Zwei Stunden später stand sie in ihrer großzügigen Wohnküche an der Arbeitsfläche, die von einer hohen Theke eingerammt wurde und hinter der auf der anderen Thekenseite einige Hocker standen, und starrte auf die unzähligen Tüten.
Frusteinkäufe … oder wie man das nannte, …dachte sie deprimiert und seufzte dann auf, während sie mit dem Kopf schüttelte. Dabei kochte sie so gut wie nie für sich alleine, sondern begnügte sich damit, sich etwas in den Ofen oder die Mikrowelle zu schieben, oder … was sie auch gerne tat, … sich von einem der unzähligen Restaurants etwas mit nach Hause zu nehmen, wenn sie Feierabend machte.
Sie hatte keine Ahnung wie lange sie bereits auf die Taschen schaute, als die überraschte Stimme ihrer Freundin an ihr Ohr erklang. „Was machst du denn hier?“
„Was?“ Hope zuckte zusammen und sah auf ihre Freundin, die in einem Strandkleid mit Strohhut und Tasche, sowie Sandalen in der Küchentür stand. Wie immer sah sie trotz des eher legeren Outfits aus, als wäre sie aus dem Ei gepellt. Perfekt aussehend mit einer hinreißenden Figur. Ihre Mutter war Fotomodel gewesen und hatte Patricia von klein auf gedrillt, immer perfekt auszusehen, egal wo, egal wann. Ihr Vater war ein sprichwörtlicher Casanova gewesen und als Patricia ein Teenager war, hatte ihre Mutter die Nase von seinen Seitensprüngen voll gehabt und sich scheiden lassen. Obwohl sie danach keinen Kontakt mehr mit ihrem Exmann wollte, hatten Patricia und ihr Vater immer Kontakt gehalten – sehr zum Verdruss der Mutter.
Und dann hatte er, als er gestorben war, Patricia ein beachtliches Vermögen und ein Haus in Malibu hinterlassen – mit der Bedingung, dass sie von Frisco nach L.A., ziehen musste. Damals war Patricia gerade etwas über zwanzig gewesen und als sie, Hope, hier das Haus gekauft hatte, hatten sie sich kennengelernt. Jetzt waren sie Nachbarn und Freundinnen, obwohl Patricia einige Jahre älter war. Sie verstanden sich sogar so gut, dass sie sich gegenseitig die Schlüssel zum Haus anvertraut hatten und jeder bei dem anderen ein und aus ging, wie es ihm gefiel.
Hope nutzt das eher weniger, doch Patricia hatte da weniger ein Problem mit. Genauso wie jetzt. Hope starrte Patricia immer noch verwirrt an, als diese schon weitersprach, während ihr Blick über die unzähligen Tüten wanderte.
„Na, solltest du nicht eigentlich arbeiten?“ Sie seufzte leise und zeigte auf ihre Sachen, während sie das Gesicht verzog und ihre Stimme trotzdem fröhlich klang. „Ich wollte mich an deinen Pool legen. Bei mir sind immer noch die Handwerker wegen dem neuen Dach und die machen mich wahnsinnig. Dazu kamen heute die Arbeiter, um im Pool das Wasser abzulassen und ihn mal wieder einer Grundreinigung zu unterziehen.“ Sie verzog erneut das Gesicht. „Also keine Entspannung am Pool für mich, deshalb wollte ich mich hierher zurückziehen, mich sonnen und an meinem Buch arbeiten.“ Sie zeigte bezeichnend auf ihre Tasche. Ihr Blick wanderte erneut über die Taschen auf der Theke, ehe sie Hope ansah und ihr Gesichtsausdruck bestürzt wurde. „Liebes? Was ist los? Du siehst furchtbar aus und so eine Einkaufsorgie passt gar nicht zu dir.“ Sie musterte Hope fragend und stellte dann ihre Tasche auf dm Boden, als Hope nicht antwortete und sie nur ansah. Mit wenigen Schritten hate sie den Raum durchquert und stand neben ihrer Freundin um sie besorgt anzusehen. „Hope? Was ist los?“
„Nichts. Wirklich. Es ist…“ Sie holte tief Luft und sprach dann weiter. „Nichts. Gar nichts.“
„Das kannst du jemand anderes erzählen.“ Patricia schüttelte mit dem Kopf und drehte sich dann zu den Taschen. „Komm ich helfe dir auspacken, dann kochen wir einen Kaffee und dann erzählst du mir was los ist.“ Noch während sie sprach, griff sie schon in die erste Tüte und legte die Lebensmittel auf die Theke, während Hope immer noch dastand. Irritiert zog sie minimal die Augenbraue hoch und griff dann in die zweite Tüte. „Oh?!“ Fassungslos sah sie auf den weichen, weißen Nicky-Strampler den sie in der Hand hielt. Langsam drehte sie sich zu Hope um, die den Strampler musterte, als wüsste sie nicht, wie er in die Tasche gekommen war. „Hope?“
Kreidebleich lehnte sich Hope an die Arbeitsfläche hinter sich und sah auf Patricia und den Strampler, so als hätte ihr ihre Freundin gerade das Ende der Welt verkündet.
