Thomas verstand das Durcheinander mit dem Abendessen nicht. Erst sollt um Acht gegessen werden, dann um Sieben und dann sicherheitshalber doch um Sechs. Entsprechend grantig zog er sich in sein Arbeitszimmer zurück. Ullas Besuch kam um kurz vor Neun und wurde von Margret höchstpersönlich vor Ullas Schlafzimmertür gebracht.
Margret klopfte höflich an und Ulla rief „herein“.
„Es sind jetzt überraschenderweise doch zwei Herren geworden. Sagen Sie es mir bitte, wenn es Sie überfordern könnte.“
Ulla riss überrascht die Augen auf, spielte das Spiel aber mit.
„Ich kann Sie doch jetzt nicht in Verlegenheit bringen, Margret“, sagte sie und winkte Margret mit dem Finger zu sich.
„Keine Maske dieses Mal?“, flüsterte sie Margret ins Ohr.
„Keine Maske, gnädige Frau“, antwortete Margret leise. „Ich möchte, dass sie genau sehen, wer von den beiden Herren sie gerade nimmt. Und lassen Sie sich ruhig gehen. Sie müssen auf niemanden mehr Rücksicht nehmen.“
Dann ließ sie die Herren eintreten und schloss diskret die Tür
Als Thomas sein Schlafzimmer betrat, wurde er von den Geräuschen aus dem Zimmer seiner Frau überrascht. Er brauchte kein Hellseher zu sein, um Lustschreie als das zu erkennen, was sie waren. Ausdruck von Leidenschaft und Begierde. Dass es gleich zwei Männer waren, die seine Frau beglückten, bekam er allerdings erst später mit.
Seine Frau zu beobachten, wenn sie mit seiner Erlaubnis von zwei fremden Männern im Keller genommen wurde, war die eine Sache. Aber dieses Mal war er noch nicht einmal gefragt worden. Und das Schlafzimmer war immer noch auch sein Schlafzimmer, wo er mit seiner Frau schlief, und kein Wartesaal für jeden beliebigen Kerl.
Thomas war wütend und fühlte sich herabgesetzt, und er war auch eifersüchtig, denn so laut wie jetzt schrie sie nie unter ihm. Und er hatte sie auch noch nie um einen Schwanz betteln hören, wie in dieser Nacht. Es gelang ihm, den Impuls zu unterdrücken in das Nebenzimmer zu stürzen und eine Szene zu machen. Aber er schaffte es nicht, sein Ohr vom Vorhang wegzunehmen und hörte so auch die heiser geflüsterten Worte mit. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus und begann zu schreien, dass er seinen Schlaf brauche und morgen einen harten Tag vor sich habe.
Es wurde still im Nebenzimmer.
„Wir sind bald fertig, Liebster“, hört er auf einmal die Stimme seiner Frau. Der Frank döst schon vor sich hin, nur der Roger oder, wie er heißt, will mich noch einmal in den Arsch ficken.“
Und dann gab es einen Knall. Aber was Thomas gegen die Wand geworfen hatte, konnte auch Margret nicht feststellen. Sie war gespannt, wie Thomas mit dieser Situation umgehen würde.
Direkt nach dem Frühstück bestellte Thomas Margret zu sich. Er baute sich vor ihr auf, hielt die Arme hinter dem Rücken, was ihm den Brustkorb nach vorne brachte, und maß sie mit strengem Blick von oben bis unten.
„Was da gestern Abend passiert ist, wird sich in meinem Haus nicht mehr wiederholen. Haben Sie das verstanden, Miss Margret? Und jetzt gehen Sie.“
„Nein“, sagte Margret.
„Was nein.“
„Ich habe Sie nicht verstanden. Mal bereitet es Ihnen Freude, wenn Ihre Frau Liebhaber hat, mal wieder nicht. Und Sie selber bedienen sich gleichzeitig ohne die geringsten Gewissensbisse beim Personal. Ihre augenblickliche Aufregung ist vom Ideal eines Gentleman weiter weg als die Erde von der Sonne. Sie zeigen weniger Haltung als ein Kleinbürger. Ihrer Frau gegenüber sind Sie im höchsten Grade ungerecht, und ihr Verhalten mir gegenüber zeugt von einer einzigartigen Respektlosigkeit, wie ich sie in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt habe.
Deshalb werden Sie sich heute Abend um Punkt sechs Uhr eine Bestrafung abholen, an die Sie sich noch ihr ganzes Leben werden erinnern können. Das verspreche ich Ihnen. Sechs Uhr. Punkt. Verstanden?“
„Und wenn ich mich nicht bestrafen lasse? Es ist alles nur ein Spiel, Miss Margret, nur ein Spiel.“
„Es ist schon lange kein Spiel mehr, Sir Thomas, sondern ein Teil unseres Lebens. Sie wollen wissen, was passiert, wenn Sie die Strafe nicht annehmen? Ich will es Ihnen sagen. Dann haben Sie keine Köchin mehr und auch kein Dienstmädchen. Und weder Chauffeur noch Gärtner. Und vor allem haben Sie dann keine Frau mehr, der Sie Vorwürfe machen können. Ich habe bereits mindestens zwei ernsthafte Angebote von sehr betuchten Herren, die Ihre Frau sofort übernehmen wollen. Sie werden von einem auf den anderen Tag ganz allein sein.“
Thomas ließ sich in einen Sessel fallen.
„Ach Margret“, seufzte er, und alle Aufgeblasenheit fiel von ihm ab.
„Ich habe immer gedacht, Sie stünden hinter mir. Und jetzt vertreten Sie die Interessen meiner Frau. Ich fühle mich verraten. Jawohl, so ist das. Verraten fühle ich mich.“
„Ich stehe immer noch hinter Ihnen, Sir Thomas. „Den einzigen Vorwurf, den ich mir gefallen lassen muss, ist, dass ich Ihre Erziehung bedauerlicherweise etwas habe schleifen lassen. Aber das wird von nun an anders. Heute Abend, achtzehn Uhr. Und jetzt machen Sie, dass Sie endlich in ihr Büro kommen. Guten Tag.“