Du bist Arthrax Sundergeer.
„Wir suchen uns jetzt einen verdammten Heiler, damit du Ruhe gibst!“, schnaufst du.
Elred nickt zufrieden, aber einen spitzen Kommentar kann er sich dann doch nicht verkneifen: „Ich hätte dich ja auch nicht aus der Stadt getragen!“
Du rollst mit den Augen und humpelst los. Obwohl du es nicht zugeben willst, tut dein Bein verdammt weh. Der Druckverband, den Elred angelegt hat, ist eine Sache, doch dein Bein fühlt sich heiß an und kribbelt immer stärker. Du fühlst die Schmerzen mit jedem Schritt schlimmer werden. Das Gift verteilt sich. So gesehen hatte Elred recht damit, dich vom Weiterlaufen abzuhalten.
„Ich glaube, in den Ruinen leben nur die Wissenden“, meint der Elf leise. „Wir müssen zurück in die Unterstadt.“
Keine leichte Aufgabe. Während ihr durch den Kanal kriecht, fühlt sich dein Bein an, als füllte es sich mit Blut, nachdem es eingeschlafen war. Jede noch so kleine Berührung jagt tausende Nadelstiche durch deine Nervenbahnen. Und du watest knietief durch Wasser, das wie eine riesige Hand ist. Mit zusammengebissenen Zähnen fällst du hinter Elred zurück. Der Elf stürmt voraus und ist schon nach draußen geklettert, als du kaum die halbe Strecke überwunden hast. Tapfer kämpfst du dich vorwärts und kannst Elred hören, der oben gegen Türen hämmert und „Wir brauchen einen Arzt!“ brüllt.
Nachdem du dich vor Schmerzen knurrend auf die Straße gekämpft hast, hat Elred erfahren, wo der nächste Heiler ist. Er packt deinen Arm und zerrt dich hinter sich her. Dein Bein ist inzwischen geschwollen, du fühlst, wie die Haut über dem Fleisch spannt. Während die Wade noch extrem schmerzempfindlich ist, kannst du den Fuß unterhalb vom Knöchel nicht mehr spüren. Elred muss sich deinen Arm über die Schulter legen und dich halb tragen.
Endlich erreicht ihr das Ziel des Elfen. Er lässt dich los und du taumelst gegen die Tür. Der Rand deines Gesichtsfeldes wird von grauen Punkten eingenommen. Langsam fühlst du die Auswirkungen des Giftes auch im Oberschenkel über dem Druckverband.
Elred hämmert gegen die Tür, bis ein Wissenssammler aufmacht.
„Wir brauchen Hilfe, schnell!“
Überrumpelt stolpert der Mediziner zurück und lässt euch ein. Elred schleppt dich in die Hütte und wuchtet dich auf einen Tisch, der in der Mitte eines kleinen Wohnraums steht. Du hörst, wie Becher auf den Boden fallen, die Elred vom Tisch gefegt hat.
Der Heiler sieht Elred an. „Was fehlt ihm?“
Elred zerrt deine Verkleidung herunter und dann die Hose, sodass dein Bein freiliegt.
Der Arzt weicht zurück. „Wer … wer seid ihr?“
Mit einer fließenden Bewegung hat Elred sein Messer gezogen und hält es dem Mann an den Hals. „Dein schlimmster Alptraum, du Arschloch. Aber wenn du ihn rettest, wachst du vielleicht wieder auf!“
Die Augen des Mannes weiten sich. „Kalynorer!“
Durch den Nebel, der sich über deine Sinne legt, hörst du noch, wie der Heiler hörbar schluckt. Dann sinkst du hinab in eine nebelgraue See.
°°°
Als du wieder zu dir kommst, brennt dein Bein wie Feuer. Aber es ist ein erträglicheres Feuer als der Schmerz davor.
Dein erster Gedanke gilt Brenna. Wenn sie doch hier wäre! Schmerz und Angst treiben dir Tränen in die Augen. Du wagst es nicht, sie zu öffnen. Was, wenn dein Bein weg ist? Oder wenn es furchtbar aussieht, wie bei dem einen Mal, als du es dir gebrochen hattest und man den Knochen sehen konnte? Du wimmerst bei der Erinnerung unwillkürlich.
„Arthrax! Du bist wach!“
Du schlägst die Augen auf und schluckt die aufkeimende Panik schnell herunter. Hoffentlich schimmern deine Augen nicht verdächtig!
Elred kommt in den Raum gelaufen. Du liegst auf dem Tisch im Hauptraum, wo du bewusstlos geworden bist. Elred kommt vermutlich aus dem Schlafzimmer, denn er hat zerzaustes Haar und verquollene Augen.
„Geht es dir gut?“
„Ja!“, brummst du unfreundlich und setzt dich auf. Deine Hose ist über dem verletzten Bein abgeschnitten worden und das Bein in blutige Verbände gewickelt. Die Schwellung ist abgeklungen. Aber immerhin ist es noch da.
„Können wir gehen?“, fragst du.
„Wenn du dich stark genug fühlst, gerne. Ich würde nur noch auf den Heiler warten. Er ist gegangen, um irgendeine Salbe zu holen, die wir noch auftragen müssen. Ein paar frische Verbände können wir ihm vielleicht auch abkaufen.“
Du wirfst einen Blick auf den Himmel. Ihr solltet bald aufbrechen, dem Licht nach naht der Abend. Den Plan musst du verwerfen. Als du die Füße vom Tisch schwingst, zucken neue Schmerzen durch dein Bein. Du ballst die Hände zu Fäusten und bekämpfst den Schmerz genauso wie die Angst. Wenn Brenna nur hier wäre! Sie weiß immer, was zu tun ist.
„Langsam!“, sagt Elred und hilft dir, einige Schritte durch die Hütte zu machen. Dein Bein ist steif und du fragst dich besorgt, ob du jemals wieder richtig laufen können wirst.
Plötzlich hört ihr Schritte. Es sind erstaunlich viele Schritte. Elred wirft dir einen Blick zu und springt zu seinem Bogen, der mitsamt eurer letzten drei Pfeile auf einer Bank an der Wand liegt. Du suchst nach deiner Axt, als die Tür auch schon aufgestoßen wird. Bewaffnete Wissende strömen herein.
„Sie sind hier!“, brüllt einer und die Bewaffneten stürmen auf euch zu. Du wirfst dich vom Tisch, um den ersten Speerstößen zu entgehen. Dann nageln dich mehrere Waffen auf dem Boden fest. Du schreist auf, als die Spitzen sich durch deinen Rücken bohren. Eine kratzt über dein Schulterblatt und rutscht in den Oberarm ab. Eine andere trifft den unteren Teil deiner Wirbelsäule.
Elred schreit. Du kannst nicht sehen, was mit ihm passiert. Dann spürst du einen Aufschlag im Nacken. Einen Moment spürst du noch, wie die Welt sich dreht, als dein Kopf rollt, dann erlischt deine Wahrnehmung.
So erfährst du nicht mehr, dass die Wissenden bei Elreds Leichnam euren Briefwechsel mit Brenna, Allyster und Aji finden und eurer Mission ein endgültiges Ende setzen.
Dies ist kein Canon-Ende, deswegen gibt es hierzu keine Fortsetzung.
Um das richtige Ende zu erhalten, musst du beschließen, dich später um das Gift zu kümmern.
Vielen Dank für's Lesen und viel Spaß beim Weiterspielen!