Author's Note:
Triggerwarnung: PTBS, Andeutung von Suizid und sexueller Gewalt
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Kapitel 4:
Aktion und Reaktion
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Das Gluckern des Wassers hilft mir dabei, meine vielen, wirren Gedanken zu ordnen. Mich ans Schlafen zu gewöhnen ist eine Sache, aber unter grausamen Albträumen zu leiden eine ganz andere. Immer und immer wieder dieselben Erinnerungen in den verschiedensten Versionen durchzumachen, zerrt an meinen Nerven. Nach einer Nacht wie dieser wünsche ich mir, meine Erinnerungen an diesen Tag vollkommen auslöschen zu können. Ich würde vieles geben, um zu vergessen. Dummerweise habe ich kaum noch etwas, das ich gegen diese Erlösung eintauschen könnte. Abgesehen von meinem Leben vielleicht.
Im seichten Wasser lasse ich meine Flosse auf und ab gleiten. Mit meinen Fingern streiche ich durch den Kies. Vor meinem inneren Auge taucht eine ganz andere, angenehmere Erinnerung auf. Das grüne Licht, das ich vom Dach aus gesehen habe, macht mich immer noch neugierig. Ich kann es mir nicht erklären, doch ich bin sicher, dass die Magie an diesem Ort stärker ist. Ich kann spüren, dass es wichtig ist, herauszufinden, was das Licht verbirgt. Als etwas meine Flosse berührt, richte ich mich auf. Eine Feder ist auf mir gelandet. Interessiert greife ich danach und sehe dann in den Himmel, doch einen Vogel kann ich nicht erkennen. Ich betrachte die Feder und drehe sie zwischen meinen Fingern. Sie ist grau und recht schmucklos, trotzdem gefällt sie mir. Ich ziehe mich an das Ufer heran und stecke die Feder zwischen meine Kleidung, dann mache ich es mir wieder im Wasser gemütlich.
Mit geschlossenen Augen lasse ich mir die Sonne auf den Bauch scheinen. Ein paar Stunden Schlaf nachzuholen, würde mir guttun. Jede Sekunde, in der ich nicht weiter über diese schrecklichen Bilder nachdenken muss, ist eine ausgekostete Sekunde. Ich muss mich erholen und diese schwere Traurigkeit abschütteln, um weitermachen zu können. Seit diesem fürchterlichen Albtraum habe ich kein Auge mehr zugemacht. Der Wunsch, diese bedrückenden Bilder ein für alle Mal aus meinem Kopf zu verbannen, drängt sich immer wieder auf. Meine kreisenden Gedanken wiederholen sich immer und immer wieder und das muss endlich aufhören. Ich kann mir das selbst nicht mehr antun.
Ein stechender Schmerz durchzieht meine Flosse. Vorsichtig streiche ich über meinen Bauch, den Schuppen entlang. Selbst wenn ich gar keine Beine habe, spüre ich die Schmerzen in meinem Oberschenkel. Wieso der Schmerz immer wieder zurückkommt, kann ich mir nicht erklären. Ich fühle ihn, sobald die Erinnerungen sich in meinem Kopf breit machen. Das alles macht überhaupt keinen Sinn und ich weiß das, aber gegen meine Gefühle bin ich machtlos. Und gegen die wiederkehrenden Schmerzen ebenso. Ich kann nur versuchen, damit zu leben und darauf hoffen, dass die Zeit diese Wunden heilen wird. Es ist ein schwacher Trost, auf Linderung zu warten, doch mir bleibt keine Wahl. Aufzugeben und zu sterben ist keine realistische Option für mich.
Um mich zu entspannen konzentriere ich mich vollkommen auf meine Atmung. Mit geschlossenen Augen mache ich mir jeden Atemzug vollkommen bewusst. Tief ein und anschließend wieder aus. Tief ein und wieder aus. Die wärmende Sonne gibt mir ein angenehmes, positives Gefühl, dass ich zu verinnerlichen versuche. Mein Herzschlag wird ruhiger und auch meine negativen Gedanken lassen mich fürs Erste wieder in Ruhe. Die Stille in meinem Kopf ist zurückgekehrt. Erleichtert atme ich aus und genieße die Ruhe.
Ich schrecke hoch, als ich einen unerwarteten und plötzlichen Griff an meinem Arm spüre. „Oh Gott sei Dank, dir geht es gut.“ Killian atmet durch und lässt sich neben mir in das seichte Wasser sinken. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.
Irritiert schüttle ich den Kopf. Mein Herz schlägt vor Aufregung schneller. „Was ist denn passiert?“ Ich setze mich auf und sehe Killian an. Er zieht mich sofort an seine Seite und hält mich fest.
