„Das ist unmöglich.“ Fassungslos stieß Hope die Worte hervor und sah die Frau vor sich mit weit aufgerissenen Augen fassungslos an.
Seit sechs Wochen war sie nun wieder in Los Angeles und sie war nur hier, weil ihre Hausärztin es ihr geraten hatte, nachdem sie letzte Woche bei ihr gewesen war. Dabei war sie nur dort gewesen, weil es ihr seit einigen Tagen nicht gut gegangen war. Sie hatte sich matt gefühlt. Müde und zerschlagen. Sie hatte nur eine Grippe ausschließen wollen, die gerade grasierte und sie nicht andere anstecken wollte und jetzt sollte sie schwanger sein?
S c h w a n g e r?
Das war unmöglich. Absolut unmöglich.
Vehement schüttelte sie mit dem Kopf. „Sie müssen sich irren, Doktor. Ich kann unmöglich schwanger sein. Das wüsste ich doch. Außerdem haben mein Freund und ich verhütet.“ Bei der kleinen Lüge mit dem Freund wurde Hope minimal rot. Sie wusste nicht, ob sie Cole so bezeichnen konnte.
Sie waren eine Woche zusammen gewesen, dann musste er zu einem Einsatz und obwohl er versprochen hatte, sich zu melden, hatte er es nicht getan. Gut, er hatte gesagt, dass es entweder einige Tage, oder einige Wochen sein könnten, die er weg wäre. Also war sie bis nach Silvester in dem Hotel geblieben, doch er hatte sich nicht gemeldet. Am Neujahrsmorgen war sie dann wieder nach L.A. zurückgekehrt und das war nun bereits sechs Wochen her.
Sechs Wochen, in denen er sich nicht gemeldet hatte.
„Ich irre mich nicht.“ Noch während sie sprach, griff sie zu einem kleinen Gerät und zog einen Schutz drüber, während sie von Hope beobachtet wurde. „Allerdings klingen Sie so, als wüssten Sie genau, wann Sie schwanger geworden sein könnten.“ Sie hob den Stab hoch und drückte eine seltsame Flüssigkeit darauf, ehe sie sich wieder vollständig zu Hope drehte. „Das kann nun etwas unangenehm oder kühl wirken.“
„Was … haben Sie vor?“ Misstrauisch und unruhig sah Hope auf die Ärztin, die sich mit dem Stab ihrer Mitte näherte und gleichzeitig einen kleinen Monitor mit der anderen Hand herumdrehte.
„Das nennt sich transvaginale Ultraschalluntersuchung. Ich werde diesen Stab in Ihre Vagina einführen, damit kann man recht früh eine Art Ultraschall durchführen und wir werden sehen, ob ich mich irre oder nicht. Bitte, entspannen Sie sich. Es tut nicht weh.“ Vorsichtig ließ sie ihren Worten Taten folgen und schaute konzentriert auf den Monitor. „Da…“ Sie zeigte auf einen kleinen Punkt in den milchigen Strichen und konzentriert sah Hope auf den Monitor. Doch sie sah da absolut nichts.
„Was ist da? Da sind doch nur schlieren.“
„Das ist die Gebärmutterschleimhaut.“ Sie bewegte den Stab vorsichtig etwas, sodass ein schwarzer Punkt in diesen Schlieren besser sichtbar wurde. Mit einem Finger der anderen Hand deutete sie auf den Punkt. „Das ist die Fruchtblase und darin ist ein Baby. Wenn man den schon von einem Baby sprechen kann. Ich würde sagen, Sie sind so sechste … nein siebte, vielleicht achte Woche. Herzlichen Glückwunsch.“ Sie drückte auf einen Knopf unter dem Monitor und das Gerät druckte ein Bild aus, während sie gleichzeitig den Stab vorsichtig aus Hope zog, die völlig erstarrt in dem Untersuchungsstuhl lag.
„Oh mein Gott…“
„Freuen Sie sich denn nicht?“ Verwirrt sah die Ärztin auf Hope, ehe ihr klarwurde, dass da wirklich keine Freude in dem Gesicht ihrer Patientin war, sondern nur absolute Fassungslosigkeit und Panik. „Gibt es … keinen Vater zu dem Baby?“ Vorsichtig formulierte sie ihre Frage, während sie den Schutz von dem Stab zog und in den Mülleimer warf.
