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Kapitel 9:
Ins grüne Licht
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Killian hilft mir dabei, den Schmutz aus meinem Gesicht zu wischen. Dank der überstürzten Flucht letzter Nacht, dem Regen und dem Matsch bin ich schmutziger als jemals zuvor. Ich kann es kaum erwarten, mich in das nächstbeste Gewässer zu stürzen, um mich endlich gründlich zu waschen. Die Wut, die ich wegen letzter Nacht in mir trage, wird immer geringer, je länger ich Killians blaue Augen verfolge. Er will nur das Beste für uns, doch es fällt mir schwer, meinen Groll vollkommen zu vergessen. Schon als die Welt der Menschen noch nicht in Trümmern lag, hat Killian mir das Gefühl gegeben, dass die anderen Menschen negativ auf mich reagieren könnten, doch er hat mich noch nie als Monster betitelt. Selbst nachdem er sich entschuldigt hat, schwirrt dieses Wort immer noch in meinem Kopf herum. Egal wie sehr ich versuche, meine Gedanken in eine neue Richtung zu lenken, landen sie doch immer wieder bei diesem einen Wort. Monster.
„Ich bin kein Monster“, flüstere ich deprimiert, worauf Killians Augen sich weiten. Ich senke meinen Blick.
„Oh nein, meine scheiß große Fresse.“ Killian brummt verstimmt, dann legt er seine Hand an mein Kinn, um dafür zu sorgen, dass ich ihn wieder ansehe. „Hör zu, ich hätte das nicht sagen sollen. Ich kann versuchen, es dir noch einmal richtig zu erklären. Menschen sind festgefahrene Wesen. Wir sind es gewohnt, dass wir die Einzigen sind und alles Andere, was wir nicht kennen, macht vielen von uns Angst.“
„Aber ihr kennt uns doch“, antworte ich ihm. „Aus euren eigenen Geschichten.“
„Ja, schon, aber es macht einen großen Unterschied, ob wir uns einen Film ansehen, in dem ein Mensch eine Meerjungfrau spielt oder ob ein Wesen, dass wir für Fiktion halten, plötzlich vor uns steht.“
Ich atme tief durch. „Du hältst mich aber nicht für ein Monster, oder? Das aus deinem Mund zu hören, gibt mir das Gefühl anders zu sein, ausgestoßen, verloren. Ich weiß es nicht genau. Jedenfalls ist es kein gutes Gefühl. Meine Liebe für dich ist größer, als du es dir vermutlich vorstellen kannst und der Gedanke, dass du mich nicht als gleichwertig betrachtest, ist richtig beschissen. Entschuldige meine Wortwahl, aber ich fühle mich schlecht und das Gefühl will nicht wieder verschwinden.“
Killian wirkt von meinen Worten betroffen. „Ich weiß nicht genau, was ich jetzt sagen soll.“
„Am liebsten wäre es mir, wenn du mir sagst, was du empfindest, damit ich mir nicht dumm vorkomme.“
Killian wischt noch einmal sanft über mein Gesicht. „Okay, ich versuche es.“ Er atmet tief durch, bevor er wieder spricht: „Ja, du bist anders, aber unsere Unterschiede sind für mich etwas Gutes. Natürlich sind wir auf einer gleichen Ebene, es ist nur so, dass es dir in meiner Welt an Erfahrung fehlt, die ich mein ganzes Leben lang gesammelt habe.“ Killian zupft einen Strohhalm aus meinem Haar. „Für mich bist du dieses wunderschöne, magische Mädchen aus meinen Träumen und ich kann mich glücklich schätzen, dich zu haben.“ Er zuckt mit den Schultern. „Eigentlich sind die Menschen das Monster in dieser Geschichte. Wenn jemand aus der Norm fällt, zieht er in der Welt der Menschen immer negative Aufmerksamkeit auf sich und wenn das schon für Menschen zerstörerisch sein kann, war es für mich nur klar, dass es für jemanden wie dich noch schwieriger sein wird. Je verbohrter die Menschen sind, desto gefährlicher sind sie und religiöse Menschen sind meistens leider sehr verbohrt.“
„Und wieso seid ihr so?“, frage ich leise.
„Wenn ich das nur wüsste.“ Killian nimmt mich fest in den Arm. „Es tut mir leid, dass meine Worte dich verletzt haben. Das wollte ich nicht.“ Ich schließe meine Augen und genieße Killians Umarmung. Mein Liebster streicht durch mein Haar. „Für mich bist du das Wertvollste, das ich habe und deswegen will ich dich vor den Menschen beschützen. Ich wollte dir nichts wegnehmen oder uns etwas kaputt machen, indem ich die Ranch unbedingt verlassen wollte. Ich hatte nur das Gefühl, dass wir dort nicht sicher sind und dass unsere Taschen durchwühlt wurden, hat dieses Gefühl bestätigt. Ich wollte verschwinden, bevor es zu spät ist. Ich wollte uns Ärger ersparen. Wer weiß, was denen sonst noch eingefallen wäre. Das verstehst du doch, oder?“
Ich nicke leicht. „Ich verstehe. Bei deiner Vorsicht solltest du aber darauf achten, dass du mich nicht wieder vor der Welt versteckst. Denn das bedeutet auch, dass du dafür sorgst, dass ich die Welt nicht zu Gesicht bekomme.“
Killian löst sich von mir, um mich wieder anzusehen. Liebevoll streicht er über meine Wange. „Ich verspreche dir, mich zu bessern.“ Unsere Lippen nähern sich. Wir küssen uns sanft, dann sehen wir uns wieder in die Augen. „Fühlst du dich jetzt wieder besser?“
„Ja, ein wenig.“ Ich sehe wieder zur Tür. „Wir wollten uns auf den Weg machen.“
„Na dann komm.“ Killian drückt mir noch einen sanften Kuss auf die Stirn, dann erhebt er sich von dem Strohballen. Er reicht mir die Hand und hilft mir dabei, aufzustehen.