„Bist du…“ Patricia sah von Hope auf den Strampler und dann wieder auf Hope, während sie den weichen kleinen Anzug wieder in die Tüte fallen ließ. „…schwanger?“
„Ich … ich…“ Hope brach ab, während sich ihre Augen mit Tränen füllten.
„Oh Himmel…“ Patricia trat neben Hope und schlang die Arme um sie, um sie an sich zu ziehen. „Du bist schwanger. Von dem Mann, mit dem du Weihnachten verbracht hast, oder?“ Sie streichelte Hope sachte über den Rücken. „Wie hieß er noch? Karl? Conner?“
„Cole.“ Mit brüchiger Stimme verbesserte Hope ihre Freundin. „Wir haben doch verhütet.“ Anklagend sah sie ihre Freundin an. „Wie konnte das passieren? Was mach ich bloß?“ Jetzt rollten die Tränen über ihr Gesicht. „Er wollte sich melden, hat es aber nicht. Ich bin schwanger und weiß überhaupt nicht, ob ich das sein will. Himmel … ich bekomme ein Baby und habe nicht einmal einen Mann dazu und…“
„Hey…“ Patricia unterbrach ihre Freundin sanft. „Schwanger ohne Ehemann oder Partner ist doch heute wirklich kein Beinbruch mehr.“ Sie seufzte innerlich. „Willst du es behalten, oder…? Sie ließ den Rest des Satzes offen und spürte, wie Hope sich scheinbar unbewusst verspannte. „Wenn du es behalten willst, solltest du es ihm sagen.“
„Ich … ich weiß nicht.“ Hope strich sich über die Augen, doch ihre Tränen flossen nur noch mehr. „Ich habe doch keine Ahnung, wo er ist. Er sagte … er wollte sich melden, hat er aber nicht. Ich war für ihn bestimmt nur eine Affäre und er wird sich nicht mehr melden. Ich war so dumm und jetzt…“
„Sssch…“ Patricia strich ihrer Freundin weiterhin beruhigend über den Rücken, während sie sie unterbrach. „Das weißt du doch überhaupt nicht. Hast du nicht gesagt, er wüsste nicht, wie lange er weg ist? Ein paar Tage. Ein paar Wochen. Vielleicht ist er immer noch im Einsatz. Manche Soldaten sind Jahre von zuhause weg und…“ Sie brach ab, als ihr klarwurde, dass ihre Worte ihre Freundin jetzt gerade nicht wirklich beruhigten.
„Was soll ich nur machen?“ Schluchzend wischte sich Hope über die Augen und klammerte sich an Patricia. „Was wird meine Familie denken? Gott…“
„Hey…“ Patricia drückte Hope ein winziges Stückchen von sich weg und sah ihr ins Gesicht. „Du hast eine tolle Familie, Hope. Ich glaube nicht, dass sie dich verurteilen werden. Zumindest denke ich das. Ich kenn ja nicht alle, nur ein paar, aber die waren doch echt nett und toll.“ Sie seufzte leise. „Und was du machen sollst, kann ich dir nicht sagen. Aber ich denke, wir sollten erst einmal die Lebensmittel wegräumen. Dann kochen wir einen Tee, setzen uns und reden einfach. Vielleicht hilft das ja. Reden und ein paar Tage über die Situation nachdenken und schlafen.“ Sie zögerte kurz, ehe sie weitersprach. „Und egal wie du dich entscheidest, so weit bist du ja noch nicht in der Schwangerschaft. Es gibt also die Möglichkeit…“ Sie brach ab und biss sich auf die Lippen. „Du musst das doch erst einmal verdauen, dass du ein Baby bekommst.“
„Ein Baby…“ Tonlos wiederholte Hope die Worte und starrte an Patricia vorbei, während ihr erneut die Tränen in die Augen schossen. „Ich habe doch gar keine Ahnung von Babys. Ich weiß nicht einmal, ob ich welche will. Sie schreien und stinken und werfen das ganze Leben über den Haufen.“
„Naja, stinken tun sie ja eigentlich nur, wenn sie die Windel vollhaben.“ Patricia sah an Hope vorbei in die Türe, wo der Strampler halb hinausragte. „Im Großen und Ganzen sind sie doch eigentlich niedlich.“
„Ja, wenn es nicht die eigenen sind und man sie wieder abgeben kann, wenn sie stinken.“ Düster starrte Hope Patricia an, die leicht lächelte und die Schultern hob.
„Vielleicht. Ich mag Babys. Ich hätte gerne einen ganzen Haufen davon. Leider fehlt mir dazu aber der Mann.“ Sie sah Hope an, die etwas sagen wollte und sprach schnell weiter. „Ich meine nicht, um sich um sie zu kümmern, sondern um sie zu produzieren. Ich würde ein Baby auch alleine aufziehen. Damit hätte ich keine Probleme. Nur habe ich bis jetzt einfach nicht den richtigen Mann gefunden, von dem ich gerne eines hätte. Egal ob später mit oder ohne Vater…“
*
Schlaflos starrte Hope an die dunkle Decke. Seit zwei Stunden lag sie nun im Bett und konnte einfach nicht einschlafen. Ihr Kopf brummte von den vielen Gedanken, die sie beschäftigen und das Gespräch mit Pat hatte auch nicht geholfen, eine Entscheidung zu treffen.
