Mi-na5:
CN: Beleidigungen, Gewalt, Blut
Klümpchen und ich erreichen die alte Scheune, als Sully gerade mit einer bewusstlosen, blonden Frau auf den Armen aus der Tür tritt.
Der Perserkater und ich stoppen, beobachten die Szene.
Schnodder und Arthi reden auf den Mann ein, der immer wieder vehement den Kopf schüttelt.
"Nein, nein. Keine Polizei!"
Er rüttelt die Frau leicht, doch sie regt sich nicht. "Zu Hause in Libyen wird man auch erstmal verhaftet und verhört. Ausländer verschwinden einfach, wenn sie sowas mit libyschen Frauen machen. Mir glaubt hier doch keiner."
Die Kinder widersprechen ihm, doch er wiegelt ab. "Ich bringe sie erstmal zu mir. Wenn sie wieder wach ist, kann sie alles selbst der Polizei erklären!"
Klingt für mich logisch. Daher lassen Klümpchen und ich die Gruppe ziehen. Hoffen wir mal, dass sie nicht wieder auf Bauer Bruno treffen. Aber was ist mit dem anderen Typen, dem Sandalenträger? Und wo ist Doblmayr abgeblieben?
Doch wozu bin ich ein Spürhund, wenn nicht genau für solche Momente? Wenn mich meine alte Nase nicht täuscht, führt eine ziemlich frische Spur in den angrenzenden Wald.
Nach einigen Minuten Fährtensuche hören wir gemurmelte Flüche auf bayrisch, leises Jammern auf Hochdeutsch und das Geräusch eines klappernden Spatens im Waldboden.
Vor uns auf einer kleinen Lichtung hockt Doblmayr auf einem Baumstumpf, das Gewehr auf dem Schoss abgelegt. Neben ihm am Boden eine alte Stalllaterne, deren trübes Licht das Halbdunkel der frühen Dämmung im Wald kaum erhellt.
Der ehemalige Sandalenträger vor ihm ist jetzt nur noch in Unterwäsche und mit braunen Kniestrümpfen bekleidet. Mit dem Spaten in der Hand gräbt er halbherzig an einer knöcheltiefen Grube.
"Grob, du dreimoi vafluchta Saubazi!"
Doblmayrs Motivationsrede zeigt keinerlei Wirkung. Der halbnackte Mann schaufelt noch immer lustlos im Waldboden herum. Irgendwie verständlich, wenn es sein eigenes Grab werden soll.
"Wer ist der Spinner dort?", nickt Klümpchen zu Doblmayr hinüber.
Manchmal vergesse ich, dass er gerade neu zugezogen ist.
"Der schießwütige Bayer dort drüben ist unser örtlicher Taxiderm, der Tierausstopfer. Anton Doblmayr, oder auch Doni Dödelmayr. Ich vermute, er dreht irgendwelche krummen Dinge, zusammen mit dem Bauern. Normalerweise würde ich dir raten, dich so gut es geht von ihm fernzuhalten. Aber ich befürchtet, wenn wir jetzt nichts unternehmen, liegt hier bald die nächste Leiche."
Klümpchen und ich blicken uns an. Hier sind echte Männer gefragt.
Anmerkung: Natürlich ist dies ein Irrglaube. Einer, dem eigentlich auch nur Männer erliegen. Doch es klingt so schön martialisch. Einfach nach "Ich mach das jetzt einfach ohne über die Konsequenzen nachzudenken oder die Gefahren abzuwägen." Kurz gesagt, es folgt zumeist etwas unsäglich Dummes. Ziemlich männlich, oder?
Entschlossen erkläre ich ihm kurz meinen genialen Plan: "Ich lenke ihn von hinten ab und du zeigst im von der anderen Seite deine Schnitzkünste."
Klümpchen grinst mich breit an und fächert seine Krallen aus. "Oui mon général!", und der verdammte Kater salutiert.
Damit schleichen wir in Position.
"Kruzifix, i woite do ned de ganze Nochd hoggn. Mach hine, hirndappiger Doagaff!"
Seine Überzeugungskraft ist wirklich unterirdisch. Ein Rhetorik-Kurs würde hier bestimmt Wunder wirken.
Ich nehme hinter dem Baumstumpf Aufstellung. Klümpchen blinzelt mir von der Seite ein bernsteinfarbenenes OK aus dem Unterholz zu.
Mit meinem tiefsten und lautesten Bellen werfe ich die Laterne um.
Doblmayr springt erschrocken auf, das Gewehr fällt klappernd zu Boden.
"Herrgottsakrament!"
Fluchend bückt sich der alte Mann nach seiner Schusswaffe. Diesen Augenblick nutzt Klümpchen für einen Frontalangriff. Zehn Klauen werden präzise und von Dreizehn Kilo Kater angetrieben genau in Anton Doblmayrs Gesicht gelenkt.
Mit einem Schmerzensschrei fällt der alte Mann auf seine Knie. Schützend hebt er die Hände und wehrt den Kater ab. Ich setzte gerade zu einem Sprung auf den krachtledernen Hosenboden an, als ich eine gebogene Klinge aufblitzen sehe. Klümpchen allerdings hat sie nicht bemerkt, denn er springt dem Mann erneut ins Gesicht.
Ich erreiche mein Ziel einen Sekundenbruchteil zu spät. Meine Zähne durchdringen das Leder der Hose und bohren sich in die linke Pobacke, als sich gleichzeitig Klümpchens Fauchen in der Tonlage ändert.
Mein Biss allerdings zeigt die erhoffte Wirkung. Doblmayr springt brüllend auf und rennt dann unter lautem Gejaule davon. Sein Gewehr bleibt auf dem Waldboden liegen.
Der halbnackte Vogelbeobachter hat alles mit angesehen. Langsam lässt er seine Schaufel sinken, tritt zögernd aus der Grube.
Ich gehe zu Klümpchen. Er richtet sich gerade wieder auf. Ein abgebissenes, blutiges Menschenohr hängt zwischen seinen Zähnen.
Undeutlich nuschelt er: "Quid pro quo," und zeigt mir sein eigenes, nun gespaltenes Ohr.
Dort hat ihn der alte Mann also mit dem Messer erwischt.
Ich atme auf. Kriegsverletzung. Für so etwas wird ihn die Damenwelt später bestimmt umso mehr begehren.
Der Ornithologe verbeugt sich ungeschickt vor uns, murmelt ein "Danke" und marschiert los, planlos in den Wald hinein.
Genau in die entgegengesetzte Richtung vom Dorf.
Vermutlich wird er in zwei bis drei Tagen auf die nächste Ortschaft stoßen. In Socken und Unterwäsche.