Elio klopfte an die Große Türe, durch die wir zuvor zu Rosie gelaufen waren. „Herein“, hörte ich Falk laut sagen. Ich betrat hinter Elio die Halle und sah, dass ein paar Elfen, ich vermutete, dass das Berater von Falk waren, auch hier waren. Als sie mich sahen verbeugten sie sich. Ich hatte keine Ahnung, ob ich mich auch verbeugen sollte. Ich versuchte so etwas wie einen Knicks zu machen, aber ich sah Elio an, dass es komisch ausgesehen hatte. Auch Falk grinste ein wenig. Ich ließ mir aber nicht anmerken, dass mir das ein wenig peinlich war. „Meine Herren, das ist die Prinzessin des Waldes, Saskia“, sagte Falk und stand von seinem Thron auf. „Saskia, komm doch bitte einmal zu uns herüber“, sagte Falk. Ich tat wie mir geheißen war und kam zu ihm hinüber. „Elio, geh doch bitte hinunter und sag Frau Blütenkopf, dass sie eines der Turmzimmer für Saskia einrichten soll“, wies er Elio an. Der nickte und war im nächsten Moment schon verschwunden. Ich sah ihm staunend nach. Elio hatte fix nicht damit übertrieben, dass er einer der besten ausgebildeten Wächter war. „Was beherrscht du davon?“, hörte ich da plötzlich einen der Elfen sagen. Was? Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass man mit mir geredet hatte. „Ich habe Sie gefragt, ob Sie das Bogenschießen oder das Kämpfen beherrschen?“, wiederholte der Elf seine Frage. Ich schüttelte den Kopf: „Aber ich kann ganz passabel Tennis spielen.“ Die Elfen warfen sich unsichere Blicke zu. Ich verdrehte die Augen und erklärte: „Beim Tennisspielen schlägt man einen Ball mit einem Schläger über ein Netz.“ Falk runzelte die Stirn: „Davon habe ich noch nie gehört, aber es ist sicherlich kein Sport, den eine Waldprinzessin beherrschen sollte.“ Ich stöhnte. Mir war es egal ob er Tennis mochte oder nicht, ich liebte Tennis und das würde sich auch nicht ändern. „Wie sieht es mit klettern aus? Ich denke das sollten Sie schon können, aber wir sind uns da nicht ganz sicher, da sie ja unter Menschen aufgewachsen sind“, sprach der Elf weiter. Ein anderer Elf, der eine Brille mit dicken Gläsern trug, schrieb alles was wir sagten mit. „Ich bin als Kind manchmal auf Bäume hinauf geklettert, aber besonders gut war ich darin nie“, meinte ich. Falk stöhnte auf. „Ich weiß nicht, wie gut ich jetzt im Klettern bin. Ich habe es schon lange nicht mehr gemacht!“, sagte ich wütend. Sie benahmen sich alle so als ob ich gar nichts konnte. Ganz falsch war es ja nicht, aber sie hatten mich ja nicht klettern oder Bogenschießen sehen. Vielleicht war ich ja ein Naturtalent! „Was ist mit tanzen? Oder mit Kräuter, Baum und Blumenkunde?“, wollte der Elf wissen. Was war Kräuter, Baum und Blumenkunde? „Also Gänseblümchen, Löwenzahn und Veilchen kenne ich schon. Auch Vergissmeinnicht, Stiefmütterchen und Schlüsselblumen kenne ich. Natürlich auch noch ein paar andere. Von Kräutern weiß ich auch ein wenig, da Mum ganz viele Kräuter am Balkon gepflanzt hatte wie beispielsweise Schnittlauch, Rosmarin, Minze, Melisse und solche Sachen. Und Baumarten kenne ich eben die, die wir im Unterricht gelernt haben wie beispielsweise Tanne, Fichte, Buche und Ahorn und so weiter“, erklärte ich. Mit Pflanzen kannte ich mich schon ein wenig aus, „Aber tanzen kann ich nicht.