Unbewusst legte sie eine Hand auf ihren Bauch und sah vor ihrem geistigen Auge wieder diese kleine komische Blase, die die Ärztin ihr gezeigt hatte. Ihr Baby.
Ihr und Coles Baby.
War er noch im Einsatz? Oder war sie nur eine Affäre für ihn gewesen?
Nachdenklich runzelte sie leicht die Stirn, als sie den letzten Tag und seine Reaktion als er gehen musste, erneut durchlebte. Sein Anruf später. Seine Worte, dass er sie lieben würde. War das die Wahrheit gewesen? Oder war es nur etwas gewesen, um sie irgendwie … ja was?
Seufzend biss sie sich auf die Unterlippe.
Ein Mann würde doch nicht anrufen und sowas sagen, wenn er es nicht ernst meinte, oder?
Wäre sie nur eine Affäre gewesen, hätte er sich nicht mehr melden brauchen.
Unbewusst streichelte sie mit den Fingerspitzen über ihren flachen Bauch.
Ob er das Baby Anerkennen würde?
Wollte er überhaupt eins?
Oder setzte sie ihm damit eine Pistole auf die Brust? Würde er das Gefühl haben, in eine Falle gelaufen zu sein?
Nein…
Wenn sie es behalten würde, würde sie nichts von ihm verlangen. Sie würde das auch alleine schaffen. Sie hatte ihre Freundin, die schon gesagt hatte, wenn sie es behalten würde, wäre sie gerne Babysitter und würde ihr helfen. Ihre Familie…
Kurz schluckte sie. Ihre Familie. Irgendwann würde sie es ihnen sagen müssen. Vorzugsweise bevor man etwas sah.
Aber wenn sie es behielt, sollte sie es ihm sagen, wenn er sich melden würde.
Oder sollte sie es verheimlichen und abwarten, ob er sie wiedersehen wollte und wie es dann mit ihnen weiterging?
Und was war, wenn sie einen dicken Bauch hatte, wenn er sich irgendwann melden würde?
Wird er sich überhaupt melden? Oder hatte er sie bereits vergessen? Es waren schließlich über sechs Wochen her, seit sie sich kennengelernt hatten und sie Woche zusammen verbracht hatten.
Gott…
Hope seufzte auf und schloss die Augen. Da verliebte sie sich Hals über Kopf und ging mit dem Mann ins Bett, nur … um dann auch direkt schwanger zu werden.
Ganz toll.
Jungfrau … einmal Sex und zack … schwanger.
…einmal sex? Ihr habt eine ganze Woche miteinander verbracht und den größten Teil davon im Bett…
Erneut strich sie mit den Fingerspitzen über ihren flachen Bauch. Darin wuchs ein Baby heran. Ein Baby von einem Mann in den sie sich auf den ersten Blick verliebt hatte. Der es sogar geschafft hatte, dass sie mit ihm geschlafen hatte, ohne ihn groß zu kennen.
Wie lange war sie mit Derek zusammen gewesen, ohne dass er es geschafft hatte, mit ihr zu schlafen? Weil sie es nicht in sich gespürt hatte?
Und Cole? Vom ersten Augenblick an war sie wie verzaubert gewesen und hatte gewusst, dass er der eine war. Der eine mit dem sie mehr als nur ein paar Küsse tauschen wollte.
Und jetzt war sie mit einem Baby von ihm schwanger. Vielleicht würde es eine Miniausgabe von ihm werden? Ein kleiner Junge mit kurzen Haaren und strahlenden dunkelblauen Augen. Wie könnte sie es da wegmachen? Wäre das nicht so, als würde sie die Woche ausradieren wollen?
Selbst wenn er sich nicht melden würde. Sie bereute die Woche nicht. Klar würde es wehtun, wenn er sich nicht melden würde. Aber trotzdem bereute sie es nicht, ihm alles von sich geschenkt zu haben.
Sie liebte diesen Mann. Alleine der Gedanke an ihn, ließ ihr Herz flattern und sie hatte das Gefühl, immer noch, seinen Geruch in der Nase zu haben. Auch wenn dieser von Tag zu Tag schwächer würde. Sein herzliches Lachen. Sein Humor. Seine Stärke und doch war er so unendlich sanft und liebevoll.
Was war, wenn sie das Baby wegmachen würde, er würde sich melden, sie wären wieder zusammen und er würde dann erfahren, dass sie…
Hope schluckte und ballte die Hände zu Fäusten, als ihre Augen erneut anfingen zu brennen.
Was sollte sie nur machen?
Egal wie sie sich entscheiden würde … es könnte die falsche Entscheidung sein. Wie sollte sie wissen, was richtig war?