༄ ♫ ༄
Der Weg ist genauso hart, wie er es letzte Nacht war, doch wenigstens kann ich jetzt sehen, wieso sich meine Schritte so schwer anfühlen. Ich streife den Matsch an meinen Schuhen an einem Stein ab. Auch Killian ist die Anstrengung anzumerken. Je weiter wir gehen, desto länger fühlt sich der Weg vor uns an.
„Wir hätten uns keinen besseren Tag für diesen Weg aussuchen können“, meint Killian mit einem leichten Grinsen auf den Lippen. Ich bin sicher, dass sein Tonfall mich aufheitern soll, denn so ziemlich jeder Tag wäre besser gewesen als der heutige.
„Ja, welch wunderschöner und angenehmer Spaziergang. Meine Beine sind gar nicht müde“, antworte ich ihm, worauf er lacht.
„Tut mir leid, dass aktuell alles so beschissen läuft. Ich wäre jetzt echt lieber wieder auf einer Straße.“
„Und ich in einem See. Am liebsten einen mit Wasserfall, damit ich mir den Schmutz aus den Haaren waschen kann. Ich fühle mich eklig.“
„Hm“, gibt Killian überlegend von sich. „Vielleicht wäre ich doch lieber mit dir in diesem See. Ich könnte dir mit deinen Haaren helfen und dann könnten wir zusammen schwimmen.“
„Das würde mir gefallen.“ Killian reicht mir die Hand und wir gehen weiter.
Wir reden nicht viel, als wir uns der verbrannten Erde und somit auch dem grünen Licht immer weiter nähern. Es ist anstrengend, durch die matschige Erde zu laufen. Die Pausen, die immer wieder nötig sind, um unsere Füße von dem Dreck zu befreien, fühlen sich nicht wie eine Pause, sondern wie Arbeit an. Über uns tanzt das grüne Schimmern, während die Sonne auf uns herunterbrennt. Ein wenig Schatten würde uns guttun, doch der nächste Baum lässt noch auf sich warten. Hoffentlich ist das grüne Licht all diese Anstrengung wert.
Plötzlich bleibt Killian stehen. Er drückt meine Hand etwas fester. „Was zur Hölle ist das denn?“ Mit seiner freien Hand deutet er auf den Boden. In dem Matsch sind riesengroße Fußspuren zu sehen. Sie sind deutlich tiefer als unsere, das Wesen, dass diese Fußspuren hinterlassen hat, muss größer und schwerer als wir sein. Bevor ich seine Frage beantworten kann, spricht er jedoch weiter und beantwortet sie selbst: „Vielleicht gibt’s hier irgendwo in der Nähe einen Zoo aus dem ein Tier ausgebrochen ist.“ Killian sieht sich um. Auch ich verfolge mit den Augen die Fußspuren, doch ich kann kein Tier erkennen. Außer noch mehr Matsch und ein paar entfernten Bäumen gibt es nichts zu sehen.
„Könnte ein Troll sein“, antworte ich überlegend. „Die haben große Füße, aber der Boden ist doch sehr matschig, also schwer zu sagen.“
„Ein Troll?“, fragt Killian erschrocken. „Ist das dein Ernst?“
„Ja.“ Ich nicke. „Trolle haben große Füße und das sind große Fußspuren.“
Killian sieht mich verdutzt an. „Okay, was tun wir, wenn wir ihn sehen? Ist das ein Problem? Ist er gefährlich?“
„Die meisten sind es nicht. Sie wollen eigentlich in Ruhe gelassen werden.“ Ich betrachte die Fußspuren etwas genauer, dann verfolge ich mit den Augen die Schritte, die das Wesen gemacht hat. Die Fußspuren ziehen einen Kreis. Wahrscheinlich hat das Wesen festgestellt, dass es hier draußen nichts Interessantes zu sehen gibt und ist wieder dahin gegangen, woher es gekommen ist. „Sieh mal, da hinten ziehen die Spuren eine Schleife. Das Wesen muss zurück zum grünen Licht gegangen sein.“ Ich gehe einen Schritt, doch Killian hält mich fest. „Was ist denn?“
„Du willst doch jetzt nicht weitergehen?“
„Doch, natürlich. Meine Neugierde ist jetzt sogar noch größer als zuvor“, erkläre ich ihm. „Was, wenn die Magie dort tatsächlich stärker ist? Wenn die Magie hochkonzentriert ist?“ Meine Augen weiten sich. „Hochkonzentriert, Killian. Vielleicht kann ich die Rune aktivieren.“ Ich befreie mich aus Killians Griff und stapfe weiter.
