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Kapitel 6:
Gottes Plan
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Killian und ich kommen dazu, uns eine Weile in unserem zugewiesenen Zimmer auszuruhen. Ich ziehe mir weite, warme Kleidung an, um nicht zu frieren. Meine vom Regen feucht gewordenen Sachen hänge ich über einen Stuhl. Mein Liebster liegt auf dem Bett und sieht aus dem Fenster. Sein Kopf ist auf einem seiner Arme gebettet, seine freie Hand liegt ruhig auf seinem Bauch. Ich tänzle durch das Zimmer und lasse mich schließlich neben ihn auf das Bett sinken. Sofort bekomme ich seine volle Aufmerksamkeit. Er lächelt mich an.
„Hübsch siehst du aus“, macht er mir ein Kompliment, dabei streichelt er meinen Oberschenkel.
„Vielen Dank.“
„Komm her zu mir.“ Ich nehme die Einladung natürlich sofort an und kuschle mich an ihn. Killian drückt mich sanft an sich. „Nach dem Essen muss ich fragen, wo ich mich waschen kann. Wird langsam kritisch. Ich will dich nicht vertreiben.“
„Ist doch gut, so vertreibst du Ungeziefer“, ziehe ich ihn auf, was Killian sofort zum Lachen bringt.
„Ich fürchte, dass ich sie so eher anziehe.“ Er drückt mich noch einmal an sich und küsst meine Schläfe, dann lässt er wieder lockerer. „Vielleicht können wir uns einen Eimer Wasser teilen und uns gegenseitig ein bisschen abschrubben.“
Schmunzelnd sehe ich Killian an. „Das klingt eigentlich gar nicht so übel. Zusammen macht alles doppelt so viel Spaß.“
Killian schnaubt. „Sich mit kaltem Wasser zu duschen, macht mir für gewöhnlich eher weniger Spaß, aber du versüßt mir sogar die unangenehmsten Aktivitäten.“ Nun grinst er ein wenig.
„Lieb, dass du das sagst. Danke.“ Ich lehne mich Killian entgegen und lege eine Hand an seine Wange. Wir sehen uns an, ehe wir uns sanft küssen. „Habe ich dir heute schon gesagt, wie sehr ich dich liebe?“
„Nein, aber du kannst gerne damit anfangen“, antwortet Killian mir. Doch anstatt mich reden zu lassen, verwickelt er mich in einen weiteren, fast schon stürmischen Kuss. Mit einem Ruck zieht er mich auf sich, sodass ich nun auf ihm liege. Durch diese überraschende Geste, bin ich ein wenig überfordert, doch das legt sich schnell wieder. Mein Liebster hält mich fest und spielt mit meinen Haaren, während unsere Lippen sich immer wieder berühren.
Als ich mich von ihm löse, spreche ich: „Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich sagen wollte.“
„Es war bestimmt herrlich kitschig.“ Killian küsst sanft meine Lippen. „Und ich liebe dich dafür. Für alles.“ Er streicht durch meine Haare. „Hauptsächlich dafür, dass du mich aushältst. Die Umstände waren ja nie die besten, aber es wird gefühlt von Tag zu Tag schlimmer.“
„Schlimmer? Meinst du? Abgesehen von den Umständen ist es doch gar nicht so übel.“
„Gut, das stimmt. Wir haben einige gute Tage. Und es ist ja auch nicht alles furchtbar. Immerhin kann ich die Zeit wenigstens mit dir verbringen und das würde ich nicht einmal für eine heiße Dusche aufgeben.“
Killian bringt mich zum Kichern. „Bist du dir wirklich sicher? Du könntest die Dusche gut gebrauchen.“
Erst wirkt er etwas verdutzt, doch dann lacht er. Seine gute Laune bringt mich zum Lächeln. „Auch wenn du das nicht hören willst, du siehst süß aus, wenn du lachst.“ Ungläubig schüttelt er den Kopf. „Du hältst viel zu wenig von dir, ist dir das eigentlich klar?“
Killian sieht erst mich an, dann sieht er wieder aus dem Fenster. „Ich kenne mich ja auch besser als du. Außerdem hast du diesen rosaroten Meerjungfrauen-Blick auf alles.“
„Ich bin nicht dumm, Killian.“
Er zieht eine Braue hoch und sieht wieder zu mir. „Das habe ich mit keinem Wort gesagt. Du bist verliebt, deswegen siehst du mich anders, als ich mich sehe.“ Ich sehe Killian in die Augen und als er sich wegdreht, lege ich meinen Kopf schief.
„Was hast du getan, dass du dich selbst nicht ausstehen kannst? War es wirklich so schlimm?“
Killian reibt sich den Kopf. „Es ist nicht so, dass ich eine große schlimme Sache getan habe, die mich zu einem schlechten Menschen macht. Es ist eher so, dass du dazu neigst, alles Negative auszublenden und wir Menschen nun mal beides an uns haben. Das macht mich manchmal nachdenklich.“ Er seufzt. „Geh bitte runter, das ist irgendwie alles viel tiefer geworden, als es sein sollte.“ Er rollt mich sanft von sich und beugt sich dann über mich. „Lass uns ein andermal darüber reden. Mir ist gerade nicht danach, darüber nachzudenken.“ Ich bekomme einen sanften Kuss und schließe die Augen. Killian nimmt wieder Abstand von mir und klettert aus dem Bett. Ich sehe ihm nach, und beobachte ihn dabei, wie er nach seiner Dose greift und sie leertrinkt.
