Jeder Autor wünscht sich für seine Werke Kritiken. Manche sagen Rezension dazu, auch das ist richtig. Oder mal so: Was wäre die Literatur ohne Kritiker und ihre Kritiken?
Schauen wir uns den Kritiker genauer an. Es gibt verschiedene Arten dieser Spezies, die ich hier vorzeigen möchte. Die gendergeplagten User mögen mir bitte verzeihen, dass ich nicht alle Geschlechter aufführe.
1. Der Kritiker im stillen Kämmerlein
Diese Art von Kritiker ist in meinen Augen ein sehr bemitleidenswerter Mensch. Anstatt hinaus in den Buchhandel zu gehen, oder sich unter Leute zu mischen und Kontakte zu pflegen, sitzt er den lieben langen Tag, wie der Name schon sagt, in seinem stillen Kämmerlein dem PC und liest, bis er viereckige Augen bekommt. Er liest einfach alles, was ihm vor die Linse kommt, nur um sich die Zeit zu vertreiben. Hat er gelesen, muss er etwas dazu schreiben. Komme was wolle, es ist wie ein Zwang, den er nicht beeinflussen, geschweige denn, unterdrücken kann. Er ist nahezu süchtig danach, Kommentare und Kritiken zu posten, die oft nicht einmal einen Bezug zum Gelesenen haben. Wichtig ist es für ihn, etwas loszuwerden, gesehen und wahrgenommen zu werden. Kritiken zu posten, ist seine eigene, kleine heile Welt, der er nicht entkommen kann. Meist antwortet er auch nicht auf Fragen, die ihm von anderen Usern zu seiner Kritik gestellt werden. Das Problem dabei ist, der Kritiker im stillen Kämmerlein weiß bereits nicht mehr, was er überhaupt gelesen hat. Armer Tropf – Alzheimer lässt grüßen.
2. Der Kritiker-Troll
Der Kritiker-Troll ist eine ganz miese Sache. Er ist derjenige, der alles, aber auch alles, schlecht redet. Egal was gelesen wurde, es wird runter gemacht, bis nichts mehr davon da ist. Er hat immer Recht, auch wenn er wirklich nicht Recht hat. Der arme Autor, dem solch ein Kritiker-Troll über den Weg läuft, der ist zu bemitleiden. Das sollte man möglichst nicht öffentlich machen, denn auch das ist Wasser auf dem Rad der Mühle des Kritiker-Trolls. In diesem Fall schlägt er ohne Rücksicht auf Verluste um sich und macht alles nieder, was ihm in die Quere kommt. Wird er selbst kritisiert, sieht er rot.
Das Schlimme daran ist, man wird den Troll nicht ohne weiteres wieder los. Er löst sich nicht einfach in Wohlgefallen auf und verschwindet nicht auf Nimmerwiedersehen in den Tiefen des Internet-Universums. Ihn zu vertreiben, ist zwecklos. Er kommt immer wieder aus dem Untergrund hervorgekrochen und schlägt mit noch mehr Härte zurück. Dem Autor verschlägt es regelrecht die Sprache, er ist wie gelähmt, schockiert, ja möchte sich im kleinsten Mauseloch verstecken, um den Troll ja nicht über den Weg zu laufen. Sich gegen seine oft unter der Gürtellinie liegenden Kritiken zu wehren, hilft auch nichts, der Kritiker-Troll findet überall ein Haar in der Suppe und behauptet, er wäre derjenige, der arglistig angegriffen und beleidigt wird. Ihm zu widerstehen, gleicht oft einem geistigen Knock-Out. Eigentlich hilft nur eins, rigoros ignorieren: Do not feed the troll – Füttere den Troll nicht! Wird er ignoriert, regt er sich zwar anfangs auf. Aber er findet keine Angriffsfläche mehr und beginnt sich zu langweilen. Irgendwann hat er es satt und trottet zum nächsten Opfer. Ein armes Individuum, dem nicht zu helfen – und armes nächstes Opfer, dem beiseite zu stehen, eine gute Sache ist.
3. Der Ja- und Amen-Sager
Nein, das hat dieses Mal nichts mit Religion zu tun. Es geht um einen Kritiker und Leser, der einfach alles super gut, geil, cool, überwältigend findet, egal, was für einen Mist der Autor auch verzapft hat. Er tut sich groß mit Kommentaren, die den Autor regelrecht bauchpinseln und in die Höhe heben, als wäre er Gott. Ich kriege Herpes, wenn mir solche Kritiker über den Weg laufen. Aber sehen wir es mal von der anderen Seite: Der Ja- und Amen-Sager hat vielleicht noch nie eine richtig gute oder eine richtig grottenschlechte Geschichte zu Gesicht bekommen. So etwas soll es auch geben. Wobei ich bemerken muss, was eine gute oder schlechte Geschichte ist, liegt im Auge des Betrachters. Jeder hat eine andere Meinung darüber und jedem gefällt etwas anderes.
Der Ja-und-Amen-Sager weiß wahrscheinlich gar nicht, wie es sich anfühlt, wenn ihm eine Geschichte so sehr unter die Haut geht, dass ihm die Tränen kommen und er ins Tempo schluchzen muss. Oder er ist nie dem Gegenteil begegnet, er noch nie etwas gelesen hat, das ihn so sehr anwidert, dass er die Keramik anschreien und haareraufend davon rennen muss. Zum Glück habe ich noch nie solch eine Geschichte lesen müssen. Der Ja- und Amen-Sager-Typ kann einem eigentlich nur leidtun. Armer Kerl.
