Ein dumpfes Gefühl und eine bekannte Kälte sorgten dafür dass Mariko am nächsten morgen aufwachte. Sie öffnete schlaftrunken die Augen, bemerkte die verdrehte Welt und brauchte einen Moment um festzustellen, was an diesem Bild nicht stimmte.
Die Kälte des Laminats statt der Wärme der weichen Matratze gaben ihr den Hinweis. Sie war mal wieder aus dem Bett gefallen und lag nun... hang nun halb auf dem Boden, nur die Beine befanden sich noch unter der Decke.
Sie seufzte resigniert. Sie wollte nur einmal aufwachen ohne dass irgendetwas anstand.
Es war Samstag morgen, der Wecker zeigte 6.49Uhr. Jeder normale Teenager würde um diese Zeit noch schlafen, doch wenn sie nicht damit beschäftigt war sich mit ihren eigenen Stofftieren zu beschäftigen indem sie diese sammelte, arbeitete sie in einem kleinen Laden, der genau diese herstellte.
"Naja... Ein gutes hat es ja...", murmelte sie, während sie sich langsam an der hölzernen Bettkante hoch zog und sich im Spiegel an der gegenüberliegenden Wand betrachtete.
"Zumindest sehe ich wie sehr kleine Kinder schätzen was ich so liebe..."
Mariko machte sich fertig, zog sich ihre Jeans und ein violettes Shirt an, auf der die Aufschrift: "Cuddly Toy" in einer Wolke stand; verziert mit zwei braunen Bären die rechts und links neben dem Schriftzug saßen. Das passende cap dazu. Perfekt.
Mariko drehte sich zum Bett um es zu richten und ohne zu bemerken, dass einer ihrer Lieblinge fehlte. Hastig packte sie sich noch schnell ihren Rucksack. Schlüssel, Smartphone, Portemonnaie. Eine Flasche Coca Cola. Einen Morgenkaffee würde sie sich auf der Arbeit gönnen.
Sie lief die Treppen runter in die Küche, schmierte sich schnell ein Brötchen mit Butter und Käse und lief dann schnell aus der Hintertür raus. Das Brötchen würde sie auf dem weg essen müssen, ihre Schicht würde 8.40 uhr beginnen und sie musste noch zwei Stationen mit dem zug fahren, sobald sie diesen erwischte.
Sie sah auf die Uhr. Dafür hatte sie nur noch 20 Minuten Zeit.
Angekommen wurde sie von einer ihrer Kolleginnen und Freundinnen angelächelt, ein freudiges aber dennoch nervöses lächeln.
"Da bist du ja endlich!", flüsterte Ayumi ihr zu.
"Ja... tut mir leid, du weißt, wie schwer ich morgens aus dem Bett komme...", antworte sie ihrer Freundin mit einem Grinsen, bevor sie sich in den Aufenthaltsraum zurück zog, ihren Rucksack in ihren Schrank stellte und sich einen Kaffee machte.
"Ahh... erstmal wach werden."
Mit geschlossenen Augen und einem müden Lächeln lehnte sie an der Wand, in der Hand die Tasse Kaffee.
"Hast du neue Ideen mitgebracht?", fragte Ayumi, die wieder neben ihr stand und sie neugierig ansah. Mariko erwiderte ein Lächeln.
In diesem kleinen Unternehmen gab es nicht sonderlich viele Angestellte, es bot auch keine wirklich profitable Arbeit, jedoch eine familiäre Atmosphäre und die Chance, Kinderaugen leuchten zu sehen. Denn Mariko stellte die stofftiere selbst her. Teilweise mit ihren kleinen Kunden, teilweise zeichnete sie zuhause Skizzen vor, ließ ihrem kindlichen Gemüt Freiraum, um herauszufinden, was den Kindern gefallen könnte.
Ein paar Tiermischungen kamen bei Kindern immer gut an. Ein Hasenbär oder Fledermauskatze waren da Beispiele für. Doch auch Stoffpüppchen blieben nicht lange ohne tierische Eigenschaften bei Mariko, auch wenn sie nur einen Einhorn Anzug trugen.
Sie stellte die leere Tasse in die Spülmaschine, leckte sich den Schaumbart von den Lippen und machte sich an ihre sechsstündige Schicht, bei der sie jede pause nutzte um sich selbst ein paar stoffreste einzustecken oder sich selbst ein kleines Püppchen zu nähen.
