Etwas verhalten saßen sie sich gegenüber. Blutsverräter, ging es Harry durch den Kopf. Dabei wirkte dieser Ron wirklich nett, netter als Gregory oder Vincent. Er schwieg lieber erst mal, aber Ron begann ein zunächst eher einsilbiges Gespräch: „Meine Mum hat gesagt, Du hättest bei uns wohnen können. Warum wohnst Du jetzt bei den Malfoys?“ Bei Merlin, war der Junge neugierig oder indiskret wie Narzissa gesagt hätte, dachte Harry ein bisschen überrascht. „Sie haben mich adoptiert. Ich bin ein echter Malfoy und meine Name steht im Familienstammbaum.“ Diese bedeutsame Tatsache schien Ron nur wenig zu beeindrucken. „Dann heißt Du jetzt Malfoy?“, fragte er etwas lahm. „Nein, Potter. Ich wollte gerne den Namen behalten, den ich schon immer hatte.“ Das stimmte nicht so ganz, ging aber diesen Jungen nichts an.
„Was hast Du für ein Haustier?“, fragte Ron weiter. „Eine Eule, die teile ich mir mit meinem Bruder. Sie ist in ihrem Käfig bei meinem restlichen Gepäck. Was für ein Haustier hast Du?“. Ronald zeigte eine fette, ältere Ratte, die unangenehm aussah. „Ich kann sie gelb färben.“, erklärte er selbstbewusst. Harry hatte mittlerweile richtig Hunger, weil er ja nicht gefrühstückt hatte. Aber er war gespannt auf den Zauber, den der andere wirken wollte. „Los mach. Einen Färbezauber kenne ich noch nicht.“ In diesem Moment ging die Tür des Abteils auf und Draco kam herein. „Hier steckst Du also.“, sagte er fröhlich. „Hi Draco, das ist Ron. Ron, das ist mein Bruder Draco.“, stellte sie Harry weltmännisch vor. „Hallo Ron,“ sagte Draco im unnachahmlich kühlen Tonfall seiner Familie. Die beiden beäugten sich misstrauisch und blieben auf Distanz. Zum Glück hatte Draco seine Freunde zurückgelassen. Er setzte sich neben Harry und erzählte einen Witz, den er von Greg hatte. Greg, so nannte sich Gregory jetzt, weil es cooler klang, ging Harry wirklich auf die Nerven. Hoffentlich kam der nicht nach Slytherin.
Ron versuchte die Ratte zu verzaubern. Sie fiepte während des Zaubers übellaunig, veränderte sich jedoch nicht. Draco grinste schadenfroh, hielt sich ansonsten jedoch vornehm zurück. Ron lief knallrot an und stammelte Unverständliches. Sie sprachen dann doch über Quidditch und vor allem die Chudley Cannons. Ron freute sich, dass er einen weiteren Fan seiner Lieblingsmannschaft gefunden und war die Sache mit der Ratte schnell vergessen.
Allerdings nahm Harry sich vor, herauszufinden, wie man die Farbe eines Tieres verändern konnte. Der Zauber musste eigentlich ziemlich einfach sein. Schließlich hatten sie erst vor ein paar Tage gelernt eine Taschenuhr in eine Maus zu verwandeln. Er hörte dem angeregten Gespräch über die Cannons etwas gelangweilt zu, weil er nun mal kein Fan der Mannschaft war. Quidditch allgemein interessierte ihn natürlich. Schließlich zog Draco wieder ab zu den anderen. Ron packte seinen Proviant aus, worauf Harrys Magen vernehmlich knurrte. Er ärgerte sich ein bisschen, weil er nicht gefrühstückt hatte. Ron wunderte sich, dass dieser elegante und sehr schick gekleidete Junge nichts aß, obwohl er wohl Hunger hatte.
Eine ältere Hexe mit einem Snackwagen betrat das Abteil. Endlich hatte Harry die Gelegenheit sich etwas zu besorgen. Ratlos schaute er das große Angebot von Süßigkeiten an und sagte dann sehr entschlossen: „Einmal alles bitte.“ Er gab der Kioskhexe, die verzückt lächelte, die fünf Galeonen und sagte sich, dass er mit Draco teilen könne. Narzissa würde diese Menge Süßigkeiten vermutlich nicht gutheißen, aber sie merkte es gar nicht. Ron starrte ein wenig neidisch auf den Sitz voller Schokofrösche, Berti Botts Bohnen, Kürbispasteten und kaute lustlos auf dem ausgepackten Wurstbrot herum. Er tat Harry ein bisschen leid. Offensichtlich waren die Weasleys arm. Lucius hatte so etwas beiläufig erwähnt. Man solle nicht mehr Kinder haben, als man leisten könne, sagte er in Hinblick auf die Weasleys. Harry bot Ron an sich zu bedienen und wenig später mampften die beiden Jungen fröhlich Schokofrösche. Ron sammelte die Karten genau wie Blaise. Draco hatte nur ein paar wenige Karten. Sie waren ihm nicht so wichtig. Großzügig überließ Harry Ron seine Schokofroschkarten.
Ron las eine Quidditchzeitschrift und der Zug rollte weiter. Daher nutzte Harry die Ruhe und begann in seinem Buch zu blättern. Das aktuelle Kapitel handelte von der veränderten Wirkungsweise von Toxinen durch den Einsatz von Fledermausohren. Der Text war zwar sehr anschaulich formuliert, aber trotzdem machten ihn viele unbekannte Begriffe zu schaffen. Er notierte sich immer wieder unklare Sätze, wie es ihm Mr. Eleven beigebracht hatte um diese später zu klären. Dabei bemerkte er gar nicht, dass ein junges Mädchen mit buschigen Augenbrauen und Wuschellocken das Abteil betreten hatte. Sie blickte interessiert auf das Buch und stieß einen kleinen Entzückensschrei aus. „Du hast das Kompendium…“ quietschte sie mit glänzenden Augen. Harry fiel das Buch vor Schreck hinunter.