„Ich liebe dich trotzdem. Zu mir warst du immer sehr nett und aufopfernd und ich weiß es zu schätzen, was du alles für mich tust und wie viel du mir beigebracht hast.“ Ich strecke meine Hand nach ihm aus. Killian greift danach und streicht mit seinem Daumen über meinen Handrücken. „Wir haben doch alle unsere positiven und unsere negativen Seiten. Mach dir darüber keine Sorgen.“ Er zieht einen Mundwinkel hoch. In seinen Augen erkenne ich, dass er mir wegen meiner Frage nicht böse ist. Es ist alles gut zwischen uns.
Jemand klopft an unsere Tür. Es ist die ältere Dame, die uns zum Essen holt. Auf dem Weg zum Gemeinschaftsraum verrät sie uns, dass sie Mary heißt und dass sie zusammen mit ihrer Tochter Gina hier auf der Ranch wohnt. Sie waren die ersten, die sich Joseph angeschlossen haben, nachdem sie in einem verlassenen Supermarkt auf ihn getroffen sind.
Killian und ich setzen uns an den Tisch. Während wir auf die restlichen Bewohner der Ranch warten, begutachte ich das Essen dass auf dem Tisch verteilt wurde. Ich entdecke einen großen Topf mit Suppe, Pasta mit Tomatensauce, Schüsseln mit eingelegtem Gemüse, kleine Brötchen und sogar gebratenen Dosenspeck, den auch Killian schon mehrmals über dem Feuer warm gemacht hat. Die Getränke in den großen Kannen könnten Tee sein, sicher bin ich mir allerdings nicht. Mein Liebster legt seine Hand an meinen Rücken und streichelt mich. Ich sehe ihn an und bemerke die Anspannung in seinem Gesicht. Mit einem sanften Kuss auf seine Wange versuche ich, diese Anspannung zu lösen, leider gelingt mir das nur für einen kurzen Moment, denn das Lächeln auf seinen Lippen verschwindet schnell wieder. Ich kann deutlich fühlen, dass irgendetwas nicht stimmt, doch jetzt ist nicht der Moment, um ihn danach zu fragen.
Als sich der letzte Bewohner gesetzt hat, ergreift Joseph das Wort. Er sitzt uns gegenüber. Die gute Laune in seiner Stimme ist nicht zu überhören, als er spricht: „Die meisten von euch haben es schon gehört, aber wir haben heute zwei wunderbare Gäste in unserer Mitte. Gott hat Killian und Ilaria zu uns geführt. Sie haben Alicias Hilferufe gehört und sie aus ihrer misslichen Lage befreit. Ich möchte euch noch einmal von ganzem Herzen danken, dass ihr sie zu uns zurückgebracht habt.“ Er hebt seine Hände links und rechts von sich. Mary, die ältere Dame nimmt seine Hand und auch der Mann neben Joseph ergreift seine Hand. Da alle am Tisch einander an der Hand nehmen, tue ich es ihnen gleich. Auch Killian macht mit. „Lasst uns beten.“ Joseph räuspert sich. „Gott, der du über uns wachst, segne diese Mahlzeit und gib uns die Stärke, dein Werk fortzuführen. Gib uns den Mut, neue Freunde zu finden und die Geduld und Ausdauer, uns ein Zuhause zu schaffen. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.“ Alle Anwesenden wiederholen das letzte Wort und auch Killian murmelt vor sich hin. Obwohl ich zu gerne fragen würde, welchem Gott wir gerade gedankt haben, halte ich mich zurück. Sobald Killian und ich wieder alleine sind, kann er mir diese Frage bestimmt beantworten. Wir lassen einander los und bedienen uns an dem köstlichen Essen.
Der Mann, der neben Joseph sitzt, spricht Killian an. „Hey, ich bin übrigens Tommy.“ Lächelnd hebt er seine Hand, um uns zu grüßen. Sein strubbeliger Bart wirkt ein wenig ungepflegt und lässt ihn fast schon gefährlich wirken, doch seine freundlichen Augen zeigen mir, dass er ein gutes Herz hat. „Wir könnten morgen deine Hilfe brauchen. Wenn das Wetter wieder okay ist, wollten wir noch ein paar Möbel und Vorräte besorgen. Ein kräftiger Kerl mehr kann da nie schaden.“
Joseph nickt. „Das ist eine gute Idee, Tommy.“ Er wendet sich an Killian. „Hast du Lust, uns zu helfen? Wir wollen euch natürlich nicht als Arbeitskräfte einspannen, immerhin seid ihr unsere Gäste, aber wir können jede helfende Hand gebrauchen, um die Ranch noch gemütlicher zu machen. Wir haben noch viel vor.“
Mein Liebster wirft erst mir einen Blick zu und nickt dann. „Ja, klar. Wir helfen gerne“, antwortet er schließlich. Lächelnd streichle ich Killians Arm. Ich bin ziemlich sicher, dass er sich nicht besonders wohl mit dem Gedanken fühlt, etwas ohne mich zu unternehmen. Vielleicht kann ich morgen mitkommen und ebenfalls helfen.