„Ich bin aufgewacht und du warst nicht im Zelt. Du hast nicht geantwortet, da dachte ich …“ Killian beendet seinen Satz nicht, stattdessen drückt er mich nur fester an sich. „Mach das nie wieder.“
„Entschuldige, ich bin wohl eingeschlafen.“ Sanft lege ich meine Hand an Killians Wange. Er schmiegt sich dagegen, dann küsst er mein Handgelenk. „Ich musste mich von letzter Nacht erholen. Diese Albträume tun mir nicht gut.“
„Kann ich gut verstehen.“ Er atmet durch, dann mustert er mich. Killian streicht mir die Haare aus dem Gesicht und betrachtet mich noch genauer. „Und du bist dir wirklich sicher, dass alles okay ist?“
„Ja“, antworte ich ihm, dann nehme ich ein wenig Abstand. „Kein Grund zur Sorge. Ich bin nur eingeschlafen. Die Morgensonne war angenehm warm. Außerdem kann ich unter Wasser atmen, schon vergessen?“
Killian zieht fast schon überrascht seine Brauen hoch, dann reibt er sich das Gesicht. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“
„Es ist alles in Ordnung“, versichere ich ihm und gebe ihm einen sanften Kuss. Als ich mich von ihm löse, rümpft Killian die Nase, dann wirft er einen Blick in den Himmel.
„Kaum kann ich endlich wieder ein paar Stunden ungestört schlafen, ist es wieder zu heiß, um irgendetwas zu unternehmen.“ Er reibt sich den Nacken. „Am besten wir bleiben tatsächlich noch ein paar Tage hier.“ Mit einem sanften Lächeln sieht er mich an. „Das ist für dich doch bestimmt auch angenehmer, nicht? Du kannst den ganzen Tag schwimmen.“ Nun zieht er seine Brauen zusammen. „Stimmt irgendwas nicht?“
„Du erinnerst dich doch noch an das grüne Licht hinter dem verbrannten Boden, oder?“
Killian nickt. „Die Stelle, die du dir ansehen wolltest.“
„Ja“, stimme ich ihm zu. „Können wir dorthin gehen? Ich muss herausfinden, was es mit dem Licht auf sich hat.“
„Selbstredend.“ Killian streicht nachdenklich durch seinen Bart. „Dann verzichten wir auf die verlängerte Pause und finden heraus, was das grüne Licht versteckt.“ Mein Liebster legt seine Hand an meinen Hinterkopf und drückt mich an sich. Ich bekomme außerdem einen Kuss auf die Stirn, dann lässt er wieder von mir ab. „Wenn du so schnell wie möglich aufbrechen willst, können wir gleich heute Abend losziehen. Dann ist es nicht mehr so heiß.“ Er zieht einen Mundwinkel hoch. „So ein kleines Abenteuer könnte dich vielleicht ablenken.“
Ich nicke, dann lehne ich mich in Killians Richtung. Mit meinen Fingern zupfe ich an seinen vom Wasser durchnässten Boxershorts. „Wenn du schon einmal nass bist, willst du doch ganz bestimmt mit mir schwimmen, hm?“
Killian mustert mich. Sein Blick bleibt für einige Sekunden an meinen Brüsten hängen, dann sieht er mir wieder in die Augen. „Dir kann man nichts abschlagen.“ Mit dem Kopf deutet er Richtung Wasser. „Schwimm schon mal vor, ich muss mich noch ein wenig abkühlen.“
Überschwänglich drücke ich Killian einen Kuss auf die Wange, dann krieche ich schon ins tiefere Wasser und tauche unter.
༄ ♫ ༄
Als der Abend anbricht, packen wir unsere Sachen und machen uns auf den Weg. Wir spazieren durch die leeren und teilweise zerstörten Straßen, überwinden kleine Hindernisse und durchsuchen das eine oder andere leicht zugängliche Auto auf unserem Weg. Jedes Fahrzeug mit geöffneten Türen oder kaputten Scheiben ist einen kurzen Blick wert. Zu meinem Bedauern werden wir auch heute wieder mit dem Tod konfrontiert. Obwohl Killian mich von dem Anblick abschotten möchte, erhasche ich dennoch einen Blick auf einen verstorbenen Menschen. Die Waffe neben seiner Hand verrät, dass er nicht länger in dieser Welt leben wollte. Einige Fliegen umkreisen das, was von seinem Kopf übriggeblieben ist. Der Geruch ist selbst für mich kaum zu ertragen. Arme Seele. Ich bin mir sicher, dass dieser Anblick ein weiteres Bild ist, dass ich nie wieder loswerde. Den Kopf schüttelnd versuche ich, es wieder aus meinen Gedanken zu verbannen, doch ich fürchte, dass es dafür bereits zu spät ist.
Auf unserem Weg entdecken wir einen kleinen, aber dennoch recht gut gefüllten Laden. Früchte und Gemüse sind leider schon lange verdorben, auch die Lebensmittel in der Kühlung haben das Verschwinden des Stroms nicht überlebt. Modriger Geruch liegt in der Luft des Ladens, doch wir lassen uns nicht davon abhalten, einige essbare Lebensmittel zu bergen. Um den unangenehmen Geruch zu minimieren, bindet Killian sich ein Tuch über Nase und Mund. Da die Straße in dieser Gegend doch recht gut erhalten ist, entscheide ich mich dazu, einen der Einkaufswägen am Eingang des Ladens mitzunehmen. Ich lege meinen Rucksack und meine Tasche hinein, um mir die schwere Last zu ersparen. Die Erleichterung an meinen Schultern und meinem Rücken kommt wie gerufen.
