"Haben wir wirklich gerade ein Date?", fragte der Ghul, der gerade dank einer schwarzen Rose am Hemdskragen nicht so aussah. Nervös war er trotzdem.
"Ja. Wir haben ein Date", lächelte die Igorine.
"Warum mit mir?"
"Wer würde sich sonst mit einer Dienerin des fliegenden Todes einlassen. Immer, wenn die mitbekommen, wer mein Herr ist, versuchen sie, mein Essen mit irgendwelchen Insekten anzureichern."
"Also bin ich nur ein Lückenbüßer", sagte der Ghul etwas ungehalten.
"Das ist nicht so und das weißt du auch", widersprach ihm die junge Frau mit dem guten Blick für Realitäten. "Ich wollte das, seitdem ich deine wahre Gestalt in der Kammer gesehen habe. Ich meine die, die du ohne deinen Fluch hast."
"Also bin ich jetzt ein Sexobjekt für dich."
Er hob eine Augenbraue, als er den ungehaltenen Gesichtsausdruck der jungen Frau sah.
"Entschuldige, ich wollte keine alten Wunden aufreißen."
Sex war etwas, dass bei der jungen Frau mit schlechten Erfahrungen verbunden war. Es waren nicht ihre eigenen, aber der misslungene Eigensex ihrer Brüder hatte sie zu dem gemacht, was ihre Brüder hatte werden sollen. Sie selber war noch immer Jungfrau und seit sie eine Igorine war, würde sich das auch so schnell nicht ändern. Mit Bitterkeit dachte sie daran, dass sie einst das Nesthäckchen ihrer Familie war. Und jetzt war sie die unheimliche kleine Schwester, die ihre Cousinen und Cousins verschreckte. Bei der Adamsfamilie wäre sie wohl Wendy. Aber was wäre dann der Ghul, der gerade der Hingucker im ganzen Kaffee war, zu dem sich alle Frauen scheinbar hingezogen fühlten. Sie entschied, dass er gerade Gomez sein würde. Jetzt musste sie sich nur noch von ihrem Herrn beißen lassen. Sie schüttelte ob der Idee den Kopf.
"Habe ich etwas falsches gesagt", fragte der attraktive Mann mit dem Geheimnis in seinen Stiefeln, die alle ihn anbetenden Frauen sofort vertreiben würden.
"Nein, hast du nicht. Entschuldige. Ich war ungerecht. Sowas sollte mir nicht passieren."
"Aber du bist nur ein Mensch, dir kann so etwas passieren."
"Wenn ich NUR ein Mensch bin, was bist du dann? Göttlich?"
Der Satyr merkte, dass er von einem Fettnäpfchen ins nächste gehüpft war. Er wurde deswegen sogar rot. Das wiederum machte nun die Igorine verlegen.
"Entschuldige", gab sie leise von sich.
"Nein, braucht es nicht. Ich verbringe zu viel Zeit in meiner anderen Gestalt, um noch wirklich Gesellschaftsfähig zu sein."
Traurig sah der Mann durch das Lokal.
"Weißt du, warum wir als Frauen und Leichenfresser verschrien sind?"
"Weil ihr so besser die Leichen der Frauen, die euch verfallen sind und dann beim schreck vor der anderen Gestalt verstarben, besser entsorgen konntet?"
Der verwandelte Ghul sah zu der jungen Frau und sah dort ehrliche Anteilnahme. Er nickte daraufhin. Ja, so hatte es begonnen und wenn man es genau betrachtete, waren auch Menschen Aasfresser. Sie hatten ja nur keine Geduld und halfen dem Verfall mit Hitze nach. Und dann dieses Eis. Leicht vergammelte Milch, die mit Früchten gemischt ganz anständig schmeckte. Aber genau das war dieses Jogurteis, dass sie die Igorine gerade Löffelweise zuführte. Ihre Lieblichen Lippen umfingen dabei bei jedem Löffel das kalte Metall. Er schüttelte sich schnell. Liebe war eine Gefahr, weil ihn der Fluch, der aus Lüsternheit erwuchs, zu dem Monster machte.
"Wann hast du das letzte Mal versucht, deinen Fluch zu überwinden", wollte in dem Moment die Frau wissen, als wenn sie seine Gedanken lesen würde.
Er musste lange nachdenken. Er erinnerte sich schon fast nicht mehr dran.
"Ich denke, dass es aus jedem Fluch einen Ausweg gibt", überlegte sie weiter. "Wir könnten das gemeinsam ergründen. Vielleicht schaffen wir dann mehr als nur ein Besuch in einem Kaffee."
"Das wäre schön", lächelte der Pan und es war das erste Mal, dass er nicht die schwarzen Schwingen des Fluches dabei spürte.