lauern könnte, sagte ihr auch die Anwesenheit des Guhl. Der lümmelt sich hinter ihr auf einem Sessel, der nur wegen ihm hier zu stehen schien, zumindest war es ein Möbelstück, das wohl nie geputzt worden war.
"Warum gibt es nur im großen Saal elektrisches Licht? Und warum zum Teufel liegt hier so viel Staub?", wollte die junge Frau, die eigentlich nicht Igor hieß, aber in diesem Haus so gerufen wurde, wissen. "Und dann wäre Tageslicht viel besser als das Licht der Kerzen. Ganz abgesehen davon, wenn ich hier zu viel Staub aufwirble, dann macht es auch hier Bumm."
"Datt mit de Fenster mennste aber nitt so. Da hat de nix von."
Stimmt, dachte sich die junge Frau. Trotzdem war dieser Staub doch bestimmt der Abrieb von Büchern und dann würde aufwirbeln bedeuten, dass es hier zu einer großen Explosion kam. Sie entschied, an die Aufgabe anders als gewollt heran zu gehen.
Als sie die großen Kronleuchter absenkte, um die mühsam darauf angezündeten Kerzen wieder zu löschen, grinste der Ghul.
"Machste gut, Junge Lady."
Die Dienerin unterbrach sich in ihrer Tätigkeit und sah fragend zu dem schleimigen Fabelwesen, das mit ein Grund dafür war, dass sie nurnoch wenig von ihrem Vater zu Grabe tragen mussten. Ein paar Knochen und zwei Augen im Glas waren es gewesen.
"Du verfolgst mich, um mich direkt nach meinem unnatürlichen Ausscheiden aus dem Dienst zu fressen", bemerkte sie traurig und das freundliche, aber frechbreite Grinsen bestätigte ihr genau das. "Warum gibt er mir Aufgaben, die meinen potenziellen Tod bedeuten?"
"En Ijor mott immer uf oll Eventualitäten of de Meesters vorbereetet sinn. Er mott taffer un hätter sinn, als aal annere. De Meester hat ständig enne so lustije Ideen un dann mott der Ijor gleech springen."
Die Dienerin sah den Guhl fragend an, weil sie den Satz erst nicht mit der heutigen Aufgabe in Verbindung brachte, dann wurde sie traurig: "Er traut mir nicht zu, ein richtiger Igor zu sein. Er will mich loswerden."
Der Ghul nickte.
"Warum kündigt er mich dann nicht einfach. Ich bin doch noch in der Probezeit."
Der Ghul legte den Kopf schief.
"Madel. Willst de mir nu mit moderne Zeug kumme? Dinge Boss iss über 300 Johr aal. De künigt noch traditionell."
Die junge Dienerin nickte verstehend.
"Aber ich hoff druff, dass de noch long he bliefst", sagte der Ghul ernster. "Ik mag dich wirklich."
Die Dienerin wusste nicht, ob das nun ein Kompliment oder eine Aussage über die Schmackhaftigkeit der Familie Igor war.
"Wenn ich sterbe, hat er sowieso ein Problem. Ich bin die letzte mögliche Igor im passenden Alter. Ich bin der letzte neue Besen."