Fröhlich schiebe ich den Wagen an und steige dann auf eine der Metallstangen, um mich und den Wagen durch die Gänge gleiten zu lassen. „Killian wo bist du?“, frage ich, ehe ich kichere. „Sieh mal.“
Ich fahre an meinem Liebsten vorbei, steige dann schnell von dem Wagen und ziehe ihn einige Schritte rückwärts mit mir mit. „Was hältst du davon, wenn wir es uns ein wenig einfacher machen?“
Killian sieht von seiner Packung Chips auf und wiegt den Kopf hin und her. „Damit hätten wir dann das gesamte Obdachlosenequipment zusammen.“
„Dann ist das eine gute Idee?“, frage ich nach.
„Ja, sehr gut mitgedacht, Prinzessin.“ Stolz lächle ich Killian an. Er tritt auf mich zu und legt die Chips in den Einkaufswagen. Ich bekomme einen Kuss von ihm. „Ich hole noch einen zweiten Wagen. Mein Rücken bringt mich ohnehin um.“
Ich sehe ihm nach und beobachte ihn dabei, wie er den Einkaufswagen mit seinem Rucksack und der darauf angebundenen Gitarre füllt. „Wieso hast du nichts gesagt? Wir hätten eine Pause machen können.“ Er lässt seine Schultern kreisen.
„Weil ich ohnehin den ganzen Tag nur gefaulenzt habe“, antwortet Killian mir. Mit dem Einkaufswagen fährt er wieder in den Gang, aus dem ich ihn gerade verscheucht habe. Ich sehe ihm zu, wie er seine Schultern lockert, dann widmet er sich wieder den Chips. „Willst du mich weiter beobachten oder suchst du dir auch etwas zu essen aus?“
„Ich hätte gerne ein paar Früchte, aber das ist alles verfault“, antworte ich ihm und sehe mir dann die vielen bunten Tüten an, die in dem Regal vor mir aufgereiht sind.
„Vielleicht finden wir irgendetwas Eingelegtes. Ich helfe dir gleich, danach zu suchen.“
„Danke“, antworte ich ihm.
„Sieh dich mal um. Nüsse wären auch gute und gesündere Snacks im Vergleich zu Chips und Süßigkeiten. Die haben Omega-3-Fettsäuren und Vitamine.“ Killian sieht mich an und deutet auf seine Schläfe. „Die sind gut für den Kopf und die Gehirnzellen können wir gut brauchen.“
„Dann entscheide ich mich wohl für Nüsse“, antworte ich ihm und beginne bereits zu stöbern. „Die Nussschalen könnten wir ins Feuer werfen. Vielleicht hilft das beim Anzünden.“
„Gut mitgedacht“, lobt Killian mich. Er drückt sanft meine Schulter, während er an mir vorbei geht, um sich selbst weiter umzusehen. „Gesalzene Pistazien sind ziemlich lecker, die könnten dir auch schmecken.“
„Dann versuche ich gleich, welche zu finden. Wie sehen die denn aus?“
„Recht klein und oval. Die Schalen sind meistens schon leicht geknackt.“ Ich höre das Rascheln einiger Chipstüten, während ich auf der Suche nach Pistazien bin. „Sie sehen ein bisschen aus wie Muscheln.“
Mein Blick schweift über das Angebot, dass hauptsächlich aus Erdnüssen besteht, doch dann werde ich fündig. Ich greife mir eine Tüte mit kalifornischen Pistazien und hebe sie triumphierend hoch, dabei freue ich mich: „Hier, sieh' mal, ich hab' sie gefunden.“
„Sehr gut gemacht, Prinzessin. Nimm mir eine Packung mit. Die könnte ich den ganzen Tag essen.“ Während Killian sich weiterhin umsieht, fülle ich meinen Einkaufswagen mit Pistazien und anderen Leckereien, ehe ich meinem Liebsten in den nächsten Gang folge. Er kniet auf dem Boden und mustert gerade ein kleines Glas in seiner Hand. „Das ist zwar kein eingelegtes Obst, aber du könntest es hiermit versuchen“, schlägt er vor und reicht mir das Glas. „Das ist wohl das Beste, was wir auf die Schnelle auftreiben können.“
Ich nehme das Glas an mich und mustere den Aufdruck und den Inhalt des Glases. „Oh, was ist das denn? Sowas wie Jelly?“
„Nein, das ist Brei aus Früchten und Gemüse, eigentlich ist das für Babys gedacht, aber Erwachsene können das auch essen.“ Er zuckt mit den Schultern. „Schmeckt auch gar nicht so übel.“
Ich beschließe, alle Gläser mitzunehmen und verstaue sie in meiner Tasche und dem Einkaufswagen. Solange wir uns in einer Gegend befinden, in der wir mit den Wagen fahren können, muss ich mir keine großen Gedanken um das Gewicht unserer Vorräte machen. Ein Jammer, dass ich diese Idee nicht schon vor Wochen hatte. Anderseits waren die Straßen in den letzten Wochen auch ziemlich zerstört. Ein Einkaufswagen hätte uns da wohl meistens eher aufgehalten, anstatt uns zu helfen. Ich will mir gar nicht erst vorstellen, wie schwer es wohl wäre, sie über Trümmer und eingestürzte Gebäude zu tragen.
