Wir liefen jetzt schon eine Viertelstunde durch diesen Wald, aber er schien kein Ende zu nehmen. „Wann sind wir denn endlich da?“, wollte ich zum sicher fünfzigsten Mal wissen. „Bald, Schätzchen“, war aber alles, was ich aus Mum heraus bekam. So hatte ich mir meinen Geburtstag nicht vorgestellt. Eigentlich hätten am Nachmittag meine Großeltern zu Besuch kommen sollen, aber so wie es aussah, war das nun hinfällig. „Was ist denn jetzt mit meiner Geburtstagsfeier?“, versuchte ich es nochmal, aber Mum schien an anderes zu denken. Sie antwortete mir nicht einmal! „Wie lange soll ich denn noch hinter dir herlaufen? Normalerweise gibt es eine Straße zu einem Doktor!“, sagte ich nun etwas lauter, damit sie mich auch wirklich hörte. „Wir gehen nicht zu einem normalen Doktor, Liebling“, sagte sie nur und schwieg wieder. Ich gab es auf, heraus zu finden, weshalb wir nicht einfach in unserem Auto saßen und zu diesem komischen Arzt fuhren. Nach einer Ewigkeit lichtete sich der Wald und ich hoffte ein Haus zu sehn. Doch ich sah weder ein Haus noch ein Arzt. Alles was ich sah, war eine wunderschöne Lichtung. Doch ich hatte keine Zeit, mich um zu sehen, da Mum mich einfach weiter zog. „Komm schon, wir haben noch ein Stückchen vor uns“, sagte sie. Ich stöhnte. Eigentlich wollte ich jetzt zuhause Torte futtern und die Geschenke von Oma und Opa auspacken. Aber ich lief mit Mum über die Lichtung. Als wir die Bäume auf der anderen Seite erreichten, wurden mit jedem Schritt, den ich ging, die Bäume höher. Auch die Blätter, Grashalme und Wurzeln wurden größer. „Mum? Warum ist hier alles so groß?“, wollte ich unsicher wissen. Ich drehte mich und sah einen Pilz, der größer war als ich. Als Mum nicht antwortete fragte ich sie etwas lauter: „Mum! Wo sind wir hier?“ Doch auch dieses Mal antwortete sie mir nicht. „Mum! Was ist hier los!“, schrie ich zornig. Erschrocken drehte sie sich zu mir um und sagte leise: „Bitte Saski, sei leise. Ich erkläre es dir gleich, aber wenn du so schreist, dann…“ Ein lauter Raubtierschrei unterbrach sie. „Oh Gott!“, sagte sie leichenblass. Da riss es mich von den Füßen und ich fiel hin. Gleich drauf spürte ich ein Netz über mir und ich sah, dass Mum auch unter einem Netz lag. „Nehmt die Eindringlinge fest!“, hörte ich eine raue Stimme sagen, „wir bringen sie zum König!“ Was? Mein Herz raste! Welcher König und warum waren wir Eindringlinge? Ich verstand überhaupt nichts mehr. In welchen Schlamassel war ich nur hinein geraten? Da wurden mir meine Hände auf den Rücken gefesselt und ein Mann mit komischer Kleidung setzte mich auf einen Fuchs. Der Fuchs war riesig! „Die andere Frau nimmst du, Chris“, wies der Mann, der mich auf den Fuchs gesetzt hatte, einen anderen an. „Ja, Sir!“, sagte der. „Lasst uns wieder frei!“, sagte ich und versuchte die Fesseln zu lösen, „wir wollen nur zu einem Doktor gehen!“ Der Mann mit den komischen Klamotten sah mich nur kopfschüttelnd an. „Wer weiß, woher ihr kommt. Vielleicht seid ihr Spione des Königs Iratus!“, sagte er und schnalzte mit der Zunge. Der Fuchs bewegte sich und ich hatte Mühe, oben zu bleiben. „Was sollen wir sein?“, wollte ich verdattert wissen. Was waren das für komische Männer? Sie führten sich auf, als kämen sie aus einem Film. Ihre Kleidung sah auch so aus. Der Mann, der mich gefesselt hatte, trug eine Hose aus Blättern und einen Mantel, der ebenfalls aus Blättern bestand. Er hatte am rechten Oberarm ein Ledernes Band und seine, etwas längeren, Haare trug er zusammengebunden. Der andere Mann, der Mum gefesselt hatte, trug genau dieselbe Hose aber keinen Mantel. Er trug ebenfalls kein T- Shirt dafür aber einen Köcher voller Pfeile und einen Bogen. Mum sagte kein Wort, sondern ließ alles über sich ergehen. Sie wurde auch auf einen Fuchs gesetzt, der war allerdings etwas kleiner als der auf dem ich saß. Der Mann musterte mich. „Du siehst ja aus wie eine von uns“, stellte er fest. Mich überkam es eiskalt! Aber hatte recht. Er und der andere hatten auch größere Augen und spitze Ohren. Aber die Äste auf dem Kopf fehlten. „Die andere sieht aber eher wie eine dieser Menschen aus“, redete er weiter. War er den kein Mensch? Langsam verstand ich die Welt nicht mehr. Was war hier los? „Was bist du dann, wenn du kein Mensch bist?