„Doch.“ Verwirrt sah Hope immer noch auf den Monitor, der mittlerweile wieder völlig schwarz war. „Doch das letzte Mal habe ich ihn in der Woche vor Weihnachten gesehen. Danach musste er in einen Einsatz.“ Sie sah jetzt erst zu der Frau. „Er ist Soldat und seitdem habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Ich sehe ihn erst, wenn er zurück ist.“
„Oh.“ Die Ärztin setzte sich wieder auf den kleinen Stuhl. „Sie können sich dann aufsetzen.“ Sie zog kurz die Stirn in Falten, während sie scheinbar nachrechnete. „Dann wären Sie jetzt in der siebten Woche. Was den Geburtstermin auf Ende September, Anfang Oktober setzt. Ich werde Ihnen einige Sachen aufschreiben. Vitamine, damit Sie sich nicht mehr so schlapp fühlen.“ Sie warf Hope einen kleinen Blick zu. „Sie sollten versuchen den Vater den Babys zu erreichen.“
„Das kann ich nicht. Bei einem Einsatz sind private Handys verboten.“ Automatisch wiederholte sie, was Cole gesagt hatte, während sie immer noch wie betäubt war. Sie war schwanger.
Was sollte sie nur tun? Sie hatte immer irgendwie gedacht, wenn sie mal ein Baby bekommen würde, wäre sie auch verheiratet. Und jetzt…
Wieso war sie überhaupt schwanger? Sie hatten doch Kondome benutzt. Immer.
„Wie kann ich schwanger sein, wenn wir verhütet und Kondome benutz haben? Außerdem hatte ich letzten Monat meine Regel.“ Ohne zu überlegen, platzte es aus ihr heraus und langsam drehte die Ärztin sich mit ihrem Stuhl zu Hope um. Schweigend musterte sie sie kurz, ehe sie eine Antwort gab.
„Kondome sind genauso wie … zum Beispiel die Pille … nur eine Möglichkeit eine Schwangerschaft zu verhindern. Doch wie alles, ist diese Möglichkeit nicht absolut und hundertprozentig sicher. Es kann immer etwas passieren. Bei Kondomen als Beispiel, ... sie könnten porös sein. Alt. Oder es ist ein Loch darin. Oder nach dem Geschlechtsverkehr, war er nicht vorsichtig genug und etwas Sperma ist an … oder in … ihre Vagina gekommen. Das könnte, theoretisch, schon reichen. Und viele Frauen bekommen am Anfang einer Schwangerschaft noch ihre Regel. Das ist nicht ganz ungewöhnlich.“
„Oh mein Gott.“ Hope stöhnte auf und schloss einen Moment die Augen. „Was mach ich jetzt nur?“
„Wollen Sie das Baby denn nicht?“ Die Ärztin sah sie kurz überrascht, fast geschockt an, ehe der Ausdruck in ihren Augen verständnisvoller wurde. „Ich kann verstehen, dass dies eine ziemliche Überraschung für Sie sein muss. Oder ein Schock. Aber ein Baby ist etwas wundervolles.“
Wundervoll? Hope sah die Frau an, als hätte sie zwei Köpfe. Was war wundervoll daran? Sie war nicht verheiratet. Sie wusste ja nicht einmal, ob Cole Kinder mochte … oder wollte.
Gott, alles was sie wusste war, dass sie sich gestanden hatten, ineinander verliebt zu sein und das er gesagt hatte, er würde sich melden.
Und jetzt würde sie ihm, wenn er anrief, erzählen müssen, dass sie schwanger war.
Wie sollte sie das überhaupt machen? Wenn er anrief? So nebenbei? Ach übrigens, ich bin schwanger? Oder direkt an Anfang, wenn sie wusste das er am Telefon war, so alá … Hallo, schön, dass du dich meldest. Ich bin schwanger?
Wollte sie das Kind überhaupt? Was war, wenn sie sich dafür entschied und er es nicht wollte?