„Hast du noch etwas gefunden?“, frage ich Killian, der sich gerade eine große Flasche ansieht. Er stellt sie schnell wieder zurück. Fast so, als hätte ich ihn bei irgendetwas ertappt. „Geht es dir gut?“
Er nickt, dann betrachtet er die weiteren Waren hinter der Theke. „Ja, alles okay. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, ist es manchmal doch ziemlich verlockend, wieder zu Alkohol zu greifen. Ich muss immer wieder daran denken, dass es mir helfen könnte, einzuschlafen, auch wenn das eine sehr, sehr dumme Idee ist.“ Er reibt sich den Nacken. Als er sich von mir abwendet und spricht, verstehe ich ihn durch das Tuch leider nicht.
„Tut mir leid, du murmelst so. Ich konnte dich nicht verstehen.“
Killian sieht wieder zu mir, dann macht er eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, nicht so wichtig. Der Alkohol bleibt hier. Ich will ihn gar nicht in meiner Nähe haben. Je weiter er weg ist, desto kleiner ist die Verlockung.“ Seine Augen weiten sich dann macht er einige schnelle Schritte. „Ha!“
„Hm?“, frage ich verwirrt.
Killian hebt eine große Packung Holz hoch. „Sieh dir das an. Ein stressfreies Lagerfeuer.“
„Wieso verkaufen die hier Holz?“, frage ich verwirrt. In San Francisco habe ich das noch nie gesehen. „Und wer kauft überhaupt Holz? Das liegt doch da draußen überall herum.“
„Aus demselben Grund, aus dem ich es mitnehme: Wir Menschen sind bequem.“ Ich kichere, dann schüttle ich den Kopf. Killian erklärt weiter: „Bei dem Campingequipment da drüben im Regal ist es wahrscheinlich, dass wir hier einige Campingplätze finden werden. Vielleicht sind sie sogar gut erhalten und wir haben wieder ein Gitter zum Grillen.“
„Möglich“, stimme ich ihm zu.
„Komm her mit deinem Wagen, du kannst auch eine Packung nehmen.“ Er winkt mich herbei. „Die Dritte bringen wir auch noch unter. Dann müssen wir eben besser schlichten.“ Er mustert seinen doch schon recht vollen Einkaufswagen und sieht sich dann noch einmal um. „Schade, dass es nicht noch mehr Holz gibt. Das erspart uns viel Stress und Zeit.“
Ich schiebe meinen Wagen zu Killian, der sich darum kümmert, dass wir alles gut verstauen. Während er damit beschäftigt ist, blättere ich in einigen Magazinen und stecke eine Handvoll Feuerzeuge in meine Jacke ein, die ich um meine Hüfte gebunden habe. Natürlich prüfe ich zuvor, ob sie auch funktionieren. Auf meiner Suche verspeise ich einen leckeren Schokoriegel und ein mit Zuckercreme gefülltes Küchlein, außerdem blättere ich in Magazinen. Besonders interessanter Lesestoff ist das zwar nicht, doch ich kann mir die Zeit vertreiben. Killian lädt noch Wasserflaschen in unsere Wägen. Die leichten Snacktüten verstaut er in größeren Tüten, die er dann an unseren Einkaufswagen festbindet. Ich freue mich über den Einfallsreichtum des Menschen. Er sorgt dafür, dass wir so viel wie möglich aus diesem Laden mitnehmen können. Mein Herz tanzt vor Freude.
Killian zeigt mir eine stark gebrauchte und scheinbar oft auf und zu gefaltete Karte. Sie hat bereits einige Risse und Falten, doch sie leistet trotzdem gute Dienste. Wir entdecken einen Park, in dem wir uns auf einem Campingplatz niederlassen könnten. Die blauen Flächen enthüllen auch die genauen Standorte der Gewässer, die ich bereits gespürt habe. Es sind viel mehr, als ich erwartet hätte. Unser Plan steht recht schnell. Wir nutzen die letzten Sonnenstrahlen, um unser Lager aufzubauen und Feuer zu machen. Ein Kuss besiegelt diesen Plan, ehe wir uns auf den Weg machen.
Die Einkaufswägen tragen viel dazu bei, uns die Reise zu erleichtern. Bereits jetzt bin ich sehr zufrieden mit der Umsetzung meiner Idee. Obwohl sie klimpern und rascheln, während wir über kleine Risse und Unebenheiten im Boden fahren, könnte ich nicht glücklicher sein. In den nächsten Tagen müssen wir uns um nichts mehr Sorgen machen. Ich kann es kaum erwarten, die guten Neuigkeiten in meinem Tagebuch festzuhalten. Auch mein Liebster macht einen deutlich entspannteren Eindruck. Er schenkt mir ein Lächeln, als ich zu ihm hinübersehe.