“ Die Elfen waren von meinem Redeschwall überrascht. „Was ist das für ein Kraut?“, fragte mich der Elf, der zuvor auch schon die ganze Zeit Fragen gestellt hatte und hielt mir ein Blatt vor die Nase. Ich kannte den Geruch nur zu gut! „Das ist ein Salbeiblatt. Mum hat mir früher daraus immer Tee gekocht, wenn ich Halsweh hatte“, meinte ich stolz. „Ich denke die Grundlagen kann sie“, sagte der Elf zu dem, der alles aufschrieb, „aber sie sollte trotzdem noch mehr können!“ Ich verdrehte die Augen. Jetzt konnte ich wenigstens etwas, aber nicht einmal das reichte ihnen. Da kam Elio zurück. „In einer Stunde ist alles fertig!“, rief er. Ich mochte diesen Angeber zwar nicht besonders gerne, aber in diesem Moment war ich froh, dass er das Gespräch unterbrochen hatte. „Danke Elio. Könntest du Saskia noch ein bisschen vom Schloss zeigen, währen wir noch etwas besprechen?“, fragte Falk. Elio nickte und meinte zu mir: „Kommst du?“ Ich nickte und lief ihm wieder einmal hinterher. Doch bevor ich zur Türe Hinaus war sagte Falk noch: „Die Klamotten von Rosie stehen dir sehr gut, Saskia!“ Ich nickte ihm dankend zu und huschte hinaus. Ich hatte das Gefühl, dass er versuchte, nett zu mir zu sein. Vielleicht war er gar nicht so fies wie er am anfangs getan hatte. Doch da fiel mir wieder der Grund ein, weshalb ich mir geschworen hatte, ihn nicht zu mögen. Er hatte Mum einfach rausgeschmissen, obwohl er sie einmal geliebt hatte! „Was ist los? Warum guckst du so böse durch die Gegend?“, fragte Elio an mich gewandt. „Das geht dich nichts an!“, giftete ich ihn an. „Kein Grund gleich die Krallen auszufahren. Ich kenne etwas, das dir sicher gefallen wird!“, meinte er. „Weißt du, ich…“, fing ich an, aber da rannte Elio schon los und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm hinterher zu rennen. Elio war extrem schnell und ich hatte Mühe, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Aber nach einigen Minuten machte mir das Rennen riesigen Spaß und ich wurde auch schneller. Ich wusste nicht was mit mir los war, denn normalerweise hasste ich Sprinten. Außerdem war ich normalerweise nach einer Minute schon komplett außer Atem! Aber das hier machte mir Spaß. Elio drehte sich zu mir um. Als er sah, dass ich grinste hielt er an. Ich bremste auch, obwohl ich am liebsten noch weiter gerannt wäre. „Was war das?“, fragte ich ihn überrascht aber erfreut. „Ich wusste, dass dir das Rennen Freude bereiten würde. Alle Elfen lieben das. Außerdem bist du sehr schnell! Wenn du übst wirst du mich vielleicht einmal einholen können. Aber dafür müsstest du natürlich jahrelang trainieren“, sagte er. So ein Angeber! Aber ich musste trotzdem lachen. Dann sah ich mich um. „Wo sind wir hier?“, wollte ich wissen. „Wir sind auf dem Weg zu deinem Zimmer“, erklärte er mir. „Wie orientierst du dich hier?“, fragte ich, denn ich hatte eine Idee. „Ich gehe hier seit fünf Jahren ein und aus, da kennt man sich mit der Zeit aus. Aber ich werfe immer mal wieder einen Blick aus dem Fenster, dann weiß ich auch ungefähr wo ich bin“, meinte er. Er lief weiter und um die nächste Ecke begann eine Treppe. Wir liefen bis nach ganz oben. Oben angekommen führte ein kleiner Gang zu einem Zimmer. Elio öffnete die hinterste Tür und meinte: „Das ist dein Zimmer.