Es war perfekt. Jeder Anschlag, jede Verzögerung.
Die Tasten verneigten sich vor seinen Berührungen und applaudierten ihm mit ihrem Klang.
Er spielte sich die Finger wund für ihren Jubel, jagte die Noten über die Klaviatur und sorgte dafür, dass jede einzelne ihren Auftritt genoss. Sie glänzten in seinem künstlerischen Terrorregime, biederten sich ihm in ihrer Perfektion an. Er konnte alles von ihnen verlangen. Und sie tanzten alle in seinem Rhythmus.
Das war der Sieg. Er wusste es.
Niemand beherrschte die Musik so wie er. Keiner der vorangegangen Kandidaten hatte sie gleichermaßen gezähmt und zur Weißglut getrieben, ihr ruhig zugesprochen und sie aus voller Kehle angeschrien. Nur er und seine Komposition, sein Talent und sein Fleiß waren dazu im Stande.
Seit neun Jahren lebte er in Symbiose mit den Notenlinien und turnte nach Belieben auf ihnen herum. Er war ein Seiltänzer, ein Akrobat, den nichts und niemand in die Tiefe reißen konnte. Vollkommen gleich, wie stark der Wind ihm in den vergangenen fünfzehn Wintern zugesetzt hatte, er hatte nie das Gleichgewicht verloren. Er war auch ohne Eltern an der Schnur emporgeklettert und den Sternen so nah gekommen, wie es ihm niemand zugetraut hatte. Und bald würde er mit ihnen strahlen, am Himmel der Profipianisten.
Daran glaubte er, als er sich unter stehenden Ovationen vom Flügel erhob, sich verbeugte und die Bühne verließ. Ohne den kleinen Strohkopf zu beachten, der den Wettbewerb mit seinem Stück beenden würde.
Wozu auch?
Ein zwölfjähriger Träumer konnte ihm nicht das Wasser reichen. Im Gegenteil, dieser Zwerg sah zu ihm auf. Das faszinierte Funkeln in seinen Augen haftete an seinen magischen Händen. Er spürte seine Bewunderung am ganzen Körper, während er sich in der ersten Sitzreihe vor der Bühne niederließ. Aber es bedeutete ihm nichts. Dieses Kind kam aus wohlsituierten Verhältnissen und hatte keine Vorstellung davon, wie es sich auf achtzehn Quadratmetern lebte. Für ihn bestand nicht die Notwendigkeit, sich einen Lichtpunkt am Firmament zu erkämpfen. Und aus diesem Grund war er auch nicht in der Lage dazu.
Ganz im Gegensatz zu ihm. Er war nur Laienstück vom Zenit seiner bisherigen Karriere entfernt. Noch nie zuvor hatte ein Außenseiter diesen Kontest gewonnen. Er würde der Erste sein. Der Beste. Und die letzte Vorstellung an diesem Abend konnte bloß ein müder Nachklang seiner Genialität werden.
Davon war er fest überzeugt.
Bis der Junge zu spielen begann.