Du bist Elred Aramys Nuvian.
Du wendest den Blick entsetzt von dem Massaker ab. Die Schreie kannst du nicht ausblenden. Dafür siehst du, wie Arthrax nach seiner Axt greift.
„Nein!“ Du springst vor und hältst seine Hand fest, ehe er die Waffe ziehen kann.
Der Mensch sieht dich mit wildem Blick an. „Was soll das? Lass mich los!“
„Wir dürfen nicht auffallen!“, flüsterst du eindringlich und wirfst einen Blick zu den Wesen in eurer Umgebung.
Zum Glück scheinen die Passanten euren Disput nicht zu bemerken. Du ziehst Arthrax mit aller Gewalt in eine Seitengasse, sodass euch auch niemand mehr sehen kann.
„Was tust du?“, faucht der Krieger. „Wir müssen ihnen helfen.“
„Was denkst du, was hier los ist, wenn sie merken, dass wir Fremdländer sind. Kalynorer, von allen!“ Du schreist Arthrax jetzt an. „Wir wären tot, bevor du auch nur ‚Aufhören‘ sagen könntest, geschweige denn, einem dieser Leute wirklich helfen!“
Arthrax will sich losreißen, du hältst ihn fest. „Ich will deiner Schwester nicht erzählen müssen, dass ich dich sterben gelassen habe!“
Arthrax erstarrt fast augenblicklich. Es ist nicht nett, Brenna als Argument zu benutzen, doch etwas anderes fällt dir nicht ein. Zum Glück hast du Erfolg. Arthrax lässt den Griff seiner Kriegsaxt los und schnaubt. Dann fährt er sich über den dünnen Streifen verfilzter Strähnen auf seinem Kopf. „Wir … können doch nicht einfach zusehen!“
„Wir müssen. Es tut mir leid“, sagst du und meinst es ernst. Das Schreien der Verschleppten und das Weinen ihrer Angehörigen geht auch dir durch Mark und Bein.
Sanft ziehst du Arthrax mit dir, tiefer in die Gasse hinein. Er folgt dir und glücklicherweise konnte ihr den Lärm bald hinter euch lassen.
„Was … ich meine, warum tun sie das?“, stammelt Arthrax nach einer Weile. „Was ist diese Säuberung? Was … was passiert mit den Leuten?“
Du seufzt. „Arthrax, ich weiß es nicht. Es muss irgendetwas religiöses sein, so habe ich es verstanden. Die ersten Rufe klangen ja noch verzückt, und das hat auch weiterhin angehalten. Nur für die, die betroffen sind, ist es etwas schlimmes.“
„Ach.“ Der Mensch schnaubt. „Elred, ich will wissen, was sie mit den Leuten anstellen. Wo bringen sie sie hin?“
Du atmest tief durch. „Ich vermute, dass sie sie töten.“
„Was?!“
Du drehst dich zu dem Mensch um. „Komm, als ob du nicht schon Dasselbe gedacht hast! Sie wählen sie nach irgendwelchen Kriterien aus und opfern sie vermutlich einem Gott.“
„Wieso … wieso haben wir es nicht aufgehalten?“, stammelt Arthrax fassungslos.
„Weil wir zwei Personen sind.“ Aufgebracht hältst du Arthrax zwei Finger vor das Gesicht, um es ihm zu verdeutlichen. „Wir können uns nicht mit einer ganzen Zivilisation anlegen, dazu sind wir nicht stark genug!“
Arthrax sieht dich mit leerem Blick an. „Wieso tut niemand sonst etwas dagegen? Warum lassen sie es alle zu?“
„Ich denke mal, dass sie den Zorn ihrer Götter fürchten oder was weiß ich.“
Du erstarrst unvermittelt. Noch während du geredet hast, haben sich deine Nackenhaare aufgestellt.
Etwas stimmt nicht.
Du sieht Arthrax an, der eben Luft holt, um etwas zu erwidern. „Sch!“
Er versteht sofort, dass etwas nicht stimmt. Du bist froh, dass er umstandslos verstummt, denn so kannst du lauschen. Du hörst Schritte und eine Stimme. „Sie haben ‚Kalynorer‘ gesagt, ich schwöre!“
„Verflucht, wir wurden entdeckt!“
Arthrax nickt. Er hat es ebenfalls gehört. Kein gutes Zeichen, die Verfolger sind schon nah. Ohne noch ein weiteres Wort wechseln zu müssen, seid ihr auf der Flucht durch die vielen schmalen Gassen. Arthrax zückt im Laufen die Axt. Du suchst fieberhaft nach einem Ausweg. Die Straßen hier sind eng und verwinkelt, die Chance, in eine Sackgasse zu rennen, ist dummerweise sehr hoch.
Arthrax macht sich offenbar bereit, gegen die Verfolger zu kämpfen. So weit darfst du es dann auch nicht kommen lassen – da bemerkst du eine Klappe nah am Boden.