„Hey!“, erklingt eine Männerstimme. Sowohl Killian, als auch ich bleiben augenblicklich stehen. Wir sehen uns um. Einige Meter vor uns kommen drei Männer aus ihren Verstecken zwischen einigen Autos hervor. Sie sind bewaffnet. Noch ehe Killian etwas sagen kann, um die Menschen zu beschwichtigen, zielen sie mit ihren Waffen in unsere Richtung. „Rückt die Einkaufswägen raus und euch wird nichts passieren.“
Killian macht einen Schritt auf mich zu und deutet mir an, sich hinter ihm zu verstecken. Ich komme dieser Forderung sofort nach, überblicke die gefährliche Situation jedoch, in dem ich über Killians Schulter sehe.
„Ich will das Mädchen“, spricht ein Mann mit dunklen Haaren und Kappe. Er fuchtelt mit seiner Waffe herum. „Komm her Kleines und nimm den ganzen Scheiß schön brav mit.“
Killian möchte langsam nach der Waffe an seinem Gürtel greifen, doch nun meldet sich der dritte Mann zu Wort. Er hat dunklere Hautfarbe als die beiden anderen Männer, außerdem trägt er kein Shirt. „Hey, hey, hey, schön die Hände hoch. Über den Kopf, sodass ich sie sehen kann.“
„Von mir aus nehmt unsere Sachen, aber meine Freundin bekommt ihr nicht“, erklärt Killian ruhig aber bestimmt, während er seine Hände hochnimmt. Ich schlucke hart und halte mich an Killians Shirt fest. Es kommt gar nicht in Frage, mit den Fremden mitzugehen und Killian alleine zu lassen. Obwohl meine Finger vor Angst zittern und meine Beine kribbeln, versuche ich, eine Lösung zu finden. Es muss doch etwas geben, das ich tun kann.
Der Mann in der Mitte, der uns als erstes angesprochen hat, beginnt zu lachen. „Du klingst, als hättest du eine Option. Komm schon, wenn du willst, dass wir dich nicht auf der Stelle abknallen und trotzdem dein Mädchen mitnehmen, dann rückst du sie freiwillig raus. Wenn du mich fragst, ist das ein sehr gnädiges Angebot.“
„Tz, das könnt ihr vergessen“, antwortet Killian hörbar wütend. Er gibt ein Brummen von sich, doch ich tätschle beschwichtigend seinen Rücken. Ich habe eine Idee und ich hoffe, dass sie funktioniert.
„Nein, schon gut. Hört nicht auf ihn“, antworte ich den Menschen mit selbstsicherer Stimme. Obwohl ich mir mit meinem Plan nicht ganz sicher bin, ist es der einzige Ausweg, den wir im Moment haben. „Niemand muss verletzt werden. Ich komme freiwillig mit euch mit. Zu dritt könnt ihr mich ohnehin viel besser beschützen, als er es tun kann.“
Killian dreht sich fassungslos zu mir um. Er senkt seine Hände wieder. Mein Liebster wirkt vollkommen überrumpelt. „Was?“
„Vertrau mir“, flüstere ich, dann wende ich mich an die Männer und erhebe meine Stimme wieder: „Ich verabschiede mich nur kurz von ihm und dann komme ich zu euch.“
Der Mann mit der dunklen Haut zuckt mit den Schultern. „Ist okay für mich. Wir sind ja keine Barbaren.“
„Was soll das, Ilaria? Lässt du mich einfach hängen?“
„Tut mir leid.“ Aus der Jacke, die immer noch um meine Hüfte gebunden ist, ziehe ich meine Ohrstöpsel und drücke sie Killian in die Hand. Außerdem stelle ich mich auf meine Zehenspitzen und umarme ihn mit meinem freien Arm. Ich flüstere: „Steck sie dir in die Ohren. Wenn ich mich zu dir umdrehe, dann hältst du deine Ohren so fest zu, wie du nur kannst. Dreh dich weg von mir.“
„Das reicht jetzt, schwing deinen Arsch her und lass dich genauer ansehen“, unterbricht mich der Mann mit der Kappe. „Wir haben nicht ewig Zeit.“
Ich sehe Killian in die Augen und versuche, ihn um Vertrauen zu bitten, doch außer Angst und Enttäuschung kann ich nicht viel erkennen. „Vertrau mir“, flüstere ich leise, in der Hoffnung, dass ich nicht gerade den größten und vielleicht letzten Fehler meines Lebens begehe.
Nachdem ich tief durchgeatmet habe, beginne ich damit, einen der Einkaufswägen in Richtung der Männer zu schieben. Jeder meiner Schritte fühlt sich so an, als würde ich sofort im Boden versinken. Mein ganzer Körper wirkt so schwer, dass ich Angst habe, meine Beine könnten mich vielleicht nicht mehr weit genug tragen, um einen Versuch zu riskieren. Die Männer rufen durcheinander, einer von ihnen pfeift, als ich nur noch wenige Schritte vor ihnen stehe. Ich werde schnell am Arm gepackt und von dem Wagen weggezogen, während die anderen Männer den Wagen begutachten.
