Lucius sprach ein paar letzte, kurze Sätze mit dem Anwalt der Familie. Professor Michael Myers beherrschte das juristische Spiel perfekt und beriet die Malfoys seit vielen Jahren. Ihn umgab eine düstere Aura, die auf den Verfahrensgegner oft einschüchternd wirkte. Obwohl die Auroren seit Jahren seine Fälle regelmäßig aufarbeiteten, gab es nichts zu beanstanden. Nun ja, von den eigenartigen Zwischenfällen der gegnerischen Mandaten mal abgesehen. Professor Myers lächelte Harry ermutigend zu, dabei traten seine langen, schneeweißen Zähne zutage. Er trug im Gerichtsgebäude eine Sonnenbrille, die er auch in den Prozessen aufbehielt. Auffällig an ihm waren seine sehr blasse Haut und seine roten Lippen. Die Hexen auf dem Weg zum Verhandlungssaal sahen ihm gebannt nach.
Harry dachte sich nichts weiter dabei. Ihn beschäftigten andere Dinge, vor allem machte er sich Sorgen, dass er von zuhause weg müsste. „Harry, niemand kann uns trennen, wenn wir es nicht wollen. Sag´ dem Gamot einfach die Wahrheit. Erzähle ihnen davon, wie die Muggel mit Dir umgegangen, wie wir Freunde wurden und eine Familie.“, erklärte ihm sein Vater ruhig. Professor Myers nickte bestätigend und sagte dann: „Seit den Hexenprozessen von Salem habe ich keinen einzigen Prozess mehr verloren.“ Harry stutzte einen Moment. Mr. Eleven hatte die Zusammenhänge der Prozesse und die Folgen für das Magiegeheimhaltungsabkommen. Er wusste genau, dass die Verfahren 1692 geführt worden waren. Wie auch immer – er hatte keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen. Vielleicht gab es einen weiteren Hexenprozess in Salem. Lucius nahm ihn in den Arm und küßte ihn auf die Stirn, genauso wie wenn er abends ins Bett gebracht wurde. Sein Vater steckte ihm noch einen kleinen Glückspin mit dem Familienwappen der Malfoys an die Robe.
Der Gerichtssaal beeindruckte Harry nicht so sehr, denn Professor Myers hatte ihm genau erklärt, was passieren würde. Der Publikumsraum füllte sich nach und nach bis auf den letzten Platz. Neben Freunden der Familie wie den Crabbes, die neulich zum Bridgespielen gekommen waren oder Severus Snape, fanden sich unbekannte Hexen und Zauberer ein. Viele von ihnen begrüßten die Weasleys, die Harry an ihrer Ähnlichkeit mit diesem Ron erkannte. Offensichtlich waren die Weasleys arm, aber ziemlich beliebt. Harry interessierte sich nicht für sie. Niemals konnten diese dickliche Frau mit den roten Haaren und ihr merkwürdiger Mann seine neuen Eltern ersetzen. Vielleicht waren sie sogar gute Eltern, aber sie blieben nun mal Muggelfreunde. Er entdeckte eine ältere Hexe, die ihn an die Katze erinnerte, mit der er ein paar Tage gespielt hatte. Sie lächelte fein zu ihm hinüber.
Der Prozeß begann mit einer Reihe langweiliger Formalitäten. Die Weasleys vertrat eine sehr junge Anwältin, die hübsch war. Harry bemerkte, dass sie, nachdem sie Lucius angesehen hatte, plötzlich heftig errötete. Sein Vater schenkte ihr einen intensiven Blick, der scheinbar bis unter ihre Haut ging. „Hohes Gericht. Verehrte Kollegin. Die Familie Malfoy beantragt, dass Harry zunächst auf die Anwendung unerlaubter Magie oder willensverändernder Tränke untersucht wird, damit seine Aussagen später nicht in Zweifel gezogen werden können.“, beantragte der Juraprofessor zunächst. Die Gegenseite stimmte überrascht zu, denn genau diesen Antrag hatte man auch stellen wollen. Die Auroren fanden keine Hinweise auf derartige Methoden. So konnte Harry nun seine Sicht der Dinge darstellen. Er sah dem Richter, einem agilen Mittvierziger, fest in die Augen, genauso hatte er es mit Professor Myers und Severus einige Male geübt. Die Erziehungsmethoden der Dursleys schockierten Publikum und Kammer gleichermaßen. Harry erzählte begeistert, wie Lucius ihn immer wieder besucht und beschenkt hatte. Trotzdem wagte die Anwältin einen Vorstoß: „Mr. Malfoy, wenn Sie bereits seit 1985 über die unglücklichen Lebensumstände von Harry informiert waren, warum holten sie ihn erst jetzt 6 Jahre später zu sich.“
Die Stimme von Lucius unterstrich scheinbar sein Bedauern: „Miss Grisham, dem Gamot und Ihnen liegen die diversen Unterlagen vor, in denen meine Gattin und ich immer wieder darauf drängten Harry aufnehmen zu können. Leider lehnte die Aurorenzentrale unter Mr. Moody dies immer wieder mit Hinweis auf den sogenannten Blutschutz im Ligusterweg ab. Gerne hätte ich meinen Sohn schon viel früher zu mir geholt. Letztlich hielt ich es nicht mehr aus und entschied mich ohne Zustimmung des Ministeriums zu handeln. Die Gründe kann Ihnen Harry sicher ausführlich darlegen. Harry, erzählst Du dem Gericht, was Dein Onkel mit Dir im Badezimmer oder im Schrank unter der Treppe, in dem Du leben musstest, tat.“ Davor hatte Harry ziemlich viel Angst gehabt, aber jetzt unterstützte ihn Professor Myers. „Wir beantragen zu diesem Teil der Aussage die Öffentlichkeit mit Rücksicht auf das Kind aus zu schließen. Der junge Mr. Potter ist durch das Verfahren bereits belastet genug.“ Das Gamot stimmte zu und hörte sich Harrys Schilderungen angewidert an.