Mein Liebster folgt mir sofort. „Warte, warte, warte“, bittet er mich, doch ich gehe weiter. „Was ist mit dem Troll? Und wie willst du das mit der Rune machen? Du hast doch keine Ahnung, wie das alles funktioniert.“
„Ich weiß es nicht. Ich schätze, dass ich die Rune, die wir gefunden haben, in den Boden zeichne und dann schaue, was passiert. Vielleicht macht die Magie dann den Rest“, antworte ich Killian, da greift er wieder nach meiner Hand. Ich bleibe stehen und sehe ihn an.
„Okay, aber sei nicht enttäuscht, wenn nichts passiert.“
„Und wenn es doch funktioniert?“, frage ich hoffnungsvoll.
„Keine Ahnung. Irgendwie macht mir das schon Angst. Hoffentlich passiert dir nichts.“
„Was sollte passieren? Ich öffne ein Portal und dann können wir versuchen, in meine Heimat zu gelangen. Das würde alles ändern.“
Die Verwirrung ist Killian ins Gesicht geschrieben. „Ilaria, ich kann deinen Gedankengängen gerade nicht richtig folgen. Kannst du von ganz vorne anfangen?“
„Der Troll ist riesengroß, so wie die Monde am Himmel. Auch er muss durch ein Portal gekommen sein. Vielleicht ist sogar eines geöffnet und deswegen strahlt das grüne Licht da hinten viel heller.“
„Ja, aber vielleicht ist der Boden auch sehr empfindlich und das Licht scheint aus den Rissen oder wir finden einen breiten Riss in der Erde. Wir sollten vorsichtig sein und aufpassen, wohin wir treten.“ Ich nicke. „Mach dir lieber nicht zu viele Hoffnungen, Ilaria. Ich will nicht, dass du enttäuscht bist, wenn es außer dem grünen Licht nichts weiter zu sehen gibt.“
„Was sollte mich mehr enttäuschen, als das Leben zwischen Trümmern?“ Ich lasse Killians Hand los und bewege mich so schnell wie möglich vorwärts. Hinter mir höre ich ein tiefes Seufzen. Mein Liebster folgt mir, auch wenn ich mir mehr als sicher bin, dass er das für eine schlechte Idee hält.
Je näher wir dem grünen Licht kommen, desto stärker fühle ich mich davon angezogen. Killian hatte Recht. Es sieht tatsächlich so aus, als würde das Licht aus dem Boden strömen. Er hatte allerdings auch Unrecht, denn der Boden unter unseren Füßen wirkt solide und sicher und er ist auch weniger matschig, als das Feld, über das wir gelaufen sind, um hierher zu gelangen. Ich nehme mir einen langen, ausgedehnten Moment Zeit, um das grüne Licht zu betrachten. Die Magie strömt Richtung Himmel. Die Fäden tanzen wie Flammen, wirken jedoch nicht so zerstörerisch wie loderndes Feuer. Das Gegenteil ist der Fall. Das grüne Licht wirkt friedlich, es erfüllt mich mit wohliger Wärme. Als ich meine Hand hebe, um danach zu greifen, spüre ich ein Kitzeln und Kribbeln an meiner Haut. Winzige Magiepartikel schweben durch die Luft. Sie erinnern mich an winzige Mondkäfer, an die Spiele mit meinen Freunden, an die Nacht, in der ich Killian erzählt habe, wie man Mondkäfer fängt.
„Ilaria?“, höre ich Killians Stimme leise hinter mir. „Willst du es versuchen?“ Ich drehe mich zu Killian um. Das Licht der Magie spiegelt sich in seinen Augen. Sein Blick ruht auf mir. „Keine Ahnung, was passieren wird, aber ich will, dass du nichts unversucht lässt.“ Er reicht mir einen kleinen, verkohlten Stock.
Ich nehme den Stock an mich. Die Kohle färbt meine Hand sofort schwarz. Ich reibe die Asche in meinen Fingern und sehe zu, wie meine Haut immer dunkler verfärbt wird. „Ich habe Angst.“
„Wovor?“, fragt Killian mich.
„Davor, dass ich verschwinde und wir getrennt werden.“
Killian schüttelt den Kopf. „Das wird nicht passieren. Unsere Seelen sind doch verbunden, nicht wahr? Du bist von deiner Welt in meine gestolpert um mich zu finden, uns wird nichts trennen.“
„Bist du dir sicher?“
„Klar.“ Killian zieht einen Mundwinkel hoch.
„Du bist ein schlechter Lügner“, antworte ich ihm, dann wische ich mir über die Augen. „Hältst du meine Hand?“
Killian greift nach meiner Hand und wir gehen zusammen in die Knie. Es ist nicht ganz einfach, die Rune in den Boden zu ritzen, doch ich gebe mein Bestes. Ich habe sie so oft betrachtet und nachgezeichnet, dass jede Bewegung automatisch abläuft. Killian drückt fester zu, ich bin sicher, dass auch er Angst davor hat, dass ich verschwinde und wir beide getrennt werden. Ich betrachte die Rune.