Ich könnte hier noch Unmengen von Beispielen aufführen, und noch mehr Arten von Kritikern analysieren. Doch denke ich, die wenigen Beispiele reichen aus, zu sehen, wie schwer es ist, an richtige Kritiker zu geraten.
Kritiken
Ich wende mich nun der Kritik zu. Stellt Euch vor, Ihr schreibt eine Kritik zu einer Geschichte, einem Roman, egal was. Ihr werdet sehen, wie schwer es ist, die richtigen Worte zu finden. Immerhin soll der Schriftsteller nicht so vor den Kopf gestoßen werden, dass er vor Frust gleich das Schreiben aufgibt. Als Autor muss ich damit rechnen, dass auch Kritiken geschrieben werden, die mir nicht gefallen. Damit muss unsere Zunft leben und lernen, damit umzugehen.
Ich habe immer ein kleines Problem damit, objektiv zu bleiben. Wenn ich mich in die Kategorien der Kritiker einreihen müsste, würde ich mich in einer Unterkategorie der Ja-und-Amen-Sager einordnen. Naja, ganz so schlimm ist wohl doch nicht. Gefällt mir etwas nicht, höre ich lieber auf mit Lesen und wende mich etwas anderem zu. Ich will den Autor nun mal nicht zornig machen und sein Baby nicht würdigen. Mir ist es bisher auch nur sehr wenige Male passiert, dass ich das Lesen einer Geschichte oder eines Romans abgebrochen habe. Dabei wäre es doch weitaus besser, trotzdem zu Ende zu lesen und mir darüber Gedanken zu machen, warum mir das Gelesene nicht gefallen hat und dies mitzuteilen. Das würde dem Autor garantiert mehr helfen, als einfach nur den Mund zu halten und den lieben Gott einen frommen Mann sein zu lassen. Mir selbst ist es als Autorin doch auch lieber, meine Leser sagen mir, was ihnen nicht gefallen hat. Auch wenn dies manchmal sehr schmerzhaft sein kann, man sich danach so übel fühlt und am liebsten die Schreiberei an den Haken hängen würde. Aber wie Ihr seht, ich bin immer noch da und schreibe froh und munter frei von der Leber weg, was mir gerade einfällt und labere Euch mit meinem Zeugs voll, dass Euch die Ohren schlabbern. Mir bringt es mehr, wenn Kritiken kommen, wie z.B. Mir hat dies und dies nicht gefallen, weil…. Oder Das hättest du besser formulieren können.
Ich möchte dazu ein Beispiel nennen:
Da schrieb mir letztens eine Leserin, die selbst auch Autorin ist: Zitat – Die Geschichte hätte mehr ausgearbeitet gehört. Das Missverständnis kommt aus dem Nichts.
Ganz ehrlich: Ich habe erst einmal dagesessen und habe geschluckt. Da hat es jemand gewagt, mein Baby zu kritisieren! Vor Aufregung konnte ich die ganze Nacht nicht schlafen, so sehr nahm mich der Kommentar mit. Doch am nächsten Morgen habe ich mein geliebtes Omm-Bäumchen aufgestellt, tief Luft geholt und mich beruhigt. In solchen Situationen liebe ich mein virtuelles Omm-Bäumchen, das mich wieder auf ein normales Level bringt und mich vor bösen Herzinfarkten schützt.
Fazit: Ich habe die Geschichte noch einmal in aller Ruhe gelesen, eine Nacht drüber geschlafen und festgestellt, die Kritik war berechtigt. Also das Ganze nochmal von vorne und siehe da, es rundete sich wie von allein. Es ist niemand davor gefeit Fehler zu machen, auch ich nicht. Nur eingesehen werden sollten sie.
Wie Ihr vielleicht seht, macht der Ton die Musik. Ich habe festgestellt, dass ich weder Literaturwissenschaft noch Literaturkritik studiert haben muss, um eine ordentliche und für den Autoren hilfreiche Kritik zu schreiben. Es mag vielleicht jeder denken, er hat auf seine eigene Art und Weise Recht. Ob dies auch für den Autor zutrifft, der die Kritik empfängt, steht auf einem anderen Blatt. Der Autor liebt sein Baby und will nichts dran kommen lassen. Fehler werden übersehen. Doch der Leser sieht die Geschichte mit anderen Augen, sieht Mängel, die sich eingeschlichen haben. Warum dies nicht dem Autor mitteilen? Allerdings sollte der Leser auch bedenken, dass viele Geschichten reine Fantasie des Schreibers sind und oft nichts mit der Realität zu tun haben. Autor und Kritiker auf einer Augenhöhe – gleichberechtigt, Kritiken zu geben und anzunehmen oder abzulehnen. Eine Kritik, auch eine, die dem Autor nicht zusagt, ist ein Anreiz, weiter zu schreiben und seiner Fantasie freien Lauf zu lassen.
Ich bin immer noch der Meinung: So wie es in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus – oder der Ton macht die Musik. Auch eine weniger gute Kritik kann in wohlgeformten Worten ausgedrückt werden, die den Autoren weder beleidigt noch seelisch misshandelt. Schon die Worte: Es tut mir leid, dies sagen zu müssen, reichen aus, den Schreiberling zu beschwichtigen. Nur aus einer Laune heraus etwas zu kritisieren, bringt ebenso nichts. Wir wollen uns nicht den Spaß verderben, den wir beim Schreiben haben. Denn den Spaß müssen wir haben, um weiterhin gute Texte schreiben zu können.
In diesem Sinne: Hoch leben die Literatur, die Kritiker und ihre Kritiken! Wenn es das nicht gäbe, wären wir Autoren ein Nichts, jedoch auch die Kritiker wären ohne uns Autoren – ein Nichts.
© Milly B. / 16.05.2019