Mi-na4:
Beim Tierarzt angekommen kämpfe ich mit fiesem Seitenstechen. Vermutlich bin ich das letzte Mal so viel beim Königlich Bayrischen Jagdausflug gerannt. Aber der Sprint hat sich gelohnt. Die Praxistür öffnet sich genau vor meiner Nase. Luna Lichtenstein kommt heraus, Susi angeleint neben ihr.
Meine Susi!
Mein Herz macht vor Freude einen Satz. Sofort bin ich neben ihr, reibe meine Nase zur Begrüßung an ihrer. Luna diskutiert noch mit Doktor Tauber. Dann betrachtet sie uns kritisch von oben, lächelt aber bei unserem wilden Wedeln und meinen unartikulierten Freudenlauten.
"So ihr Zwei, genug geflirtet", meint sie gutmütig und führt Susi langsam Richtung Straße.
Jetzt erst bemerke ich den Gips an Susis linkem Bein.
"Der Arzt ist ein Idiot", bemerkt sie trocken. Ich bin verblüfft, eigentlich ist das gar nicht ihre Art.
"Erst gipst er mir das falsche Bein ein und muss alles wieder runterreißen. Dann verschüttet er seinen Schnaps auf der Ablage, bleibt mit dem Kittel hängen, fällt fast über den Tisch und zerreißt sich anschließend den Ärmel."
Ich gehe entspannt an ihrer Seite, begleite sie ein Stück.
Susi drückt sich warm an meine Flanke. "Eigentlich wollte ich vorhin nur schnell zu dir, als mich die Briefträgerin mit dem Auto erwischt hat. Du wirst nicht glauben, was ich erlebt habe."
Inzwischen sind wir in der Gasse zur Hauptstraße angelangt. Die Zahl der toten Schnecken hat sich hier noch einmal verdoppeln.
"Ich war nämlich auf dem Bauernhof. Dort schlichen zwei seltsame Gestalten herum."
Ich muss unwillkürlich kichern. "Zufällig einer mit Sandalen und die andere auf Stöckelschuhen?"
Susi lacht. "Ja genau die beiden meine ich. Der Mann jammerte ununterbrochen herum und die Frau sagte immer wieder zu ihm, er solle sich am Riemen reißen."
"Stimmt, die hab ich vorhin auch gesehen."
Wir sind oben an der Straße angekommen. Nach einigen Autos führt Luna die eingegipste Susi langsam über die Straße.
"Das Wichtige kommt aber noch." Sie sieht mich an. "Ich habe die beiden dann im Auge behalten. Sie haben Photos vom Hof gemacht. Von den Scheunen und Anlagen. Viele Photos."
Ich bin verblüfft. Wollten die beiden nicht ursprünglich Vögel beobachten?
"Sie haben sich dabei ziemliche Mühe gegeben, nicht entdeckt zu werden, trotz ihres seltsamen Benehmens. Wer sich so verhält, hat doch immer etwas zu verbergen."
"Du bist eine gute Beobachterin", stupse ich sie an.
"Danke." Sie strahlt. "Unten, an der alten Scheune hat die beiden allerdings ihr Glück verlassen. Sie waren beide plötzlich ganz aufgeregt, haben Bilder von irgendwelchen Pflanzen gemacht, als der alte Doblmayr sie entdeckte."
"Oha."
"Genau. Er fing an, auf seinem komischen Bayrisch rumzubrüllen. Irgendwas von oasch aufroassn und öko-terroaischdn. Auf jeden Fall hatte er sie mit dem Gewehr bedroht, bis Bauer Bruno kam. Zusammen habe sie die beiden gefesselt. Ich glaube", flüstert Susi, " die beiden waren in Wirklichkeit Polizisten. Sie hatten nämlich Pistolen dabei."
Gebannt lausche ich ihren Worten. Das klingt alles so unglaublich. Wie in einem echten Krimi.
Inzwischen sind wir vor der Wohnsiedlung angekommen.
"Aber das Wichtigste kommt noch. Bauer Bruno wollte von Doblmayr, dass er sich um die beiden Gefangenen kümmert. Als der sie dann mit angelegtem Gewehr in den alten Schuppen geführt hat, habe ich Arthi und seinen blöden Freund dort ebenfalls entdeckt. Die Jungen habe sich versteckt und auch alles heimlich mit angesehen."
Luna versucht, Susi in das Haus zu zerren.
"Die Kinder wollten zu Sully, ihm davon erzählen. Du musst hinterher, nach Arthi schauen, sonst macht er noch was dummes. Ich...", ruft sie mir noch zu, dann schließt sich die Tür mitten im Satz.
Verdammt! Und ich dachte ernsthaft, der Tag würde langsam etwas ruhiger.