„Funktioniert es?“, fragt Killian mich, doch ich kann ihm nicht antworten. Ich bin zu fixiert darauf, die geschwungenen Linien der Rune anzustarren. Erschrocken schnappe ich nach Luft, als die Linien anfangen zu schimmern. Aufgeregt berühre ich sie, dabei kneife ich meine Augen zusammen und drücke Killians Hand so fest ich kann. Da ich nicht weiß, wie ein magisches Portal funktioniert, konzentriere ich meine Gedanken auf mein Zuhause. Ich denke an den Strand, an das Rauschen des Meeres, an die leckeren Früchte, die an den Bäumen wachsen. Das Kribbeln der Magie umspielt meine Finger und meine Hand, bis zu meinem Unterarm. Als das warme Gefühl plötzlich wieder verschwindet, öffne ich meine Augen. „Fühlst du irgendetwas?“
Ich sehe Killian an, dann auf die Rune, dessen Licht auch dieses Mal wieder erloschen ist. Die Hoffnung, die ich mir gemacht habe, in meine Welt zurück zu können, stirbt genauso schnell, wie sie aufgekeimt ist.
Missmutig beschwere ich mich: „Die Rune ist schon wieder erloschen. Genau wie bei unserem letzten Versuch. Natürlich hat es nicht funktioniert. Wieso sollte es auch?“
„Tut mir leid, Prinzessin.“ Killian richtet sich auf und ich folge ihm. Er nimmt mich sofort fest in den Arm und drückt mich an sich. „Hey, du hast es versucht und das ist das Wichtigste. Wir tun alles, was in unserer Macht steht.“
Ich schüttle den Kopf. „Dieses Gefühl. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass es funktionieren könnte. Die Magie ist hier überall, ich muss sie nur irgendwie in die Rune stecken. Wenn ich nur wüsste, wie das geht, dann würde es funktionieren. Ich bin ganz sicher.“
„Ähm, Ilaria? Wie-Wie sieht so ein Troll aus?“ Killians Griff wird fester.
„Hm?“ Ich versuche, über meine Schulter zu sehen, doch da spüre ich schon die Vibrationen unter mir. Das tiefe Brummen, das plötzlich ertönt, ist mir nur zu bekannt. Ich bin sicher, dass es von einem Waldtroll stammt. „Bleib ganz ruhig.“ Vorsichtig löse ich mich von Killian, zumindest soweit, dass ich mich umdrehen kann. Sein Griff wird jedoch schnell wieder fester. Durch das grüne Licht, das ihn umhüllt, ist der Troll schwer zu erkennen. Zweifel habe ich trotzdem keine. Die breite, eindrucksvolle Silhouette des Trolls verschwindet immer weiter in dem Licht. Bei jedem Schritt bebt der Boden unter unseren Füßen. Der Troll scheint uns nicht zu bemerken und falls doch, dann ignoriert er unsere Anwesenheit. Das, was sich hinter dem Licht verbirgt, scheint viel interessanter für ihn zu sein. Das grüne Licht strahlt so hell, dass ich meine Augen zusammenkneife. Es ist unangenehm, zu lange direkt in das Licht zu sehen. Dieses Gefühl schmälert seine Anziehungskraft jedoch nicht im Geringsten. „Wir sollten ihm folgen“, bitte ich Killian.
„Du willst durch das Licht gehen?“
„Ja“, antworte ich. Die Vibrationen der Schritte sind regelmäßig. Der Boden scheint stabil genug zu sein, um den Troll auszuhalten. All die restlichen Bedenken, die ich über diesen Ort und das grüne Licht hatte, sind nun verschwunden.
„Okay, soll ich vorangehen?“ Killians Umklammerung wird nun lockerer, er lässt mich schließlich los, greift jedoch sofort wieder nach meiner Hand.
„Ich kann das machen, wenn du Angst hast“, entgegne ich ihm.
„Nein, ich habe keine Angst, es ist alles gut.“ In seinen Augen erkenne ich, dass er auch jetzt wieder die Wahrheit meidet. Er will mich beschützen, er will dafür sorgen, dass ich mich an seiner Seite sicher fühle und das tue ich. Mein Liebster atmet tief durch. Er drückt mir einen sanften Kuss auf die Lippen. Als wir uns von einander lösen, lächle ich leicht. „Bitte lös dich nicht in Magie auf, wenn wir da reingehen.“
„Dasselbe gilt für dich.“
Killian geht voran. Er drückt meine Hand. Das grüne Leuchten wird heller und heller. So hell, dass ich meine Hand vor meine Augen halten muss, um dem Licht zu entgehen. Killian nimmt mich plötzlich fest in den Arm. Er drückt mein Gesicht an seine Schulter. Das tiefe Brummen des Trolls ist deutlich zu hören. Die Schritte entfernen sich immer weiter von uns. Ich hebe meinen Kopf und sehe Killian an.