„Danke, mein Rücken weiß das sehr zu schätzen“, erklärt Tommy zufrieden und widmet sich dann seinem Abendessen. Auch Joseph scheint sich sehr über Killians Zustimmung zu freuen.
„Ich hatte schon ein gutes Gefühl, als ich euch beide zum ersten Mal gesehen habe. Sieht so aus, als hätte ich mich nicht in euch getäuscht“, bedankt auch Joseph sich.
Das restliche Essen verläuft recht ruhig. Ich lausche den kurzen Gesprächen der Ranchbewohner und sehe mich immer wieder im Raum um. Ich überlege, eine Seite aus meinem Tagebuch zu reißen und eine Zeichnung für die bunten Wände beizusteuern. Mir gefällt der Gedanke, dass ich diese chaotische, zerstörte Welt ein klein wenig bunter gestalten kann, selbst wenn es nur durch eine Zeichnung auf einer Wand ist.
Nach dem Essen wird es wieder still im Raum. Da niemand aufsteht, bleibe auch ich sitzen und trinke noch einen Becher Tee. Killian legt seine Hand an meinen Schenkel. Er streichelt mich. Ich bin mir ziemlich sicher, dass auch er nicht so recht weiß, wieso wir ohne zu sprechen am Tisch sitzen und uns gegenseitig ansehen. Ein wenig unangenehm ist diese Stille ja schon.
Mit einem lauten Räuspern unterbricht Joseph die Stille und zieht all die Aufmerksamkeit auf sich. Freundlicherweise klärt er uns auf: „Nach dem Essen lassen wir den Tag Revue passieren und nehmen uns die Zeit, auszusprechen, für was wir an diesem Tag dankbar sind.“ Ich nicke leicht. „Ich bin so frei und beginne. Ich bin dankbar dafür, dass wir neue Freunde gefunden haben.“
Mary ist die nächste, die spricht: „Ich bin dankbar, dass Alicia nach Hause gekommen ist.“
Jeder der Ranchbewohner ist für eine andere Kleinigkeit dankbar. Ein Mann für den Regen, eine Frau für das Essen, Alicia ist dankbar dafür, dass wir sie gerettet haben. All die Kleinigkeiten bringen mich zum Lächeln, doch eine Antwort erstaunt mich.
„Ich bin dankbar dafür, dass sich die Wege von Killian und mir nach so langer Zeit wieder kreuzen.“
Nicht nur ich bin über diese Antwort erstaunt, auch Killian ist überrascht. Erst sieht er die Frau fragend an, doch dann weiten sich seine Augen. „Abby?“
„Du hast mich gar nicht erkannt.“
Er schnaubt. „Nein, tut mir leid. Ich habe nicht damit gerechnet, dich hier zu sehen. Es ist ja auch schon eine Weile her.“
„Sieht so aus, als hätte Gott nicht nur einen Plan verfolgt.“ Ich wende meinen Blick zu Joseph, der breit lächelt. „Ihr solltet euch später unbedingt austauschen.“
Abby wirkt sehr zufrieden damit, Killian wiederzusehen, während mein Liebster doch etwas überrumpelt ist. Ich lege meine Hand auf seine, um ihm zu zeigen, dass ich für ihn da bin. Es dauert nur noch einen Moment, schon bin ich an der Reihe, zu sagen, wofür ich dankbar bin.
„Ich bin dankbar für eure Gastfreundschaft.“
Killian braucht einen Moment, bis auch er spricht: „Ich bin dankbar dafür, dass ich heute in einem Bett schlafen kann.“
Nachdem alle ihre Dankbarkeit ausgedrückt haben, bringt jeder seine benutzten Teller in die Küche. Ich stelle schnell fest, dass jeder sein eigenes, benutztes Geschirr abwäscht, also reihe ich mich ebenfalls ein, doch Abby nimmt mir mein Geschirr ab. „Schon in Ordnung. Ich erledige das.“ Sie bietet auch Killian an, seine Arbeit zu übernehmen. „Ihr solltet euch ausruhen. Du musst morgen früh raus, Killian.“ Sie kichert und stupst ihn mit ihrem Ellbogen an. „Ich weiß ja, wie sehr du das hasst.“ Sie lächelt breit, während sie zu ihm nach oben sieht. Abby ist ein wenig kleiner, als ich es bin. Ihr helles Haar ist zu einem Zopf geflochten, der ihr locker über der Schulter liegt.
„Ja“, antwortet er knapp. „Danke, Abby.“ Die beiden sehen sich an. Der Blick in Abbys Augen macht mich ein wenig nervös, also greife ich nach Killians Hand. Als er das bemerkt, sieht er auf unsere Hände und dann in meine Augen. Ich bin ziemlich sicher, dass er es auch sehen kann.
Killian räuspert sich, ehe er spricht: „Oh, das ist Ilaria, meine neue Freundin.“ Sein Blick verrät, dass er es versucht, doch er kann die Nervosität in seiner Stimme nur schwer überspielen. Er fühlt sich immer noch unwohl, wenn nicht sogar noch unwohler als vor dem Abendessen.
„Ja, natürlich.“ Sie lächelt. „Ihr seid ein hübsches Paar.“
Killian reibt sich den Nacken. „Ja, äh, danke.“ Er wendet sich an mich. „Lass uns ins Zimmer gehen. Ich kann jede Stunde Schlaf brauchen.“
„Gute Nacht“, spricht Abby zuckersüß. Irgendwas an ihrer Stimme ist mir unangenehm, doch ich komme gar nicht erst auf die Idee, diese unangenehme und merkwürdige Situation noch unangenehmer und merkwürdiger zu machen, indem ich Fragen stelle.
