Titel-Challenge
- Fliegen ohne Flügel -
Langsam gehe ich näher an die Kante heran, blicke über die Klippen hinab ins rauschende Meer. Eiskalter Wind spielt mit meinem Haar und das Salz in der Luft schlägt mir gegen das Gesicht. Ich spüre die Tropfen des Wassers, wie sie sich auf meine Kleidung setzen und sie durchnässt, selbst wenn ich wenig davon spüre. Ich höre das tosende Meer unter mir, beinahe schlagen die Wellen so hoch auf, dass sie zu mir gelangen. Als würde das Wasser mich rufen. Ich kann ihn spüren, den Drang, der mich flutet und wie ein Wasserfall durch meine Adern rauscht. Ich kenne das Gefühl so sehr, doch noch nie war es so stark wie jetzt.
Das Meer will mich haben, es zerrt an jeder noch so kleinen Zelle und stürme mich mit seiner ungebändigten Kraft. Ich kann es nicht kontrollieren, diese Sehnsucht. Das konnte ich noch nie, aber diesmal ist es anders. Diesmal ist es stärker, reißt kräftiger an mir. Und gleichzeitig strahlt es eine tiefe Ruhe aus.
Ich atme tief die kühle Luft ein, doch sie war mir schon lange ein Graus. Sie hat einen eigentümlichen Geruch, den ich nicht ausstehen kann. Schon lange nicht mehr. Ich bin ihr überdrüssig geworden.
Ich spüre diese Kraft des Meeres in mir und ich kann in den Klängen des Wassers den Ruf meiner Sehnsucht erkennen. Ich höre ihn und er hallt laut und deutlich in meinen Ohren wider. Das ist keine Einbildung, da bin ich mir sicher. Die Wellen rufen mich zu sich. Sie wollen mich haben und ich bin bereit mich ihnen hinzugeben. Voll und ganz.
Ich schließe meine Augen nicht, als ich über die Kante gehe. Ich will es sehen, das Meer, das mich mit sich nimmt. Ich will es voll und ganz zu mir machen.
Hart schlage ich auf der Oberfläche des Wassers auf und ein matter Schmerz durchzuckt mich. Es ist kalt, so kalt, doch mir wird augenblicklich warm. Ich kann nicht atmen, doch das Wasser ist mir Luft genug. Nur kurz sehe ich mein geliebte Meer vor mir, bevor sich langsam eine tiefe Schwärze in mir breitmacht. Ich streckte meine Arme aus und dann schwebe ich.
Und es fühlt sich an, als würde ich fliegen.