„Okay, was ist hier los?“, fragt Killian verwirrt. „Hat es doch funktioniert?“
Ich lasse von Killian ab und drehe mich um. Gerade eben sind wir noch durch ein trostloses, matschiges Feld gelaufen, doch nun befindet sich ein Wald vor uns, in den der Troll verschwindet. Verwirrt blinzle ich, dann werfe ich einen Blick über meine Schulter. Das grüne Licht schimmert und flackert nach wie vor. Auch die Magiepartikel wirken unverändert, als sie durch die Luft tanzen. Der Boden unter unseren Füßen ist kahl und deutlich trockener als wenige Schritte zuvor. Vereinzelte saftige Grasbüschel zieren die dunkle Erde. Nach und nach schließen sie sich zu einer grünen Wiese zusammen, die den Wald umgibt. Abgesehen von dem Gras kann ich auch einzelne Blumen entdecken. All das wirkt so seltsam deplatziert, wenn ich bedenke, was ich noch vor wenigen Minuten gesehen habe.
„Ilaria?“
Ich sehe zu meinem Liebsten auf. „Ich weiß es nicht. Ich-Ich weiß nicht, was passiert ist.“
„Was tun wir jetzt?“
„Gehen wir weiter?“, schlage ich vor. „Wir machen auf der Wiese eine Pause. Das ist um einiges angenehmer als auf dem Feld durch den Matsch zu laufen.“
„Ja“, stimmt Killian mir zu. Er zieht seine Brauen zusammen. „Aber ich komme geistig gerade gar nicht richtig mit. Sind wir durch ein Portal gelaufen? Hast du es wirklich aktiviert?“
„Ich weiß es nicht, Killian. Ich bin genauso ratlos wie du. Das ist nicht das, woran ich gedacht habe, als ich versucht habe, die Rune zu aktivieren.“ Ich sehe von Killian wieder zurück auf das grüne Licht hinter uns. Eines der magischen Partikel schwebt in meine Richtung. Mit den Augen verfolge ich die Flugbahn bis über meinen Kopf und sehe dem winzigen Licht nach. Es ist schwer, mich länger darauf zu fokussieren, da das grüne Licht so hell erstrahlt. „Es hat sich so angefühlt.“
„Komm, wir sollten uns setzen. Mein Kopf kann eine Pause gebrauchen und meine Füße sowieso.“
Killian führt mich an der Hand Richtung Wald. Immer wieder wirft er einen Blick auf die Bäume, seine Schritte bleiben jedoch gleichmäßig und bestimmt. Auch ich sehe mich immer wieder um. Zwischen all den Fragen in meinem Kopf taucht auch ein ziemlich banaler Gedanke auf. Endlich wieder laufen zu können, ohne ständig Matsch von meinen Schuhen zu kratzen, fühlt sich erleichternd an. Nachdem Killian stehen bleibt, lässt er seinen Rucksack sinken und löst die Bänder, durch die sein Schlafsack befestigt ist. Mit wenigen Handgriffen legt er die Plane unseres Zeltes auf den Boden. Ich nehme Platz und auch mein Liebster lässt sich schwerfällig neben mich auf den Boden nieder. Ich ziehe meine Wasserflasche aus dem Seitenfach meines Rucksacks und reiche sie Killian. Er betrachtet den Inhalt für einen Moment. Auf dem Weg hierher haben wir das Wasser rationiert. Wir sollten versuchen, einen Fluss oder einen See zu finden, um unsere Flaschen wieder zu füllen. Ohne Wasser wird mein Liebster nicht lange durchhalten.
„Das ist so verrückt.“ Killian schüttelt den Kopf. „Das war wirklich ein Troll? Ich konnte ihn kaum erkennen, aber dieses riesige Ding war doch schon verdammt einschüchternd.“ Nun schüttelt er sich. „Ich verstehe nicht ganz, was da gerade passiert ist.“ Ich lehne mich an meinen Liebsten. Er legt seinen Arm um mich. „Ist alles okay?“
„Der Troll kam doch bestimmt aus dem Licht nicht wahr?“ Ich sehe zu dem Wald, in dem er verschwunden ist. „Also er kam aus dem Wald, dann durch das Licht und auf das Feld und dann von dem Feld durch das Licht wieder in den Wald.“
„Mhm“, stimmt Killian mir überlegend zu. „Dann ist das Licht vielleicht tatsächlich ein Portal?“
„Das ist eine gute Frage.“ Ich betrachte das grüne Licht und kratze mich am Hals. Der getrocknete Matsch juckt an meiner Haut. Als ich den Matsch von meinen Fingern ins Gras fallen lasse, bemerke ich, dass ich immer noch Kohle an meiner Hand habe. Wahrscheinlich habe ich mich gerade noch schmutziger gemacht, als ich ohnehin schon bin. „Dann hat es wohl doch nicht funktioniert. Wäre wahrscheinlich ohnehin zu einfach gewesen. Man müsste für Magie nicht so lange studieren, wenn jemand, der keine Ahnung von Magie hat, bloß eine Rune in den Matsch zeichnen müsste.“
Killian schnaubt. „Gut, okay, das leuchtet ein.“ Er gestikuliert Richtung Licht. „Das Wortspiel war nicht beabsichtigt.“ Ich kichere. „Dann steht hier also ein Portal und wir sind durch dieses Portal gegangen. Einfach so, ohne irgendwelche Probleme. Ein Portal zwischen zwei Welten, die eigentlich beide irgendwie untergegangen sind.“
Ich sehe Killian fragend an, dann weiten sich meine Augen. „Wenn das hier tatsächlich meine Welt ist, dann kann ich wieder nach Hause.“
Nachdenklich nickt Killian. „Vorausgesetzt wir finden heraus, wo dein Zuhause ist und naja, dass alles okay ist. Vielleicht hat Elias dasselbe erlebt, was in San Francisco passiert ist. Das würde erklären, wieso er dachte, dass eure Welt verloren ist.“ Er streicht durch seinen Bart. „Vielleicht finden wir jemanden, der uns helfen kann, das alles besser zu verstehen. Wir fügen hier ja nur Puzzleteile zusammen, aber irgendwie ergibt das alles immer noch keinen Sinn.“
Ich nicke zustimmend, dann sehe ich wieder Richtung Wald. „Wie sieht unser Plan aus?“
„Wir brauchen Wasser“, antwortet Killian mir. „Wenn du welches aufspüren könntest, wäre das großartig. Erst Wasser, dann brauchen wir etwas zu essen. Am klügsten wäre es wohl, wenn wir dem Waldrand folgen. Im Wald selbst könnten wir uns verlaufen. Nicht, dass es einen Unterschied machen würde.“ Killian schnaubt amüsiert.