Killians Schritte sind recht eilig, als wir zurück zu unserem Zimmer gehen. Er flüchtet regelrecht aus dieser Situation und vor Abby. Ich spüre, dass seine Hand zu schwitzen beginnt. Irgendetwas muss mit dieser Abby vorgefallen sein. Erst, als wir wieder im Zimmer sind, zeigt Killian deutlich, was er davon hält, sie wiederzusehen. Er lässt meine Hand los und reibt sich mit beiden Händen das Gesicht. Killian gibt unartikulierte Geräusche von sich und sieht mich dann geknickt an. Ich blinzle verwirrt. Ich weiß nicht genau, was das bedeutet, kann jedoch deutlich verstehen, dass es sich um eine negative Reaktion handelt.
„Willst du darüber reden?“, frage ich nach, worauf er seine Stirn in Falten legt.
„Lange Geschichte, aber ich fasse mich kurz. Abby und ich waren einige Monate zusammen, also damals, als es mir nach dem Tod meiner Mum nicht besonders gut ging.“ Ich nicke. „Wir hatten einen ähnlichen Lebensstil. Drogen und Alkohol. Es war eine ziemlich toxische Beziehung und wir waren beide nicht besonders nett zueinander.“ Killian verzieht das Gesicht. „Irgendwann hat sie durch einen seltsamen Traum plötzlich zu Gott gefunden und beschlossen clean zu werden. Dann haben wir uns getrennt.“
„Oh, dann war sie also deine Freundin.“
„Mhm“, stimmt er mir zu.
„Hast du sie sehr geliebt?“, frage ich interessiert nach.
Er druckst ein wenig herum, dann zuckt er mit den Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht war es verliebt sein, vielleicht waren es Kokain und Sex, damals war das alles sehr verschwommen.“
„Hm.“
„Ist ziemlich unangenehm, sie wiederzusehen. Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns jemals wieder über den Weg laufen und schon gar nicht in einer verdammten Apokalypse. Verrückt, wie klein diese Welt ist.“ Er kratzt sich den Kopf. „Aber du musst keine Angst haben, okay? Ich liebe dich und Abby war schon lange nicht mehr in meinem Kopf. Du musst dir keine Sorgen machen, dass da jetzt wieder etwas läuft, nur weil wir uns wiedersehen. Von meiner Seite aus gibt es keine Gefühle mehr und auch sie hat sicher keine Lust, Zeit mit mir zu verbringen, nachdem ich sie damals so angeschnauzt habe.“
Ich sehe Killian skeptisch an, dann schüttle ich den Kopf. „Ich habe keine Angst und ich zweifle auch nicht. Ich weiß, dass wir zueinander gehören.“ Besorgt mustere ich Killians Körpersprache. Seine Schultern hängen und sein Blick strahlt deutlich aus, dass diese Situation ihn unglücklich macht. „Ich mache mir eher Sorgen um dich. Geht es dir gut? Du siehst nämlich nicht aus, als würde es dir gutgehen.“
„Naja, eigentlich hatte ich mit der Vergangenheit abgeschlossen. Mit all dem. Drogen, Alkohol, Abby. Damit in der Apokalypse konfrontiert zu werden, war wirklich das Letzte, was ich gebraucht habe. All das da draußen ist schon beschissen genug, da will ich keine Zeit mit meiner gottesfürchtigen Ex verbringen. Das ist zu verrückt. Wenn es da oben tatsächlich einen Gott gibt, dann ist er ein sadistisches Arschloch.“
Ich stehe wieder vom Bett auf und nehme Killians Hand in meine. Mit einem sanften Lächeln sehe ich zu ihm auf und gebe ihm einen liebevollen Kuss. Es wird Zeit, dass er sich wieder schöneren, positiveren Gedanken widmet. Mein Liebster muss sich entspannen. „Kann es dich vielleicht aufheitern, wenn wir uns Zeit für uns nehmen?“ Ich schnuppere und verziehe dramatisch das Gesicht. „Du brauchst ganz dringend einen Schwamm und etwas Seife.“
Killian sieht mich ungläubig an, doch dann lacht er. Er nimmt mich fest in den Arm und küsst meine Stirn. „Ja, etwas Ablenkung würde mir echt guttun. Vielen Dank, Prinzessin. Du weißt immer, was ich grade brauchen kann.“
Breit lächelnd schließe ich meine Augen. Es ist deutlich zu spüren, dass es ihm durch meinen Witz schon ein klein wenig besser geht. Wegen diesem kleinen Rückschlag sollten wir uns die erste Begegnung mit freundlichen Menschen nicht verderben lassen. Morgen sieht bestimmt alles wieder anders aus.
