Laura hatte es satt.
Seit drei Tagen terrorisierte Elli sie mit Nachrichten, ließ kaum eine Minute verstreichen, ohne ihr auf die Ketten zu gehen. Monologe, mit denen man eine Flugzeugstartbahn betonieren könnte, reumütiges Gewimmer, wie leid ihr alles tat. Ja, das hatte Laura inzwischen auch begriffen. Aber das machte ihren Kuss mit Robin nicht rückgängig.
Sie hatten sich so nahe gestanden, Elli und sie. Hatten sich bereits im Kindergarten gegenseitig die Sandkastenschippe über die Rüben gezimmert, die Reiskörner zum Mittagessen vom selben Teller gekratzt und sich nachmittags denselben schmerzhaften Sonnenbrand geholt. Weil sie gemeinsam die Zeit vergessen hatten, die anderen Kinder und die Sorgen. Auch später war alles gut gewesen zwischen ihnen, beim Spicken während der Klassenarbeit oder beim Sportfest - bis Robin in ihre Klasse gewechselt war.
Laura hatte es beim ersten Blickkontakt gespürt. Dass sie mit ihm sprechen wollte, ihn kennenlernen wollte. Von seinen Lippen kosten wollte. Und wie so oft hatte Elli diese Passion mit ihr geteilt.
Anfangs dachte Laura, sie wolle sie nur ein wenig aufziehen. Ihr mit Provokation zum großen Glück verhelfen.
Aber ihre Reizfreude hatte überhand genommen.
Plötzlich waren sie und Robin zusammen nach Hause gegangen. Hatten sich am Morgen mit einer Umarmung begrüßt, nicht mit Handschlag. Hörten auf einmal dieselbe Musik, sahen dieselben Filme.
Zu zweit. Bei Robin zuhause.
Laura hatte es nicht wahrhaben wollen, glaubte nicht, dass ein Junge ihre Freundschaft in seinen wundervollen, weichen Händen zerbröseln lassen könnte. Doch nach diesem intimen Moment zwischen ihnen war es nicht mehr zu leugnen gewesen.
Und nun konnte Laura nicht mehr mit Elli befreundet sein.
Sie ignorierte das permanente Brummen ihres Smartphones. Wollte Ellis Entschuldigungen nicht lesen, ihre Voicemail-Beteuerungen nicht hören. Sie wollte sie nicht mehr sehen, ihr penetrantes Parfüm nicht mehr wahrnehmen.
Aber das war mittlerweile bestimmt dem Geruch von Schweiß gewichen.
Noch einmal piepte Lauras Handy, und sie musterte lustlos die Benachrichtigung auf dem Display, ehe sie den Power-Button gedrückt hielt und sich wieder ihrer Telenovela widmete. Elli wollte sich nicht ehrlich mit ihr versöhnen, nur vor ihrem schlechten Gewissen zu Kreuze kriechen. In Wirklichkeit dachte sie doch die ganze Zeit nur an Robin. Bestimmt wünschte sie sich, in diesem Augenblick bei ihm zu sein, anstatt Laura ohne Pause zuzutexten.
Um sich zu entschuldigen.
Um zu betteln.
Um zu flehen.
Aber Laura hatte dafür nur taube Ohren. Sollte sie doch mit ihren Schuldgefühlen leben. Jedenfalls so lange, bis ihr im Keller das Wasser ausging.