„Dann willst du den Wald gar nicht erkunden?“, hake ich nach.
Killian wiegt seinen Kopf hin und her. Er greift sich einen kleinen Stein neben der Plane und beginnt damit, den Matsch von den Seiten seines Schuhs zu kratzen. „Der Troll war mir doch schon unheimlich und auch, wenn der Wald interessant aussieht, bin ich doch eher vorsichtig. Einerseits will ich alles sehen, anderseits will ich lieber nicht sehen, was da drinnen auf mich lauern könnte. Auf Bären wäre ich irgendwie noch gefasst, auch wenn so ein Bär schon gefährlich genug ist und uns bei lebendigem Leib fressen könnte.“
„Was? Du sagst das, als wäre das nicht das Schlimmste, was ich mir vorstellen könnte.“ Killian bekommt einen leichten Schubs von mir. „Sag so etwas nicht. Das ist doch furchtbar.“
Killian lächelt mich an, dann widmet er sich wieder seinem Schuh. „Tut mir leid, mein blöder Humor schon wieder.“
„Weißt du Killian, ich war schon öfter in Wäldern unterwegs. Wenn man sich den Trollen gegenüber respektvoll verhält und auf ihre Zeichen achtet, dann ist man sicher. Ich kenne mich aus, ich weiß, wie man sich verhalten muss.“ Killian sieht zu mir, dann greift er sich mein Bein und sorgt nun dafür, dass auch mein Schuh wieder sauber wird. „Hey, das kitzelt.“ Mein Fuß zuckt, ohne, dass ich es kontrollieren kann.
„Tut mir leid, Prinzessin. Also, du bist dir sicher, dass die Wälder ungefährlich sind?“
Ich nicke, dann beginne ich zu erzählen: „Nun, es ist kein Sumpf, das heißt, dass die Trolle, die hier leben, ungefährlich sind. Steintrolle sind groß und einschüchternd, genauso wie Waldtrolle, aber sie sind ungefährlich, wenn man ihre Körpersprache versteht. Trolle, die in Sumpfgebieten leben sind Fremden gegenüber deutlich aggressiver. Ich habe gelesen, dass das daran liegt, dass in Sümpfen seltener andere Wesen unterwegs sind und sie deswegen keine anderen Wesen gewohnt sind. Für sie sind wir eine potenzielle Bedrohung.“ Auch mein zweiter Schuh wird von Killian gereinigt. Ich bin ziemlich sicher, dass er diese Geste nutzt, um seine nervöse Energie irgendwie wieder loszuwerden. „Du hast doch gesehen, dass er uns in Ruhe gelassen hat.“
Killian brummt als Antwort. Er tätschelt meinen Schenkel, dann sieht er mich an. „Durch das Licht konnte ich eigentlich wortwörtlich kaum etwas sehen, vielleicht hat er uns ja auch nicht gesehen.“ Mein Liebster atmet tief durch. „Wir drehen uns ein wenig im Kreis.“
„Wir nehmen den Waldrand“, entscheide ich für uns beide. „Wenn ich jedoch Wasser im Wald spüre, müssen wir unsere Entscheidung überdenken.“
„Okay, dann passen wir unseren Plan unseren Begebenheiten an.“ Killian öffnet seinen Rucksack. „Bevor wir weiterziehen, sollten wir allerdings eine Kleinigkeit essen.“
„Das halte ich für eine gute Idee.“ Ich rümpfe die Nase, als ich meine dreckigen Hände ansehe. „Ich will kein Wasser verschwenden, aber so kann ich unmöglich essen.“
Killian lässt seinen Blick auf meine Hände gleiten, dann greift er sich meine Wasserflasche und ein Taschentuch. „Hier, das sollte helfen.“ Behutsam feuchtet er das Taschentuch an, dann reicht er es mir.