„Arthrax, schnell!“
Du packst Arthrax am Oberarm und willst ihn mit dir ziehen, aber er bleibt stehen. Verwirrt sieht der Krieger dich an. „Was hast du vor?“
„Die Klappe!“ Du deutest auf die unauffällige Luke im Boden, die aus Metall besteht und euch hoffentlich in einen Keller führt.
Der Mensch nickt, steckt die Axt weg und folgt dir. Gemeinsam könnt ihr die Platte anheben, die deutlich schwerer und dicker ist, als es zuerst den Anschein hatte.
Ein schmaler, dunkler Schacht führt in die Tiefe, es gibt lediglich eine Leiter mit schmalen Metallsprossen. Arthrax springt als erster in das Loch und klettert in die Dunkelheit. Plötzlich hält er an und stöhnt.
„Was ist?“, fragst du gereizt, denn er muss dir erst Platz machen, ehe du folgen kannst.
Wortlos klettert er tiefer, du springst hinterher und zieht dabei an der Klappe, die sofort zufällt. Knapp entgehst du dem Schicksal, dass dir die gewaltige Metallplatte den Schädel einschlägt. Der metallische Schlag dröhnt wie eine Glocke. Arthrax knurrt dumpf, weil du ihm in deiner Hast ins Gesicht getreten hast.
Dann haltet ihr beide den Atem an, denn über euch ertönen Schritte und Rufe. Die Verfolger haben die kleine Kreuzung erreicht.
Du lehnt den Kopf gegen eine der rostigen Sprossen und lauscht, doch die Suchenden scheinen die Klappe nicht zu bemerken oder nicht davon auszugehen, dass jemand sich hier verstecken könnte.
Warum, das wird dir wenig später klar, als dir ein überwältigender Gestank in die Nase steigt: Ein Geruch von Kot, Urin und vergammeltem Essen. Du musst würgen.
„Sind sie weg?“, erklingt Arthrax‘ Stimme.
„Ja“, gibst du mit gepresster Stimme zurück.
„Dann nichts wie raus hier!“
Du drückst dich mit deinem ganzen Gewicht gegen den Kanaldeckel. Der Gestank nimmt dir den Atem und immer wieder überkommt dich eine Welle der Übelkeit, unter der du zitternd dem Brechreiz widerstehst.
Der Deckel rührt sich kein Stück.
„Ich bin zu schwach“, gibt du schließlich widerwillig zu. Arthrax ist deine letzte Hoffnung, diesem Höllenloch lebendig zu entkommen.
Umständlich tauscht ihr eure Position, indem ihr euch nebeneinander vorbeiquetscht. Du musst dabei intensiv mit der schleimigen Wand kuscheln. Mit einem stummen Seufzer schließt du die Augen und wartest, während Arthrax ächzt.
„Komm mal rauf“, sagt der Mensch schließlich.
„Öffnet sie sich immer noch nicht?“, fragst du entsetzt und klettert neben ihn.
Es ist fast zu eng, um zu atmen. Gemeinsam stemmt ihr euch gegen den Kanaldeckel.
„Verflixt!“, stöhnst du schließlich. „Da muss irgendwas eingerastet sein!“
„Deswegen haben sie vermutlich nicht nachgeguckt, ob wir hier sind“, erkennt Arthrax in einem seiner helleren Momente. „Die Deckel sind üblicherweise verschlossen. Wir hatten Glück, dass dieser offen war.“
„Glück?“, fragst du zweifelnd. „Wir werden hier drin verhungern!“
„Nein, nein. Unten gibt es Gänge.“ Arthrax klettert in die Tiefe. „Komm – suchen wir einen anderen Ausweg!“
„Was?“ Entsetzt starrst du auf die Brühe, die du im schummrigen Licht erkennen kannst. Nur wenige Sonnenstrahlen dringen durch kleine Löcher im Deckel. Der Boden der vielen Kanäle ist bedeckt mit schleimiger, dickflüssiger Masse. Und da sollst du durchwaten?
„Kommst du, Prinzessin?“, spottet Arthrax gutmütig. „Ich seh da hinten ein Licht, es ist bestimmt nicht weit.“
Schicksalsergeben kletterst auch du nach unten. Immer wieder schütteln dich Anfälle von Würgereiz – wieso wirkt Arthrax nur so locker? Hat er etwa keinen Geruchssinn?
Schließlich steht ihr in niedrigen, runden Steingängen, in denen ihr euch ducken müsst. Ihr steht fast knietief in irgendeinem Zeug, das du am liebsten komplett aus deiner Wahrnehmung löschen würdest, doch da die zahlreichen Ratten munter hindurch schwimmen, und du ihnen ausweichen willst, musst du dich notgedrungen darauf konzentrieren.
Von der Decke hängen Fäden irgendwelcher Algen.
Der Zufall entscheidet über den Fortgang der Geschichte!
Nimm einen Würfel oder wähle eine Zahl zwischen 1 und 6.
- Hast du eine gerade Zahl? Lies weiter bei Kapitel 8.
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- Hast du eine ungerade Zahl? Lies weiter bei Kapitel 9.