Ich betrat den Speisesaal. Mom und Dad saßen schon am Tisch. Plötzlich war ich ganz aufgeregt! Dies war das erste Mal, dass ich mit meiner Mom und meinem Dad zu Abend essen würde. Mit einem breiten Lächeln setzte ich mich zu ihnen. Dad saß am Tischende und Mom und ich links und rechts neben ihm.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal mit euch beiden hier sitzen werde“, flüsterte Mom und ich sah, dass Tränen in ihren Augen glitzerten. Dad nahm Mom`s Hand.
„Und? Was hast du heute Nachmittag noch so getrieben?", fragte Dad dann.
„Elio hat mir eine wunderschöne Waldlichtung gezeigt. Wir sind auf Ajuga dorthin geritten. Wir saßen erst am Bach und dann haben wir Formen in den Wolken gesucht. Außerdem hat Elio noch ein paar Leckereien aus der Küche stibitzt", erzählte ich. Mom und Dad warfen sich vielsagende Blicke zu.
„Ich finde es schön, dass ihr euch so gut versteht“, sagte Dad und begann zu essen. Ich musterte das undefinierbare etwas auf meinem Teller. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob es eher wie schon einmal verdaut aussah oder wie irgendein Schleim, dem man Erde und anderes dazugegeben hatte. Ich sah zu Mom hinüber. Ihr schien das Essen zu schmecken. Vorsichtig probierte ich von der Masse auf meinem Teller. Eigentlich sollte es mich nicht mehr überraschen, aber diese Masse schmeckte so ähnlich wie Grießauflauf.
„Falk, du bist einfach der beste", sagte Mom plötzlich, „Du hast dich sogar an mein Lieblingsgericht erinnert!"
„Naja, ich dachte mir, wenn wir schon das erste Mal als Familie gemeinsam Abendessen, sollte es auch etwas Besonderes zu Essen geben", meinte er nur lächelnd. Mom lehnte sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Ich senkte meinen Blick. Ich freute mich sehr für Mom und Dad, aber trotzdem war es mir irgendwie unangenehm, wenn sie sich in meiner Gegenwart küssten. Ich füllte meinen Löffel und steckte ihn mir in den Mund.
„So, nun sollte ich euch noch etwas mitteilen", sagte Dad und ich traute mich wieder meinen Blick zu heben.
„Ich würde in den nächsten Wochen gerne einen Ball veranstalten, zu dem Königsfamilien aus aller Welt kommen. Es würden Königsfamilien bis hin zum Amazonas Gebiet eingeladen werden und noch viele mehr. Bei diesem Ball würde ich dann bekannt geben, dass du, Saskia, die Thronerbin bist und dass du, May, meine Königin bist." Ein Ball! Was? Das war… naja, ich wusste nicht so recht, ob ich mich freuen oder fürchten sollte.
„Was du dann aber wissen solltest, Saskia, es gibt auch Könige und Königinnen, die ihre Reiche durch Heirat vergrößern wollen und deshalb kann es sein, dass so manche Prinzen sich, naja, vielleicht etwas bei dir einschleimen wollen", erklärte Dad. Das wurde ja immer besser! Erst ein Ball und nun auch Prinzen, die sich einschleimen würden. Irgendwie verabschiedete sich gerade alles Positive, wenn ich an den Ball dachte.
„Du siehst nicht gerade erfreut aus, Saski“, meinte Mom schmunzelnd.
„Ich weiß nur nicht, was ich von Prinzen halten soll, die sich bei mir einschleimen wollen", murmelte ich und nahm einen großen Bissen.
„Glaub mir, als meine Eltern versuchten, mir nach meiner Trennung mit May eine Frau anzuschaffen, veranstalteten sie auch einen Ball und ich spreche aus Erfahrung, wenn ich sage, Prinzessinnen sind auch die ganze Zeit am Schleimen,“ sagte Dad.
„Aber warum hast du eigentlich nie eine andere Elfe zur Frau genommen?", fragte ich. Natürlich wusste ich, dass er Mom immer geliebt hatte, aber da musste sicher auch noch mehr dahinter stecken. Außerdem wollte ich von dem Thema Ball ablenken.
„Weißt du, es ist schwierig als zukünftiger König jemanden zu finden, der einen wirklich liebt. Alle wollten immer nur etwas wegen meines Titels von mir und nicht wegen mir. Außerdem hat nie eine Elfe May das Wasser gereicht", murmelte er und sah Mom wieder versonnen an. Mir war es wirklich ein wenig unangenehm zuzusehen, wie sich Mom und Dad die ganze Zeit anhimmelten!
Nach dem Essen brachte Elio mich auf mein Zimmer.
„Dein Dad ist ja wirklich komplett in deine Mom verliebt! Das sieht sogar ein blinder Elf auf hundert Meter Entfernung!", sagte Elio mit seinem üblichen Spitzbubengrinsen.
„Du weißt schon, dass ein blinder Elf nichts sieht", sagte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Ja, aber du weißt was ich meine." Ich nickte. Wir standen vor meiner Zimmertür. Elio öffnete die Türe und ich ging hinein und setzte mich auf ein Bett. Elio stand in der Türe und schien nicht so recht zu wissen, was er nun tun sollte.
„Möchtest du nicht hereinkommen?“, fragte ich dann.
„Eigentlich ist gleich Schichtenwechsel", murmelte er.
„Und was ist daran so schlimm?“, fragte ich weiter.
„Naja, es ist so", murmelte Elio.
„Es macht, glaube ich, einen komischen Eindruck, wenn ich nach meiner Schicht nochmal zu dir komme."
Da hatte er irgendwie recht! Aber irgendetwas schien er trotzdem noch loswerden zu wollen. Sonst wäre er schon längst weg.
„Was ist? Du möchtest doch noch irgendetwas. Das sehe ich", forderte ich ihn auf, mit der Sprache rauszurücken.
„Also, ich wollte dich fragen, ob du Lust hättest, morgen mit zu mir nach Hause zu kommen und meine Familie kennen zu lernen. Ich habe eine jüngere Schwester, die ungefähr gleich alt ist wie du. Vielleicht versteht ihr euch gut. Außerdem hast du noch fast gar nichts vom Elfen Dorf gesehen…", druckste Elio herum.
„Gerne", sagte ich lächelnd. Mich würde es brennend interessieren, wo und wie Elio wohnte.
„Passt. Dann sage ich zu Hause Bescheid. Schlaf gut, Prinzesschen!", sagte er und schloss die Türe. Ich schüttelte grinsend den Kopf. Plötzlich machte sich wieder das Kribbeln in meiner Magengegend bemerkbar. Aber irgendwie hatte ich schon gewusst, dass das wieder kommen würde.