„Vielen Dank.“ Ich wische über meine Finger, um sie so sauber wie möglich zu bekommen. „Ich verfluche mich dafür, dass ich letzte Nacht gefallen bin. Noch nie habe ich mir einen See so sehr gewünscht, wie heute.“
„Tröstet es dich, wenn ich dir sage, dass du in meinen Augen trotzdem wunderschön aussiehst?“, fragt Killian mich.
„Ein bisschen vielleicht. Vielen Dank, mein Liebster.“
༄ ♫ ༄
Killian und ich spazieren den Waldrand entlang. Die Sonne über uns wird durch die Bäume gemildert. Es ist deutlich angenehmer als auf dem Feld, dennoch fühlt es sich seltsam an, hier zu sein. Ich lasse mir die letzte Nacht durch den Kopf gehen. Killians Entscheidung, sofort die Ranch zu verlassen, die Nacht, in der mir kein einziger Schritt sinnvoll vorkam und nun sind wir hier. Als müssten diese Entscheidungen mich genau hierherführen. Ich erinnere mich auch an Josephs Worte die mir so passend erscheinen. Alles, was passiert ist, ist ein Teil von etwas Größerem.
„Es ist fast erschreckend, wie friedlich es hier ist, findest du nicht?“, fragt Killian mich. Seine Worte holen mich aus meinen Gedanken zurück in die Realität.
„Findest du?“
„Ja, die Luft ist angenehm, die Vögel zwitschern. Alles wirkt so normal. Keine zerstörten Häuser, keine Trümmer. Es ist so ein morbider Kontrast zu allem, was wir in den letzten Wochen gesehen haben. Als hätten wir ganz normal die Stadt verlassen, um einen Spaziergang im Wald zu machen“, erklärt Killian. „Den Gedanken finde ich irgendwie schön.“
Ich verfestige den Griff an Killians Hand, dann ziehe ich ihn ein Stückchen näher an den Wald. „Ich spüre Wasser.“
„Was ist es? Ein Teich? Ein Bach?“, hakt Killian nach.
„Das weiß ich nicht, aber es ist viel Wasser.“
Killian und ich steigen durch das Geäst. Wir kämpfen uns zwischen Gebüsche hindurch. Das Gefühl, dem Wasser immer näher zu kommen, wächst immer weiter. Ich kann die Aufregung immer deutlicher spüren. Das Wasser ruft nach mir und ich folge „Wir sind bald da“, verspreche ich zuversichtlich. Die Bäume werden weniger und schließlich finden Killian und ich uns an einer Lichtung ein.
„Wow“, gibt Killian staunend von sich. „Wie in einem Fantasyroman.“
Ich sehe über meine Schulter in sein Gesicht. „Kein Wunder, dass dich unsere Natur so enttäuscht hat.“
Langsam nähern wir uns dem Wasser. Ich lächle breit, als ich all die Pflanzen wiedererkenne. Die prächtigen Äste des violetten Rauchblattes ragen über das kristallklare Wasser, das von Silberschilf umgeben ist. Ich bin sicher, zwischen den breiten Halmen des Silberschilfs das Schimmern einer Fee zu erblicken, doch das glänzen des Feenstaubes verblasst schneller, als ich die Fee ausmachen kann.
Killian hält mich am Arm fest. Er nimmt mir meinen Rucksack ab.
„Willst du mir Gesellschaft leisten?“, frage ich, als ich nun auch meine Tasche ablege und damit beginne, mich auszuziehen.
„Klingt wahrscheinlich vollkommen bescheuert, aber es fühlt sich nicht so an, als ob ich das dürfte“, meint Killian, wobei er sich umsieht. „Das ist doch ein Traum und nicht real.“ Er schüttelt den Kopf. Vorsichtig nimmt er einen Halm des Silberschilfs zwischen seine Finger. „Heute muss ich verdammt viel verdauen.“ Als er sich wieder zu mir umdreht, bin ich bereits vollkommen nackt.
„Während du damit anfängst, wasche ich meine Haare.“ Ich eile die letzten Schritte Richtung Wasser, hebe meine Arme über meinen Kopf und tauche in den Teich ein. Meine Beine schließen sich zusammen und ich spüre das Wasser an meinen Schuppen. Um den Matsch endlich wieder loszuwerden, versenke ich meine Hände in meinen Haaren. Ich schüttle eilig den Kopf und lasse die Luft aus meinen Lungen. Mit zwei kräftigen Zügen erreiche ich die Oberfläche. Besonders tief ist das Wasser leider nicht, doch es reicht, um mein Verlangen zu stillen und mich zu waschen.
„Und? Wie ist das Wasser?“, höre ich Killians Stimme. Um ihn sehen zu können, muss ich mein klitschnasses Haar aus meinem Gesicht streichen.
„Es ist wundervoll. Du solltest mir Gesellschaft leisten. Du könntest auch ein kleines Bad vertragen.“ Killian hebt seinen Arm und deutet an unter seiner Achsel zu riechen. Die Art, wie er sein Gesicht vor Ekel verzieht, bringt mich zum Lachen. „Sag ich doch. Komm schon. Komm ins Wasser. Komm zu mir!“
„Ich ähm… Bist du sicher, dass ich das darf? Das alles hier kommt mir so vor, als sollte ich eigentlich nichts anfassen und alles nur von der Seite aus betrachten.“
„Wenn das Wasser nicht möchte, dass man darin schwimmt, dann sollte es kein Teich sondern Regen sein“, erkläre ich, worauf Killian nickt.
