Nach einer Weile erreichte Jasmin einen Weiher und machte an diesem Rast. Ein Reiher stand gut getarnt im Schilf und hielt Ausschau nach unvorsichtigen Fischen. Einige Blätter von Bäumen und Pollen trieben an der Wasseroberfläche und von irgendwoher quakte ein Frosch. Es war so idyllisch! Wie das Wasser durch die Sonne glitzerte und die Vögel in den Zweigen sangen.
Nach einer halben Stunde zwang Jasmin sich weiter zu fahren. Löste sich von der Ruhe und zog sie mit einem kräftigen Atemzug in sich ein. Für einen kurzen Moment schien ihr Herz die Schwere der Tage verlassen zu haben. Immer weiter radelte Jasmin hinaus aufs Land und mit jedem Meter verlor sich die Kraft der Ranken, welche ihr Herz so schwer gemacht hatte. Das Klicken der Gänge und das gleichmäßige surren der Kette hatten etwas Beruhigendes und Gedanken Befreiendes. Es machte einfach Spaß wieder auf dem Drahtesel zu sitzen, alle Hügel hochzupeitschen und ihre Abhänge rasant herabzurollen. Eine belebende Brise tänzelte um ihr Gesicht und ihre Haare, sie liebkoste ihren ganzen Körper. Eine Weile radelte sie so durch die Gegend - ohne Ziel. Doch mit dem Fahren stiegen auch Bilder, mehr schemenhafte Erscheinungen in ihr auf. Längst vergessen wie der Name der blauen Blumen am Kornfeld.
Nach anderthalb Stunden machte Jasmin eine kurze Rast an einer Holzbank am Waldrand. Sie verschlang ihre Sandwiches wie ein hungriges Tier und nahm einen kräftigen Schluck aus ihrer Trinkflasche. Das war vielleicht erfrischend! Als die Erfrischung des prickelnden Wassers nachgelassen hatte, kehrten Erinnerungen an ihren Rastort zurück. Sie seufzte. Hier an diesem Wald hatten sich ihre Wege einst gekreuzt. Leo war damals schon ein ausgesprochener Naturliebhaber, der alles was er sah in Reime und Verse band. Das letzte Mal waren sie vor fast zwei Jahren hier gewesen - gemeinsam, er hatte sicher danach immer wieder diesen Teil des Waldes aufgesucht um diverse Tier- und Pflanzenarten aufzustöbern. Wäre er nicht auf einer Lesung gewesen, hätte sie ihn gefragt, ob er mit wolle. Doch ihn aus München herzubestellen, hätte sich als schwierig gestaltet. Für die lange Reise bekam er natürlich keine Aufwandsentschädigung, nur ein bisschen Lokalpressenruhm, wenn es hoch kam. Aber Autor, Poet - dass war er und das machte er auch ohne Geld. "Es ist unsere Aufgabe die Sprache vor dem Zerfall zu bewahren.", hörte sie schon ihn und seine Dichterfreunde sagen, welche sich regelmäßig bei ihr in der Wohnung trafen, weil deren Eltern ein Problem mit der literarischen Haltung ihrer Söhne hatten. "Die blaue Blume der Romantik darf nicht verblühen." ROMANTIK! - Wütend sprang Jasmin von der Bank ohne so recht zu wissen warum. Romantik hatte es zwischen den beiden nie gegeben, sie waren gute Freunde, mehr auch nicht. Es störte sie einfach, wie dieser ewige Single, überhaupt Worte wie Liebe und Romantik zu schützen sich berufen hatte ohne sie wirklich zu verstehen.