„Nicht schlecht, nicht schlecht.“
Der Griff des Mannes wird stärker, während er mich mustert. Seine dunklen, gierigen Augen machen mir deutlich, dass er keine guten Absichten hat. Er greift nach dem Knüppel an seinem Gürtel und streicht damit über die Innenseite meines Oberschenkels. Diese Geste überrascht mich so sehr, dass ich mich weder bewege, noch wehre. „Fuck, was wollte so ein hübsches Ding überhaupt mit so einem fetten Idioten, hm?“ Sein dreckiges Grinsen bereitet mir Übelkeit. Als sein Knüppel immer höher zwischen meine Beine gleitet, versuche ich, ihn von mir abzuschütteln, doch er lacht nur und drückt fester zu. Jetzt oder nie. Mein Blick fällt zu Killian, der einen Schritt auf uns zukommt, doch durch die Männer mit ihren Waffen sofort wieder zurückgedrängt wird.
„Schön dortgeblieben, Fettsack. Ich spiele doch nur ein bisschen mit ihr.“
Ich verenge meine Augen und sehe Killian an. Es dauert einen Moment, bis er begreift, was ich von ihm möchte, doch als er seine Hände an seinen Kopf legt, drehe ich mich schnell wieder zu den Männern und schließe meine Augen. Ich atme tief ein und stoße einen fast lautlosen Schrei aus. Mein Angreifer lässt genauso plötzlich von mir ab, wie er zugepackt hat und fällt zu Boden. Als ich meine Augen öffne und aufhöre zu schreien, erkenne ich, dass auch die anderen beiden Männer am Boden liegen. Es erschreckt mich, dass das Jammern und Wimmern dieser Menschen kein Mitleid in mir auslöst. Ganz im Gegenteil, mich überkommt fast schon Freude, als ich erkenne, dass der Mann, der eben noch mit mir spielen wollte, aus Nase und Ohren blutet. Er hätte mich nicht so hart anfassen dürfen.
„Was hast du getan, du Drecksstück?“, flucht er wütend, dabei hält er sich die Hände an den Kopf. „Fuck! Wenn ich dich erwische!“ Es ist mehr als deutlich, dass er große Schmerzen hat.
Killian kommt auf mich zu gelaufen. Er wirkt fassungslos und selbst ein wenig verwirrt. Ich sehe zu ihm auf und werde sofort in den Arm genommen. „Was ist passiert?“, fragt er mich. „Was zur Hölle war das? Geht es dir gut?“ Er löst sich von mir und blickt auf den Arm, der eben noch in der Gewalt des Fremden war. „Alles okay? Hat er dir wehgetan?“
„Nein, alles in Ordnung“, versichere ich ihm, ehe ich in sein Gesicht sehe. „Was ist mit deinen Ohren?“
Killian schüttelt den Kopf. „Keine Ahnung, ziemliche Kopfschmerzen, aber ist doch egal.“ Als er den sich windenden Mann am Boden sieht, tritt er gegen seinen Rücken. „Du mieser Wichser.“
„Killian, nein“, bitte ich ihn und versuche, ihn davon abzuhalten, den Mann weiterhin anzugreifen. Es braucht mein ganzes Körpergewicht, um zu verhindern, dass Killian auf den wehrlosen Mann losgeht. „Hör auf. Lass uns gehen.“ Knurrend blickt Killian zu ihm auf den Boden und tritt noch einmal nach ihm. „Killian! Es reicht!“
„Schon gut, du hast Recht.“ Es ist deutlich zu sehen, dass er mit sich kämpft, doch die Vernunft siegt schließlich doch über die Wut und er beginnt damit, die am Boden liegenden Waffen unserer Angreifer einzusammeln und in den Einkaufswagen zu legen.
Während Killian unseren zweiten Einkaufswagen holt, beobachte ich die Auswirkungen meiner Stimme auf die drei Menschen. Der Mann mit der Kappe bewegt sich nicht mehr. Ich bin ziemlich sicher, dass er das Bewusstsein verloren hat. Der Mann ohne Shirt versucht sich aufzusetzen, doch er ist so desorientiert, dass er seitlich umkippt und stöhnend liegenbleibt. Der dritte Mann, der uns eben noch so selbstsicher Befehle gegeben hat, hat wohl die Kontrolle über seinen eigenen Körper verloren. Wimmernd liegt er in einer immer größer werdenden Pfütze.
„Was ist mit ihm? Lebt er noch?“, fragt Killian mich. Er tritt leicht gegen den Schenkel des Mannes, doch er rührt sich nicht mehr.