“ Ich trat durch die Türe und mir blieb der Mund offen stehen. Es war ein riesiges rundes Zimmer, eingerichtet in den Farben grün, weiß und rosa. Gegenüber der Türe stand ein riesiges Himmelbett. Außerdem hatte ich zwei volle Bücherregale. Einen wunderschönen Schreibtisch und einen Art Hängestuhl, der war aber wie eine Knospe der ein Blütenblatt fehlte. Es gab auch ein großes Fenster an dem eine Fensterbank war wo man sich gemütlich hinsetzen konnte. Frau Blütenkopf hatte auch Kissen auf die Fensterbank gelegt. Sie hatte wirklich tolle Arbeit geleistet! Wenn ich sie einmal kennenlernen sollte, musste ich mich unbedingt bei ihr bedanken. „Ja, großes Zimmer. Es wären jetzt nicht unbedingt meine Farben, aber sonst ist es ganz okay“, kommentierte Elio. „Halt einfach den Mund!“, sagte ich so freundlich, wie man jemanden eben beleidigen konnte. „Ich bin ja schon still, Prinzessin“, meinte Elio grinsend. Ich drehte mich glücklich im Kreis. Ich hatte früher immer von solch einem Zimmer geträumt und jetzt stand ich hier. Da fiel mir plötzlich etwas ein. „Wo sind eigentlich meine Sachen?“, fragte ich Elio. Er deutete auf eine Kiste. Ich eilte hinüber und öffnete sie. Erleichtert fuhr ich mit meinem Finger über den Stoff. Wehmütig dachte ich an heute morgen, wo alles noch in Ordnung gewesen war. Ich hatte das T- Shirt einfach, ohne daran zu denken, dass sich mein Leben komplett verändern würde, angezogen und war zur Schule gegangen. Ich fragte mich was Fabi und Valina gerade machten. Vermutlich bummelten sie etwas durch die Stadt. Sie würden sich sicher wundern, wenn ich nicht auf ihre Nachrichten antwortete. Aber wahrscheinlich dachten sie, dass ich gerade mit meinen Großeltern Kuchen aß und deshalb keine Zeit zum Antworten hatte. Als ich an meine Großeltern dachte wurde mein Herz noch etwas schwerer als es schon war. Ich hatte heute meine Mum, meine besten Freundinnen und meine Großeltern verloren. Ich hatte Mühe nicht in Tränen auszubrechen! Elio lehnte lässig an der Türe und sah mich an. Ich stand auf und schloss die Truhe wieder. Ich wollte nicht noch trauriger werden als ich schon war. Ich sah mir mein neues Zimmer nochmal genau an. Ich lief zu meinem Bett hinüber und setzte mich langsam hin. Es war weich und roch nach Rosen. Ich hatte noch nie ein so schönes Bett gesehen, das auch noch so gut roch. Hier würde ich sicher wie eine Prinzessin schlafen. Obwohl, das würde ich sowieso, da ich ja eine Prinzessin war. Mit diesem Gedanken musste ich mich erst noch anfreunden. „Und? Hast du dich genug umgesehen?“, wollte Elio wissen, „es gibt bald Abendessen und du solltest dort pünktlich erscheinen.“ War es schon so spät. Ich sah zum Fenster hinaus und stellte fest, dass die Sonne wirklich schon am Untergehen war. Ich stand auf und sagte: „Nach Ihnen, Herr Oberwächter Elio.“ Er machte eine kleine Verbeugung, bei der sein grinsen im Gesicht natürlich nicht fehlte, und lief dann los. Wieder einmal lief ich hinter ihm her, aber langsam fing ich an, Elio zu mögen. „Wetten, das ich schneller unten bin als du?“, rief er mir schelmisch zu. Der konnte mich mal! „Das glaubst du doch selbst nicht!“, rief ich und rannte ihm hinterher.