“, fragte ich ihn. Er sah mich an und lachte. Aber als er merkte, dass ich die Frage ernst meinte, sagte er: „Ich bin ein Wald Elf.“ Ich traute meinen Ohren kaum! Er war was! In meinem Hirn ratterte es, aber ich wusste immer noch nicht, was das alles hier bedeutete. Ich drehte mich um, um Mum an zu sehen, aber sie drehte den Kopf weg. Ich drehte mich wieder um und hatte Mühe, nicht vom Fuchs zu fallen. „Wo werden wir denn jetzt hingebracht?“, wollte ich wissen. „Ins Schloss von König Falk“, meinte der Elf nur. „Ist der etwa ein Vogel?“, fragte ich verwirrt. Chris, der Elf auf dem anderen Fuchs, brach in Gelächter aus, doch der Elf, der mich gefesselt hatte, brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. Dann sagte er zu mir: „Nein, König Falk ist ebenfalls ein Wald Elf. Und jetzt keine Fragen mehr!“ Ich machte eine Grimasse. Der war ja schlecht gelaunt. Aber ich stellte keine Fragen mehr, denn ich wollte nicht wissen, was der mit mir machen würde, wenn er noch schlechtere Laune bekommen würde. Ich kaute auf meiner Unterlippe herum, und dachte nochmal alles durch. Ich ritt hier gerade auf einem Fuchs, der die Größe eines Busses hatte, und ein Wald Elf hatte gesagt, dass ich wie eine von ihnen aussah. Das ergab doch einfach keinen Sinn! Ich war nur ein ganz normales Mädchen, wie jedes andere auch. Ich ging zur Schule, bummelte mit meinen Freundinnen gerne durch unsere kleine Stadt und ging einmal die Woche zum Tennis spielen. Ich kam zu keiner guten Erklärung, warum das alles passiert war, und deshalb beschloss ich, einfach den Wald zu genießen. Leider gelang mir nicht einmal das, da alles so groß war. Nach einer Weile lichtete sich der Wald ein wenig und was sich dahinter befand, verschlug mir den Atem. Auf der Lichtung und auf den Bäumen waren überall Häuser von den Wald Elfen. Was mich aber Verwunderte war, dass die Elfen keine Flügel hatten. Das war mir bei den zwei Elfen, die uns gefesselt hatten, auch schon aufgefallen. „Ich dachte immer, Elfen haben Flügel?“, fragte ich den Elf, trotz des Verbotes. „Nein, wir brauchen keine Flügel. Waldelfen können exzellent klettern und auf Tieren reiten. Das reich uns“, erklärte er mir in barschem Tonfall. Er lenkte dem Fuchs durch das Elfendorf und da sah ich es. Das Elfenschloss. Es stand vor dem größten Baum den ich je gesehen hatte. Das Schloss selbst hatte viele Türme und Zwiebeldächer. Es war in hellen Farben gestrichen. Genau so hatte ich mir ein Elfenschloss immer vorgestellt! Der Elf ging mit dem Fuchs genau auf das Schloss zu. Kurz vor dem Schloss stieg er ab und hievte mich von dem Fuchs. Dann führte er mich hinein. Als ich die Eingangshalle betrat traute ich meinen Augen kaum. Von der Decke hingen Kronleuchter und der Boden bestand aus poliertem Mamor. Mum wurde ebenfalls hereingeführt. Noch immer zeigte sie keine Regung. Der Elf schubste mich weiter in Richtung Treppe. Er führte mich durch Hallen, Gänge und Zimmer bis er schließlich vor einer großen Türe stehen blieb. Doch bevor er an die Türe klopfen konnte, sagte Mum endlich etwas: „Saski, es tut mir von ganzem Herzen leid!“ Was war nur los mit ihr? Aber als ich sah, dass ihr wieder Tränen über die Wange liefen, meinte ich nur: „Alles wird gut Mum.“ Doch sie schüttelte nur den Kopf und der Elf stieß die Türe auf.