„Keine Ahnung. Möglich wäre es.“
Mit dem Fuß dreht er den auf der Seite liegenden Mann auf den Rücken. Sein Mund steht offen, sein Gesicht ist blutverschmiert und seine Augen starren in die Leere. Nun bin ich mir mehr als sicher, dass er nicht nur das Bewusstsein verloren hat, sondern ich ihn getötet habe.
„Wir gehen“, meint Killian bestimmend. Er zieht mich sofort an sich und drückt meinen Kopf gegen seine Schulter, um mich vor der Szene zu schützen, doch die Konsequenzen meiner Handlungen sind unwiderruflich. Der Mann, dessen Namen ich nicht einmal kannte, ist nicht mehr zu retten und seine Begleiter werden sich vielleicht auch nicht mehr von meiner Stimme erholen. Killian drückt mir einen Kuss ins Haar. „Es ist alles gut. Du hast uns das Leben gerettet.“ Mein Liebster nimmt Abstand, doch er hält mich weiterhin an den Schultern fest. „Sieh mich an.“ Ich blicke in Killians Augen. „Geht es dir gut?“ Nachdenklich nicke ich. „Komm, lass uns von hier verschwinden. Mein Kopf braucht eine Pause.“
Obwohl ich etwas sagen möchte, kommen mir die Worte nicht über die Lippen, also nicke ich stumm. Wir setzen unseren Weg fort und lassen unsere verletzten Angreifer hinter uns. Killian hatte wohl die ganze Zeit über recht. Es ist wohl das Beste, wenn wir uns in Zukunft von den anderen Menschen fernhalten.
༄ ♫ ༄
Damit Killian sich von meiner Stimme erholen kann, übernehme ich heute Abend das Aufbauen unseres Lagers. Der trübe, aber friedliche Teich, den wir auf der Karte gefunden haben, eignet sich gut dafür, hier eine oder sogar mehrere Nächte zu verbringen. Während er es sich neben dem knisternden Feuer mit seinem Schlafsack als Kopfkissen gemütlich macht und ein kleines Nickerchen einlegt, sorge ich dafür, dass das Zelt steht. Da ich Killian schon unzählige Male dabei beobachtet habe, wie man das Zelt aufbaut, gelingt es mir recht schnell, diese Aufgabe zu erledigen. Ich koche außerdem Wasser für einen Tee und erwärme eine Dose Bohnen mit Speck für meinen Liebsten. Killian bekämpft seine Kopfschmerzen mit einer der Tabletten, die wir in einem verlassenen Haus gefunden haben. Ich merke recht schnell, dass die Arznei die gewünschte Wirkung entfaltet und es Killian besser geht. Sein Appetit wurde jedenfalls nicht gemildert. Er wirkt zufrieden, als er seine Bohnen löffelt. Ich bin es auch, denn der Früchtebrei aus den Gläsern schmeckt tatsächlich überraschend köstlich.
„Verrätst du mir, was das vorhin war? Irgendwie habe ich immer noch so einen Druck auf den Ohren.“
„Das war meine Stimme“, antworte ich ihm. „Um ehrlich zu sein war ich mir gar nicht richtig sicher, wie sie auf euch Menschen wirkt. Hoffentlich habe ich deine Ohren nicht nachhaltig geschädigt.“
„Hm“, gibt Killian überlegend von sich. „Das legt sich bestimmt wieder. Wahrscheinlich haben die vielen Nächte in den Clubs meinen Ohren mindestens genauso viel Schaden angerichtet.“
Ich schmunzle, doch dann lehne ich mich gegen seine Schulter. „Es tut mir trotzdem leid. Da ich ungeübt bin, ist es leider nicht so leicht, meine Stimme zu kontrollieren. Heute habe ich sie das erste Mal richtig benutzt.“
„Falls du dich dazu entschließt, irgendwann zu üben, wäre es wohl besser, wenn du ein bisschen mehr Abstand zu mir nimmst.“
Killian bringt mich zum Kichern. „Einverstanden.“ Ich richte mich wieder auf und streiche über seine Wange. „Und du bist dir sicher, dass es dir gutgeht?“
„Ja, die Übelkeit wird auch schon besser. Vielleicht legen wir morgen noch einen Tag zur Erholung ein.“
„Nimm dir bitte so viel Zeit, wie du brauchst. Ich will nicht, dass du dich zu sehr anstrengst, obwohl wir es auch langsamer angehen könnten.“
Er nickt. „Irgendwie kann ich noch gar nicht richtig verstehen, was da passiert ist. Und dass dieser widerliche Kerl dich angefasst hat, tut mir leid. Das hätte dir nicht passieren dürfen. Am liebsten hätte ich ihn in der Luft zerrissen. Es war nicht so einfach, dir voll zu vertrauen, wenn ich keine Ahnung habe, was du vorhast.“ Er kratzt sich am Kopf. „Für einen kurzen Moment dachte ich, dass du wirklich mit ihnen mitgehen willst. Das war wie eine Ohrfeige.“
Ich gebe Killian einen Kuss auf die Wange, um ihn von der gedanklichen Ohrfeige wieder abzulenken. Ich sichere ihm zu: „Mach dir keine Sorgen, du wirst mich nicht mehr los.“
Killian stellt seine Bohnen zur Seite, legt einen Arm um mich und zieht mich an sich. „Das ist gut zu wissen.“ Ich werde am Oberarm gestreichelt. „Und was ist mit dir? Der Kerl hat ganz schön an dir gezerrt. Und die scheiß Aktion mit dem Stock hätte sich der impotente Wichser auch sparen können.“ Killian brummt verstimmt, doch das Brummen verstummt, als ich meinen Kopf an seinen schmiege.