Was war, wenn sie sich dagegen entschied, er es erfuhr und es gewollt hätte. Andererseits, er würde es doch niemals erfahren, wenn sie es wegmachte, oder? Er musste es ja nicht erfahren.
Aber wollte sie ihn anlügen? Was war, wenn er sich meldete und sie zusammenbleiben wollten? Wollte sie ihn auf ewig anlügen?
Was war, wenn sie sich dafür entschied und er es nicht wollte und sich niemals wieder melden würde, wenn er es erfuhr?
Nein, so schätzte sie ihn nicht ein.
Aber auf der anderen Seite … kannte sie ihn überhaupt richtig? Sie liebte ihn, ja. Aber kannte sie ihn?
Langsam richtete sie sich auf und stand dann von dem Stuhl auf. „Ich … muss darüber nachdenken.“
„Natürlich. Dass kann ich verstehen.“ Sie reichte ihr das Rezept. „Machen Sie vorne noch einen Termin für in vier Wochen zur Kontrolle.“ Die Frau stand ebenfalls auf und drückte Hope die Hand. „Alles Gute und bis in vier Wochen. Gönnen Sie sich etwas Ruhe. Manchmal braucht man ein paar Tage, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, ein kleines Lebewesen in sich zu haben.“
„Sicher.“ Mehr mechanisch und abwesend, drückte Hope die Hand und ging dann zur Umkleidekabine, um sich wieder anzuziehen. Die ganze Zeit rasten die Gedanken wie bescheuert durch ihren Kopf. Was sollte sie nur tun? Sie war schwanger. Gott … schwanger…
War sie überhaupt bereit für ein Baby? Bereit die Verantwortung für ein so hilfloses, winziges Baby zu übernehmen?
…schreiende, sabbernde Babys. Vollgekackte Windeln. Vollgespuckte Kleidung. Keinen richtigen Schlaf mehr. Jede Nacht unzählige Male aufstehen, um eine stinkende Windel zu wechseln und das Baby zu füttern. Kinderspielplatz statt Party. Kein spontanes Weggehen mehr. Kein spontaner Urlaub…
„Gott…“ Hope ließ sich auf den Stuhl in der Umkleide fallen und grub das Gesicht in ihren Händen, während alle Horrorszenarien, die sie so mitbekommen hatte, durch ihren Kopf jagten.
Spontan in den Urlaub war sie schon ewig nicht mehr gefahren. Spontan war sie schon lange nicht mehr.
…doch mit Cole warst du absolut spontan…
Ja, mit Cole. Hope seufzte leise. Aber er war nicht da und sie wieder in ihre alte Rolle geschlüpft, in der sie sich nicht anmerken ließ, wie unsicher sie eigentlich war.
Sie war die starke Hope Darsteen-Harper. Die vernünftige. Die hart arbeitende Hope. Die, auf die immer verlass war. Die immer da war.
Auf Partys ging sie auch schon lange nicht mehr. Sie arbeitete hart für die Stiftung und die wenige Freizeit verbrachte sie lieber zuhause, um sich zu entspannen. Oder sie fuhr zu ihrer Familie. Himmel, ihre Familie. Was würden sie wohl denken?
Sie musste hier raus. Sie musste nach Hause, in ihre vertrauten vier Wände und sich beruhigen. Nachdenken.
Und vor allem ihre Assistentin anrufen, dass sie heute nicht mehr ins Büro kommen würde. Was sollte sie ihr nur sagen? Musste sie ihr was sagen? Sie war doch die Chefin und wenn sie nicht ins Büro kam, dann kam sie eben nicht. Oder doch?
Hope biss sich auf die Unterlippe, während sie die Umkleidekabine verließ.
Zehn Minuten später stand sie auf der Straße, mit dem Rezept für die Vitamine und einem Termin zur Untersuchung in vier Wochen.
Noch während sie auf die beiden Zettel starrte, spürte sie, wie ein hysterisches Kichern ihre Kehle hochkroch und sich fest auf die Lippen beißend, rannte sie fast auf ihr Auto zu, während sie gleichzeitig das Gefühl hatte, jeder … wirklich jeder … würde sie anstarren und wissen, dass sie schwanger war.