Kurzinfo:
Hallo, lieber Leser, und willkommen im ersten Teil des Kalynor-Spielbuchs. Hier ist allerdings nicht der Anfang der Geschichte! Lies bitte zuerst die Einführung - die ersten beiden Kapitel in "Die Söldner von Kalynor: Taverne zum Teufelsochs" - bevor du dich ins Abenteuer stürzt.
[https://belletristica.com/de/books/9708/chapter/21179]
Prolog: Das Reich der Dunkelelfen
Schwarz und still erhebt sich der Tannenwald Ewyân mitten im sauren Sumpfland. Der Wind bewegt die dunklen Nadeln, lässt sie rascheln und flüstern, doch er kann den dichten Nebel nicht vertreiben, der sich weiß wie Knochen in den Baumwipfeln hält. Der Sumpf gluckert und rülpst, hier singt ein seltsamer Vogel, dort quakt ein sonderbares Amphibium.
Doch der Wald ist unnatürlich still. Die Tannennadeln rascheln leise, füllen das Zwielicht zwischen den hohen Stämmen mit wispernden Echos. Der Nebel und die dichten Baumkronen tauchen den Waldboden in Finsternis. Nur Ranken und Pilze gedeihen in diesem Halbdunkel, schleimige und giftige Gewächse. Die Tannen scheinen jedes Licht und jedes Geräusch aufzusaugen.
Über die bräunlichen Tannennadeln auf dem Boden, unter Dornenranken und Stechginster hindurch, an Weihrauch und Weißdorn vorbei, huscht ein kleines Wesen. Die Haselmaus rennt gehetzt. Läuft und läuft, bleibt dann stehen. Der kleine Schwanz bewegt sich, die Schnurrhaare zucken. Keine Geräusche – bloß keine verräterischen Geräusche machen! Die Maus rennt weiter, ein hastiger, brauner Schatten. Laufen, einfach weiterlaufen, nicht stehen bleiben.
Niemals stehen bleiben.
Die Bewegung ist schnell wie ein Blitz: Aus dem dichten Nadeldach über der Maus schießt plötzlich ein längliches, schwarzes Ding herab, vielleicht ein Stachel, dessen Besitzer irgendwo in der grünlichen Dunkelheit verborgen bleibt.
Die Maus stirbt mit einem leisen, resignierten Seufzer, noch ehe sie Schmerzen fühlt. Drei Klauen am Ende des langen Beins oder Arms schließen sich um den schlaffen Körper. Das schwarze Chitin glänzt im Dunkel, scheint zu leuchten. Die schmalen Gelenke knacken wie die Stämme der Tannen knacken – sind es die Stämme der Tannen?
Langsam, ohne jede Hast, hebt sich der Fuß oder die Hand nach oben, gleitet mit hypnotischer Geduld zurück zwischen die Nadeln der Tannen, in das Versteck der Äste. Zurück bleibt ein Blutfleck, der sich kaum vom Boden abhebt.
Nur die Beute rennt in diesem Wald, rennt und rennt, bleibt nicht stehen, bleibt niemals stehen. Die Schatten lauern in ihren Verstecken, reglos und geduldig wie die Äonen. Um den Schatten zu entkommen, muss man es wie das Licht machen: Man muss schnell sein. Doch selbst Schnelligkeit reicht nicht immer aus. Die Schatten sind überall, lautlos, geduldig, schwarz wie der Tod.
Deswegen haben die Dunkelelfen diesen Wald zu ihrer Heimat erwählt.