„Es hat mir Angst gemacht, aber es ist nichts passiert. Alles ist gut.“
„Tut mir leid, dass ich es nicht verhindern konnte. Wahrscheinlich haben sie uns gehört und sich einen Plan zurechtgelegt, während wir sie nicht einmal bemerkt haben.“ Er seufzt. „Was für ein beschissener Tag. Wer weiß, wie oft uns das noch passieren wird. Da draußen gibt es bestimmt noch mehr Arschlöcher.“
„Du musst dich nicht schuldig fühlen, Killian. Es ist vorbei. Die Hauptsache ist, dass sie nicht auf dich geschossen haben. Ich hätte keine Ahnung, was ich tun soll, wenn dich jemand verletzt.“
„Du könntest mir etwas von deinen übermenschlichen Selbstheilungskräften abgeben“, scherzt Killian. Da ich damit nicht gerechnet habe, lache ich los.
„Oh, klar, natürlich. Wieso habe ich nicht selbst daran gedacht?“ Ich lege eine Hand an meinen Kopf und die andere an seinen, dann beginne ich zu summen. „So, fertig. Heilkräfte übertragen.“
Killian lacht los, doch dann stoppt er plötzlich. „Das war doch ein Witz, oder?“
Sein fragender Blick bringt mich wieder zum Lachen. „Ja, ja, natürlich, das war ein Witz. Das kann ich leider nicht. Ich glaube nicht, dass das überhaupt möglich wäre, selbst mit Magie.“
Er schnaubt amüsiert. „Eigentlich schade, dass es nicht so einfach ist.“
„Ja, tut mir leid.“
„Dir tut es leid?“, fragt er mich überrascht. „Meinem nutzlosen menschlichen Körper sollte es leidtun. Der könnte sich ruhig mehr anstrengen.“
Kichernd mustere ich Killian, dann lehne ich mich ihm entgegen und spitze meine Lippen. Er versteht den Wink sofort und küsst mich. „Du bist gut so, wie du bist“, antworte ich sanft. „Und ich liebe dich.“
„Ich dich auch, Prinzessin. Danke, dass du uns heute den Arsch gerettet hast. Ich weiß deinen Mut sehr zu schätzen. Danke, ehrlich.“ Er zieht einen Mundwinkel hoch.
Zufrieden verwickle ich Killian in einen weiteren Kuss. Unsere Lippen berühren sich einige Male, dann nehme ich allerdings wieder ein wenig Abstand, damit er in Ruhe weiteressen kann. Mit einer Geste bietet er mir etwas von seinen Bohnen an, doch ich lehne ab. Mit meinem Früchtebrei und den gesalzenen Pistazien bin ich bestens versorgt.
Das von uns gemachte Feuer wird immer kleiner. Die Wolken am Himmel verdecken die Lichter der Monde, auch das grüne Schimmern ist nur an wenigen Stellen gut sichtbar. Ich schreibe die letzten Zeilen in mein Tagebuch und klappe es anschließend zu. Dieser Tag war einer der aufregendsten, aber auch der gefährlichste, den wir seit langem erlebt haben.
„Kommst du mit ins Zelt?“
„Ja, bin gerade fertig geworden.“
Mein Liebster reicht mir die Hand, um mir hochzuhelfen. Mein Tagebuch verstaue ich in meiner Tasche. Am Teich spült Killian das Glas und die Dose recht grob aus. Ich sehe ihm dabei zu, wie er jeweils eines der Gefäße an einen der Einkaufswagen bindet. Auf meinen fragenden Blick antwortet Killian schnell: „Falls uns jemand bestehlen will, während wir schlafen, wird uns der Lärm hoffentlich aufwecken.“
Ich nicke. „Das ist eine gute Idee.“
Grinsend sieht Killian mich an. „Danke.“
Wir klettern in das Zelt und machen es uns gemütlich. Die Erlebnisse des heutigen Tages laufen wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Dass ich jemandem das Leben genommen habe, fühlt sich so unwirklich an. Killian legt seinen Arm um mich.
„Ich hatte keine andere Wahl, oder?“, frage ich leise.
Killian schweigt einen Moment. „Nein. Ich bin ziemlich sicher, dass es ihr Plan war, auf mich zu schießen, sobald sie sich nicht nur unsere Vorräte, sondern auch dich unter den Nagel gerissen haben.“ Killian drückt mir einen Kuss auf die Stirn. „Du hast das richtige getan. Du hast uns gerettet, Prinzessin.“
Ich seufze. „Wenn es sich doch nur so anfühlen würde.“