"Mach schon, mach schon!", drängelte sie Ayumi, die nach dem Schichtwechsel ungeduldig vor dem Laden wartete.
"Ich komme ja schon!", meckerte Mariko und lief mit ihrem Rucksack auf den Schultern zu ihrer Freundin.
"Hust, man sieht was, hust.", machte diese und hielt sich die Faust vor den Mund, während sie so tat, als würde sie husten.
Mariko verstand und setzte schnell ihren Rucksack ab, um die herausschauenden Stoffreste richtig zu verstauen.
"Und, was machst du heute noch so?", fragte Ayumi.
"Wahrscheinlich Hausaufgaben... Wenn ich noch einmal ohne komme, muss ich nachsitzen, und dann kann ich hier nicht mehr arbeiten sagen meine Eltern."
"Na dann, mach dich ran! Wir sehen uns morgen ja?"
Mariko überlegte einen Moment.
"Achja, ja. Tun wir.", antwortete sie nach einer Pause. Ayumi spielte gern Vermittlerin, und benutzte Mariko als Versuchskaninchen für ihre Fähigkeiten. Für Sonntag hatte sie ein Treffen mit einem Oberschüler arrangiert, Mariko dachte, sie hätte nichts zu verlieren und hatte zugesagt.
Gemeinsam gingen die beiden noch zum Bahnhof, verabschiedeten sich voneinander und stiegen in ihre Züge.
Auf ihre Füße konzentriert stieß sie mit jemanden zusammen, ein kurzes stöhnen entglitt beiden und sie sahen einander an.
Sie war an einen blauhaarigen jungen Mann gestoßen, etwa anderthalb Köpfe größer als sie, mit dunkel braunen, beinahe schwarzen Augen. "Entschuldigung.", kam es von beiden, sie verlegen, er ein wenig belustigt. Er musterte sie etwas, ihre Wangen färbten sich stärker in auffallendem rot, sie drehte ein wenig den Kopf weg und musterte ihn aus dem Augenwinkel.
Dieser Junge musste blau wirklich lieben, dachte Mariko, zumindest ließen blaue Jeans und blauer Anorak darauf schließen.
Sie drehte sich um und beobachtete nun nur einen Moment sein Spiegelbild in der Tür, bevor sie sich auf die Landschaft konzentrierte. Sie spürte, wie sein Blick auf ihr ruhte. Seltsamer Kerl...
Auch, dass sie an der selben Haltestelle ausstiegen fand sie im ersten Moment seltsam, jedoch ging der junge einen anderen Weg und sie schlug ihren Heimweg ein. Raus aus dem von Dröhnen überfluteten Bahnhof und rein in die Stille Idylle des kleinen Dörfchens in dem sie wohnte. Die kaum befahrene Hauptstraße entlang, vorbei an den dem Verfall nahen und den Neubau Häusern bis zu ihrem.
Der schwarze smart ihrer Mutter stand vor der Tür, doch sie machte sich nicht wirklich was draus. Sie würde sich nur über etwas ruhe freuen.
Wieder gelangte sie durch die Hintertür ins Haus, schlich sich durch die Küche in den Flur und schritt langsam und leise Stufe für Stufe die Treppen hinauf in ihr Zimmer.
Mit einem leisen klacken schloss sie die Tür und atmete erleichtert aus bevor sie sich wieder auf ihr Bett schmiss. Typische Routine wenn sie nach hause kam.
Als die Stofftiere wieder sprangen bemerkte sie, dass etwas anders war. Stitch fehlte.
Verwundert suchte sie hinter ihrem Bett, unter ihrer decke, unter ihrem Bett und zwischen den anderen stofftieren, doch fand sie ihr dritt liebstes Kuscheltier nicht.
"Wo kann er nur sein?", fragte sie sich selbst, den Blick durch das Zimmer wandern lassend.
Doch mit dem Piepen des Weckers, der die Uhrzeit 16.00 Uhr anzeigte, verschwand diese Frage kurzzeitig aus ihrem Hirn und sie schnappte sich ihre Schultasche, um ihre Hausaufgaben in mathe und bio rauszuholen, bevor sie sich mit diesen an den Eichenholz Schreibtisch setzte und sich genervt an die Arbeit machte.
Ihre Gedanken schweiften kurz ab, als ihr das Bild des Jungen durch den Kopf ging, doch sie versuchte,so gewissenhaft wie möglich ihre Aufgaben zu machen. Auch wenn sie sich fragte, wo stitch war und wer dieser Junge.