༄ ♫ ༄
Mary ist so freundlich und zeigt uns eines der kleinen Badezimmer. Uns wird ein Eimer mit aufgewärmtem Regenwasser zur Verfügung gestellt. Das Badezimmer ist durch einige Kerzen erhellt. Sie sind im gesamten Raum verteilt und verleihen dem Raum einen blumigen Duft. Eigentlich ist es sogar recht romantisch, wenn man es so sehen möchte. Ich reibe den angefeuchteten Schwamm gegen ein Stück Seife und tunke ihn dann noch einmal ins Wasser. Mit kreisenden Bewegungen schäume ich Killians Rücken ein. Die Sonne hat bemerkenswerte Spuren an Killians Haut hinterlassen. Sein Rücken ist deutlich heller als seine Arme oder sein Gesicht. Man kann gut erkennen, welche Teile seiner Haut bedeckt und welche der Sonne ausgesetzt waren. Dass die Übergänge zwischen heller und gebräunter Haut so abrupt sind, amüsiert mich ein wenig. Es wirkt, als wäre Killian angemalt worden. Brummend genießt mein Liebster unsere Zweisamkeit. All der Stress ist vergessen, zumindest für einen Moment. Das Wetter hat sich immer noch nicht geändert. Die Regentropfen schlagen so aggressiv gegen das kleine Badezimmerfenster, dass ich beinahe das Gefühl habe, dass sie durch das Glas brechen könnten. Ich bin allerdings erleichtert, dass der Himmel nicht von grünen Blitzen erhellt wird. Noch mehr dieser magischen Katastrophe kann uns allen wirklich gestohlen bleiben.
„Die Menschen wirken nett“, beginne ich leise ein Gespräch.
„Ja, kann schon sein.“
„Du magst sie nicht.“
Killian zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung, ist schwer zu beurteilen. Es ist wahrscheinlich eine gute Idee, sich zusammenzuschließen. Sie haben hier ein paar Tiere, genug Platz für Gemüse und Obst, der Fluss ist auch nicht weit. Es gibt auch einige Teiche.“ Er zuckt erneut mit seinen Schultern. „Ich weiß nur nicht, was ich von all dem halten soll. Diese Dankbarkeit für jede Kleinigkeit ist ja eigentlich eine ganz nette Idee, um motiviert zu bleiben, aber ich habe mich mit Gott noch nie besonders wohlgefühlt und das spielt hier ja eine große Rolle.“ Killian schnaubt. „Es ist so schwachsinnig.“
„Wieso ist der Glaube an einen Gott schwachsinnig?“, frage ich, dann tauche ich meinen Schwamm wieder ins Wasser und versuche den Schaum von Killians Rücken zu wischen. „Ihr Gott schenkt ihnen ein recht angenehmes Leben. Naja, den Umständen entsprechend angenehm.“
„Ich weiß nicht, wie das in eurer Welt ist, Ilaria, aber unser Gott erfüllt keine Wünsche und er schenkt auch niemandem irgendetwas aus reiner Herzensgüte. Wenn du mich fragst, dann gibt es überhaupt keinen Gott. Im Prinzip ist es nur noch ein längst überholtes Überbleibsel aus einer Zeit, in der sich die Menschen viele Dinge nicht erklären konnten.“
Ich lehne mich gegen Killian und sehe über seine Schulter. „Du bist so missmutig. Vielleicht würde dir ein wenig Vertrauen nicht schaden.“
„Ja, klar, ich vertraue einem imaginären Gott, dem ich schon als Kind scheißegal war.“ Er schnaubt, dann küsst er meine Wange. „Bist du fertig? Ich würde dir auch gerne ein wenig zur Hand gehen.“
Ich möchte nachfragen, doch da Killian das Thema gewechselt hat, denke ich, dass es keine gute Idee ist, jetzt tiefer nachzuhaken. All diese Umstände sind ohnehin schwer genug für ihn und ich wollte ihn ja von seinen trüben Gedanken ablenken und sie nicht noch mehr hervorholen. Ich lehne meinen Kopf gegen seinen. „Der Schwamm gehört ganz dir, mein Liebster.“
Mit dem Schwamm streicht Killian über meine Haut. Beginnend bei meinem Hals, dann über meine Schulter, meine Brust und meinen Bauch entlang. An meiner Hüfte stoppt er, dann wiederholt er den Vorgang bei meiner anderen Schulter. Als ich Killians Augen mit meinen verfolge, muss ich unweigerlich schmunzeln. Ich kann deutlich sehen, wie sehr ihm dieser Anblick gefällt. Mit meinen Fingern streiche ich über Killians Arm. Unsere Blicke treffen sich. Ich beuge mich zu meinem Liebsten und gebe ihm einen Kuss.
Killian gibt ein überraschtes Brummen von sich, dann legt er seinen Arm um meinen Oberkörper und zieht mich an sich. Unsere Lippen berühren sich einige Male, dann nimmt Killian wieder Abstand von mir. „Okay, wenn wir damit nicht gleich aufhören, dann wird es noch sehr lange dauern, bis wir uns gewaschen haben.“ Er schmiegt seinen Kopf an meinen und platziert einen zarten Kuss an meiner Wange.
Ich kichere, dann streiche ich durch Killians bereits gewaschenes, immer noch feuchtes Haar. Als ich in Killians blaue Augen sehe, muss ich lächeln. Das Kerzenlicht und die Nähe zu Killian lassen mich die Romantik nun mehr als deutlich spüren, also schlage ich Killian etwas vor: „Wenn wir uns beeilen, können wir das hier ganz schnell in unserem Zimmer fortsetzen.“
Killian zieht einen Mundwinkel hoch. „Mir gefällt, wie du denkst, Prinzessin.“ Ich strecke mein Bein von mir und Killian greift sofort in den Eimer, in den er den Schwamm hat fallen lassen. „Du machst es mir wirklich nicht besonders einfach.“ Sein Grinsen wird immer breiter, als er mit dem Schwamm über meine Haut streicht. „Schon alleine meine Gedanken sichern mir einen Platz in der Hölle.“
„Was für Gedanken sind es denn?“, frage ich interessiert nach.