„Das ist eine bestechend geniale Logik gegen die ich nichts sagen kann.“ Ich schwimme zum Ufer und strecke mich neugierig in Killians Richtung. Er ist bereits dabei, sich ebenfalls auszuziehen. „Ist in dem Wasser irgendwas Gefährliches? Muss ich vor irgendetwas Angst haben? Schlangen? Beißende Fische? Gefährliche Pflanzen? Ich weiß nicht einmal, wonach ich fragen soll.“
Ich sehe mich um, dann aber wieder zu Killian hinauf. „Ich bin alles, was dir gefährlich sein könnte“, antworte ich bestimmt.
„Das klingt aber nicht besonders einladend.“
„Ich werde ganz sanft sein“, verspreche ich, ehe ich kichere.
„Du kleine, freche Sirene.“ Killian tritt zu mir ans Ufer. „Im Ernst. Ich bin in dem Wasser doch sicher, oder?“
Ich nicke eifrig. „Ich bin hier, also musst du dir keine Sorgen machen.“
Killian wirkt skeptisch, dennoch steigt er bis zu den Knien ins Wasser. Nachdem er sich einmal umgesehen hat, bespritzt er sich selbst, um sich an die Temperatur zu gewöhnen. Um es ihm etwas einfacher zu machen, hebe ich meine Flosse aus dem Wasser und spüle eine Welle in seine Richtung.
„Hey“, beschwert er sich spielerisch und kickt etwas Wasser in meine Richtung. Kichernd nehme ich Abstand und tauche ins tiefere Wasser ein. Da sich meine Haare immer noch so anfühlen, als wären sie schmutzig, wasche ich sie unter Wasser so gründlich wie möglich. Natürlich lasse ich Killian nicht aus den Augen. Ich beobachte, wie er immer weiter ins Wasser tritt und schließlich untertaucht. Mit einem Arm bändige ich mein Haar und drücke es aus meinem Gesicht. Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass Killian mich nicht genau erkennt, hauche ich ihm einen Kuss zu. Wieder an der Wasseroberfläche angekommen, sehen Killian und ich uns an. „Ich will dir nicht den Spaß verderben, aber wir sollten uns langsam überlegen, wo wir die Nacht verbringen.“
„Das sollten wir, ja.“
„Denkst du, dass es eine gute Idee wäre, hier zu bleiben?“, fragt Killian nach. Mit dem Kopf deutet er zu der Stelle, an dem sich unsere Rucksäcke befinden. „Ich weiß ja nicht, ob das so klug wäre mitten im Wald sein Zelt aufzuschlagen.“
„Wieso nicht?“
„Trolle? Wilde Tiere? Keine Ahnung, was uns erwartet. Es ist schön hier, aber ich bin ziemlich nervös. Ich weiß nicht, was ich von all dem halten soll. Ich brauche Zeit, um das alles irgendwie zu verstehen. Unglaublich, dass mich überhaupt noch irgendetwas überrascht, aber das tut es wohl doch.“
„Um die wilden Tiere musst du dir keine Sorgen machen. Ein Feuer reicht aus, um uns nachts zu schützen“, erzähle ich aus meinen Erfahrungen. „Uns ist nie etwas passiert.“
„Und du bist sicher, dass das am Feuer liegt?“
„Natürlich.“ Ich schwimme um Killian herum. Meine Flosse streicht über seine Beine. „Vielleicht spüren die Tiere aber auch, dass wir nett sind und deswegen lassen sie uns in Ruhe.“
„Na ich weiß ja nicht.“ Killian versucht, mir zu folgen, doch dann seufzt er. „Könntest du aufhören, mich so zu umkreisen, mir wird ganz übel.“
„Oh, entschuldige.“ Ich halte vor Killian, dann gebe ich ihm einen Kuss, den er für eine Sekunde erwidert. „Wir sind hier ganz bestimmt sicher. Wir sollten nur auf unsere Sachen aufpassen. Ich glaube, dass ich vorhin eine Fee gesehen habe.“
„Von all den magischen Wesen meine Lieblingswesen.“ Killian verzieht das Gesicht. „Hoffentlich sind die Feen in deiner Welt netter als die im Golden Gate Park.“
„Wir werden es herausfinden.“
Es ist offensichtlich, dass meine Antwort Killian nicht besonders gut gefällt. Das kann ich deutlich an seinem unzufriedenen Gesicht erkennen. Da ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll, zucke ich mit den Schultern und verschwinde anschließend wieder unter Wasser. Bis jetzt habe ich mir noch gar keine Zeit genommen, mir die Pflanzen anzusehen, das wird sich jetzt allerdings ändern. Vielleicht finde ich irgendetwas Essbares. Ich lasse mich immer tiefer ins Wasser sinken, bis ich schließlich einen Stein und den Grund des Teichs unter mir spüre. Nicht nur Killian hat einiges zu verarbeiten, auch ich versinke in Gedanken. War es wirklich so einfach, die Welt, um die ich vor Wochen noch getrauert habe, wiederzufinden?