Molly Weasley standen die Tränen in den Augen. Der arme Junge hatte bereits jetzt so viel erdulden müssen. Auf einmal war sie sich nicht mehr sicher, ob sie Harry tatsächlich in die Familie aufnehmen sollten. Er schien bei den Malfoys glücklich zu sein. Immer wieder unterbrach sich Harry selbst, um einen Schluck Wasser zu trinken. Das Gamot und die Anwälte stellten nur wenige Zwischenfragen. Im Anschluss an Harrys Part fragte Professor Myers: „Meine Mandaten sind damals zu der Überzeugung gekommen, dass es kein Schutz war, den Harry erfuhr sondern abscheuliche Verbrechen. Sie handelte sicher ungewöhnlich, jedoch keineswegs illegal. Harry, erzähle dem Gamot bitte genau wie Du bei den Malfoys lebst, wie Du mit Draco auskommst und ob Du Deine Familie verlassen möchtest. Die Familie Weasley möchte Dich bei sich aufnehmen, weil sie enge Freunde von James Potter waren.“
Mit leuchtenden Augen berichtete Harry von dem Besuch in der Winkelgasse, im Zoo und von den gemeinsamen Wochenende. Er erwähnte das Quiddittchtraining mit Draco und von den geplanten Ferien in Italien. Arthur merkte, wie schlecht die ganze Sache lief und schaltete sich ein: „Harry, Du hast jeden Tag sehr viel Unterricht. Macht es Dir Spaß den Tag nur lernen und fast keine Zeit für Deine Hobbies zu haben?“ Harry Antwort erzeugte sehr kleines Lächeln auf Severus Gesicht, man die Öffentlichkeit nun wieder hinzugezogen: „Der Unterricht ist beinahe wie ein Hobby. Am liebsten mag ich Zaubertränke. Mum und Dad haben Draco und mir jeweils einen Experimentierkasten geschenkt, damit spielen wir sehr oft.“ Plötzlich sagte er sehr ernst: „Ich möchte auf jeden Fall in meiner Familie, bei Draco, Lucius und Narzissa bleiben. Sie sind gut zu mir.“
Mrs. Weasley rutschte immer unsicherer auf ihrem Platz hin und her. Der Junge hatte schreckliches erlebt und schien es bei den Malfoys gutzuhaben. Seine Schilderungen entsprachen in jeder Hinsicht Minervas Beobachtungen, über die man detailliert ausgetauscht hatte. Molly flüsterte ihrem Mann etwas ins Ohr und er nickte leicht. Dann sprach er sehr leise mit der Anwältin. „Meine Mandanten ziehen den Antrag auf das Sorgerecht für Harry James Potter zurück. Sie zweifeln die Rechtmäßigkeit der Adoption nicht länger an.“ Professor Myers zog einen weiteren Antrag aus seiner Aktentasche: „Im Auftrag von Mr. Potter beantragen wir die Herausgabe des Schlüssel für das Gringotts Hochsicherheitsverlies von James und Lily Potter, sowie ihres sämtlichen Besitzes. Bis Mr. Potter volljährig ist, verwalten seine Adoptiveltern sein Erbe treuhänderisch unter Aufsicht des Ministeriums. Mit Erreichen der Volljährigkeit wird ihm sein Erbe ausgehändigt werden.“
Das Gamot stimmte in allem Punkten zu und erklärte die Adoption für ungewöhnlich aber rechtmäßig. Außerdem wünschte der Richter Harry von Herzen alles Gute.