„Ach, nichts Wichtiges. Mach dir darüber keine Sorgen.“ Mit einem Tuch streicht er über mein Bein, um mich wieder zu trocknen. „Hätte fast vergessen, dass ich aufpassen sollte, dass du nicht zu nass wirst, mein kleiner Gremlin.“
Ich fasse in den Eimer und drücke Killian meine nasse Hand ins Gesicht. Er weicht zurück und trocknet sich seine Wange. „Nenn mich nicht schon wieder Gremlin. Ich bin kein Kobold.“ Killian lacht, dann bietet er mir zur Versöhnung einen Kuss an, den ich nur zu gerne annehme, immerhin weiß ich ja, dass es sich nur um einen Scherz handelt.
༄ ♫ ༄
Angekuschelt an Killians Seite lausche ich dem Regen. Es ist bereits dunkel geworden. Auch die Kerze in unserem Zimmer ist erloschen. Gedankenverloren zeichne ich immer wieder ein Herz auf Killians Brust. Ich höre erst damit auf, als er meine Hand festhält. Er hebt sie an und küsst meinen Handrücken.
„Wenn du damit weitermachst, dann gravierst du das Herz noch in meine Brust.“
„Oh, entschuldige. Das wollte ich nicht. Habe ich dich geweckt?“
Killian drückt mich an sich und küsst meine Stirn. „Nein, schon gut. Ich konnte noch gar nicht einschlafen.“
„Du konntest nicht einschlafen? Das klingt nicht nach dir. Bedrückt dich etwas?“
„Das alles hier. Ich habe kein gutes Gefühl mit all dem.“
„Was meinst du?“, frage ich nach. „Ist es dieser Gott, der dich stört?“
„Jain. Es ist vieles. Für gewöhnlich läuft es in solchen Kommunen erst toll und alle sind zufrieden und leben ihr Leben und irgendwann dreht jemand durch und Menschen werden verletzt.“ Ich ziehe die Decke höher, da ich ein wenig friere. Killian zieht mich näher an sich. „Sag' doch, dass dir kalt ist. Ich kann noch einen Schlafsack holen.“
„Nein, ist schon gut, bei dir ist es schön warm.“
„Warte, das ist ein bisschen unbequem. Ich muss mich anders hinlegen.“ Killian dreht sich zur Seite und ich knülle mein Kissen zurecht, da ich nun nicht mehr auf seiner Schulter liegen kann. Zu meinem Glück finde ich jedoch einen bequemen Platz auf Killians Arm. Er zieht die Decke zurecht, sodass ich gut vor der Kälte geschützt bin.
„Dann denkst du, dass wir in Gefahr sind und kannst deswegen nicht schlafen?“
„Nein, ich glaube, dass die Leute hier recht friedlich sind. Meistens geht es erst los, wenn alle ihr Leben aufgebaut haben und es schwieriger wird, wieder zu verschwinden. Wenn man nicht weiß, wohin man gehen soll und niemanden außerhalb einer Gemeinschaft hat, wird es schwerer zu gehen, weil man nicht weiß wohin man gehen soll. Familie, Freunde und Besitz hinter sich zu lassen ist schwer, besonders wenn man keine anderen Möglichkeiten hat und darauf spekulieren die Leute, die gerade Lust darauf haben ihre Macht zu demonstrieren.“
„Warte einen Moment, ich verstehe nicht ganz“, antworte ich ihm. „Was willst du damit sagen? Werden immer Menschen verletzt, wenn ihr zusammenlebt? Eines Tages wacht ihr auf und stellt fest, dass ihr euch nicht mehr leiden könnt und dann tut ihr euch gegenseitig weh? Einfach so?“
„Ganz so einfach ist es nicht.“ Killian hält sich die Hand vor, während er gähnt. „Menschen sind kompliziert.“
„Ja, offensichtlich.“
Ich verziehe die Lippen. Dass es eine Tatsache sein soll, dass Menschen irgendwann aufeinander losgehen, macht für mich keinen Sinn. Mein Volk würde niemals so reagieren. Die Menschen hier versuchen, ihr Leben wieder aufzubauen. Wieso sollten sie sich gegenseitig Steine in den Weg legen, anstatt gemeinsam dafür zu sorgen, dass es jedem einzelnen und damit ihnen als Gemeinschaft gutgeht? Das wäre doch viel angenehmer für alle Menschen.
