Als ich nach Hause kam, wurde es schon wieder dunkel. Im Wohnzimmer brannte nur eine kleine Lampe. Simon saß mit seinem Laptop auf dem Schoß auf dem Sofa, als wäre nie etwas gewesen. Als wäre bei uns alles normal.
Ich ließ den Autoschlüssel leise klirrend in die Schale an der Garderobe fallen und wickelte mich aus meinen Sachen. »Ich bin da!«
Als wäre das zu übersehen gewesen. Simon sah auf und räkelte sich, als wären wir beide ganz entspannt. Wir spielten also Alltag, aber nachdem Annegret mich mit ihrem Redeschwall so erschlagen hatte, war mir das sehr recht. Ich war stundelang ziellos über die Autobahn geheizt, um meine rasenden Gedanken zu ordnen.
Ich griff meine Tasche, dann ging ich ins Wohnzimmer und setzte mich zu Simon aufs Sofa. Mit ein bisschen Abstand. »Wie geht es dir?«
Er blinzelte langsam und lächelte müde. »Ganz gut. Warst du bummeln? Hast du dir was Schönes gekauft?«
»Hmhm, hab ich.« Ich nickte und kramte in meiner Tasche. Ganz langsam, fast liebevoll, stellte ich einen Kaffeefilter und eine Packung Filtertüten auf den Tisch.
Simon sah mich ratlos an. »Was ist das?«
Ich konnte ein stolzes Lächeln nicht unterdrücken. »Ein Kaffeefilter. 99 Cent!«
Simon seufzte tief. »Ich weiß, was das ist. Meine Oma hatte auch so einen. Aber wieso kaufst du das? Wir haben eine Kaffeemaschine!«
Ich nickte und sah ihm direkt in die Augen. »Ich weiß. Aber wir brauchen diese Kaffeemaschine nicht. Ich brauche keine Kaffeemaschine für tausend Euro, für mich bist du nicht das beste Männchen im Wald, weil du das schönste Nest baust. Ich hab dich gewählt, weil du ein wundervoller, fürsorglicher, liebevoller und humorvoller Mann bist.«
Simon sah mich vollkommen ausdruckslos an. Wenn er überhaupt ein Gefühl zeigte, dann war es Misstrauen. Ich atmete tief durch. »Simon, ich will nicht, dass du dich selbst verlierst, damit ich im Kamelhaarmantel über Marmor stöckeln kann. Das sind nicht wir! Wir sind da irgendwie rein gerutscht und versuchen, irgendeinen Schein zu wahren, aber für wen denn? Sollten nicht wir die Menschen sein, denen unser Leben gefallen muss? Wärst du nicht auch manchmal gern wieder der Simon, in den ich mich als Teenager verliebt habe? Unbeschwert? Spontan und voller Träume?«
Mein Mann sah mich eigenartig fassungslos an. Als hätte ich ihm schonend beigebracht, dass ich seinen Porsche zu Schrott gefahren habe. Dabei hatte er noch nicht mal einen Porsche. Wenigstens dieses Klischee hatten wir uns erspart.
Simons Unterlippe fing an zu zittern. Ich bekam einen leisen Schrecken, dann verstand ich, was los war. Mein Mann brach gerade in Tränen aus. Mit brechender Stimme fragte er: »Aber wer sind denn wir?«
Ich strich ihm zärtlich durch die Haare und flüsterte: »Lass uns das rausfinden! Zusammen!«
Simon sprang auf und rannte zur Glasfront, die im Dunkeln aussah wie eine schwarze Wand, die den Garten verdeckt. Er starrte nach draußen. Für einen Augenblick sah er aus wie einer der Typen auf diesen Businessfotos, die in einem legeren Anzug aus ihrem Büroturm in die Weite blicken, um zu zeigen, was für Visionäre sie sind.
Aber dann schlug er sich mit einem rauen Schluchzen die Hand vor den Mund. Er drehte sich um sich selbst, klappte in sich zusammen, richtete sich wieder auf. Er war einfach völlig in Aufruhr.
Ich merkte, dass mir selbst die Tränen kamen. Aber diesmal war es kein Selbstmitleid. Ich empfand auch keine Häme, weil es meinem bösen Betrüger schlecht ging. Diesmal weinte ich nicht um mich, sondern zusammen mit ihm. Simon brach endlich laut und hemmungslos in Tränen aus.
Ich sprang auf und rannte zu ihm. Ich schlang die Arme um ihn. Fassungslos vor Schmerz schluchzte er: »Ich wollte das nicht! Ich wollte dich nicht verletzen!«
Ich drückte ihn mit aller Kraft an mich und rief: »Ich weiß, Simon, ich weiß das!«
Wir klammerten uns aneinander, taumelten durch den Raum und weinten uns aus.