Killian unterbricht die aufgekommene Stille, indem er wieder spricht: „Ich würde sagen, dass ich ihnen morgen noch helfe und dann ziehen wir weiter. Was denkst du?“
„Ja, vielleicht ist das keine schlechte Idee. Wenn du dich hier unwohl fühlst, dann ist es das Beste, wenn wir wieder gehen.“ Brummend stimmt er mir zu. „Während du weg bist, würde ich gerne etwas für die bunten Wände zeichnen. Vielleicht kann ich mich auch mit jemandem unterhalten. Könnte ja sein, dass schon jemand bei dem grünen Licht war, zu dem wir aufbrechen wollten. Es wäre schön, wenn mir jemand sagen könnte, was wir dort finden werden.“
Killian küsst meine Stirn und beginnt damit, meinen Arm zu streicheln. Seine warme Hand hinterlässt ein angenehmes Kribbeln an meiner kühlen Haut. „Ich fühle mich nicht wohl dabei, dass ich dich hierlasse und mit den anderen Typen verschwinde.“ Er schnaubt. „Vielleicht wollen die mich ja abknallen und dich hierbehalten, weil du dann nicht weißt, wohin.“
Ich schüttle den Kopf und frage skeptisch: „Wieso sollte ich bei jemandem bleiben, der dich aus dem Weg schaffen will?“
„Sie würden es dir natürlich nicht sagen“, entgegnet Killian mir.
„Das wäre ja auch dumm.“ Ich stupse gegen Killians Bauch. „Und sag nicht so schlimme Dinge. Uns wird nichts passieren.“
„Ich versuche nur, alle Seiten zu betrachten.“
„Klingt eher so, als würdest du es unbedingt schwarzsehen wollen. Du denkst nur an die schlimmsten Fälle und daran, dass ihr Menschen euch gegenseitig verletzen werdet und dass genau das die unausweichliche Konsequenz ist, wenn ihr Menschen euch zusammenschließt. Ich möchte deine Empfindungen nicht kleinreden, aber vielleicht solltest du den positiven Erfahrungen gegenüber offenbleiben. Wir haben zu essen bekommen und wir schlafen in einem bequemen Bett. Uns ist nichts Negatives widerfahren.“
„Wir mussten an ihrem scheinheiligen Glauben teilnehmen und meine Ex ist hier. Mein Blickwinkel unterscheidet sich doch ein wenig von deinem.“
Ich seufze. „Ja, das ist wohl wahr. Aber du bist trotzdem in Ordnung. Du bist frisch gewaschen und eingekuschelt und alles ist gut.“
Killian brummt. „Ja, das stimmt schon, aber ich kann mich nicht auf das alles einlassen. Vielleicht ist das alles auf einmal zu viel für mich. Und meine Ex in der Apokalypse zu treffen, stand auf gar keinen Fall auf meinem Plan.“
„Und wenn ihr darüber redet? Wenn ich das richtig verstanden habe, wollte sie damals ihr Leben ändern. Zusammen wäre es für euch bestimmt einfacher gewesen, wenn ihr euch gegenseitig unterstützt hättet. Es war doch auch für dich gut, dass du die Drogen hinter dir gelassen hast. Dir geht es besser als damals.“
„Nein, da steckte noch ein wenig mehr dahinter. Sucht ist ein komplexes Thema. Abby wollte unbedingt, dass es mir dank ihrem Glauben besser geht. Sie wollte mich zur Kirche schleppen, damit ich mein Leben in die Hände von Gott lege und um Vergebung und den ganzen Scheiß bettle. Das hat vielleicht ihr geholfen, aber für mich war das nicht die Lösung meiner Probleme. Es hat mich nicht interessiert, aber sie wollte mich trotzdem dazu zwingen, weil sie fest davon überzeugt war, dass Gott in dem Traum zu ihr gesprochen hat. Er hat ihr gesagt, dass wir beide durch ihn geheilt werden oder so ähnlich. Ich bin mir nicht mehr sicher, ist ja jetzt schon eine Weile her. Jedenfalls wollte ich damals nichts davon wissen und wir haben uns sehr heftig gestritten und uns dann getrennt.“ Als ich über Killians Brust streiche, fühle ich, dass sein Herz aufgeregt schlägt. Das Thema scheint ihn immer noch sehr zu belasten.
„Dann hast du es nicht mit ihr zusammen versucht?“
„Nein“, antwortet er hörbar verstimmt. „Um nichts in der Welt hätte ich das getan.“
„Warum nicht?“, hake ich nach.
„Weil ich es nicht wollte. Ich wollte keine Hilfe und schon gar keine von einem Priester oder irgendeinem Gott, der gar nicht existiert. Und falls er doch da oben sitzt und all das hier zugelassen hat, dann ist er ein Arschloch und hat diese bedingungslose Liebe von den gottgläubigen Idioten gar nicht verdient.“
Ich ziehe meine Brauen hoch. „Du klingst wütend. Wenn du nicht willst, dann müssen wir nicht weiter darüber sprechen. Ich muss ja auch nicht alles in jedem noch so kleinen Detail wissen.“
Killian atmet tief durch. „Nein, schon gut. Es ist vielleicht gar nicht schlecht, dass wir darüber reden. Und vor allem, dass wir im Dunkeln reden. Es wäre schwerer, wenn ich dir dabei in die Augen sehen müsste.“ Killian tastet sich bis zu meinem Gesicht vor und streicht über meine Wange. „Ich merke selbst grade, wie aggressiv ich eigentlich klinge. Tut mir leid, Prinzessin, das hat nichts mit dir zu tun. Ich sollte das nicht an dir auslassen. Du willst mir ja nur helfen.“
„Schon in Ordnung. Ich nehme es nicht persönlich. Dürfte ich dich noch etwas fragen?“
„Selbstverständlich.“
„Wieso bist du so wütend auf den Menschen-Gott?“
Killian atmet tief durch. „Das ist eine gute Frage. Ich müsste viel zu weit ausholen, um das zu erklären, aber Gott bringt uns Menschen nicht nur Trost, sondern auch viel Kummer. Die Menschen streiten schon viel zu lange darüber, wer nun der richtige Gott ist und wessen Glaube der einzig Wahre ist. Sie verwenden ihren Glauben dazu, anderen Menschen ihren Willen aufzuzwingen und dieser Unsinn hat schon viel zu viel Schaden angerichtet. Naja, zumindest war es vor all dem so.“ Er brummt. „Ich bezweifle aber, dass die Menschen sich geändert oder gar gebessert haben, deswegen bin ich auch mit den Menschen hier nochmal vorsichtiger. Die negativen Erfahrungen schwingen immer irgendwie mit, wenn du verstehst, was ich meine.“
Ich nicke leicht. „Ja, schätze schon.“ Der Regen klopft gegen das Fenster, während ich überlege. „Und dass mehrere Götter nebeneinander existieren könnten, funktioniert nicht?“
„Nein, nicht in unserer Welt. Menschen sind zu egoistisch und ihr Bedürfnis Kontrolle auszuüben überwiegt die Menschlichkeit.“ Killian lässt einen kläglichen Seufzer los. „Deswegen will ich von all dem gar nichts hören. Es ist kompliziert.“
„Ich glaube, dass ich eine Weile brauchen werde, um das zu verstehen.“
„Wenn du es nicht verstehst, wäre es auch okay, manchmal versteht man ein System eben nicht, vor allem nicht, wenn es gar keinen Sinn ergibt. Aber mittlerweile haben wir alle ohnehin ganz andere Probleme, als uns darüber den Kopf zu zerbrechen, wer nun den stärkeren imaginären Freund hat.“ Er schnaubt. „Was für ein Bullshit.“
Müde schließe ich die Augen. „Du hast mir jetzt ganz schön viel zum Nachdenken gegeben, das muss ich schon zugeben.“
„War vielleicht ein bisschen viel auf einmal. Entschuldige, Prinzessin. Ich wollte dich damit nicht überfallen.“
„Ich bin selbst schuld, ich musste ja nachfragen.“ Ich kichere. „Aber ich bin dir dankbar dafür, dass du mir das alles erklärt hast. Auch das mit Abby. Das war nicht leicht für dich.“
Killian brummt zustimmend. „Hat ziemlich in mir gebrodelt. Danke, dass du zugehört hast. Und danke, dass du nicht ausflippst. Frauen sind selten entspannt, wenn die Ex ins Spiel kommt.“
„Abby spielt gar nicht mit, die darf vom Rand auszusehen“, antworte ich unberührt.
Killian lacht, dann drückt er mich am Hinterkopf an sich und drückt mir einen Kuss ins Haar. „Das ist ein schönes Bild.“
„Finde ich auch.“
Ich mache es mir an Killians Brust bequem. Er reibt meinen Nacken, was mir ein gutes, entspannendes Gefühl gibt. Obwohl ich sehr müde bin, liege ich noch recht lange wach und denke darüber nach, was Killian mir über seine Welt erzählt hat. Von außen betrachtet scheinen sich die Menschen gegenseitig das Leben schwer zu machen. Vielleicht ist auch genau das der Grund, wieso Killian all diese Dinge in einem negativen Licht betrachtet. Und vielleicht hat er auch Recht damit, dass ich die Dinge zu positiv und rosarot sehe. Trotz der vielen Gemeinsamkeiten gibt es dennoch große Unterschiede zwischen unseren Völkern und natürlich auch unseren Welten. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bekomme ich das Gefühl, dass das ein Problem für ihn sein könnte. Vielleicht verkompliziere ich das alles aber auch gerade, weil ich mir zu viele Gedanken mache.
Killians Schnarchen zeigt, dass er eingeschlafen ist. Ich löse mich aus seiner Umarmung, um ihm den Rücken zuzudrehen. So kann sein warmer Körper mich noch besser aufwärmen. Zufrieden lege ich seinen Arm um mich und kuschle mich an ihn. Kaum schließe ich meine Augen, schleichen sich die Gedanken wieder zurück in meinen Kopf. Von meiner Seite aus gäbe es keine Zweifel daran, dass Killian und ich zusammengehören. Dass er jedoch sehr wohl Zweifel hat, stimmt mich trauriger, als ich es ihm gegenüber zugeben würde. Vielleicht unterscheiden sich unsere Gefühle so sehr, weil wir so verschieden sind. Zwischen Menschen gibt es keine Seelenverwandtschaft, zumindest nicht auf dieselbe Weise wie es bei meinem Volk der Fall ist. Sanft küsse ich Killians Unterarm. Wir müssen darüber sprechen, wenn ihm etwas unangenehm ist. Wenn es ihm schlecht geht, dann fühle auch ich mich schlecht. Müde reibe ich mir meine Augen. Am besten wäre es wohl, wenn ich das alles sacken lassen würde. Morgen, sobald Killian und ich alleine sind, können wir all das noch einmal genauer besprechen.
Mit geschlossenen Augen lausche ich dem Prasseln des Regens. Mittlerweile klingt er deutlich sanfter, als noch vor ein paar Stunden. Um endlich doch Schlaf zu finden, konzentriere ich mich auf meine Atmung. Ein und aus. Ein und aus.