Hakenhände und Piraten scheinen einfach zusammenzugehören. Es besteht keinerlei Zweifel daran, dass Piraten und andere Seeleute Arme und Beine verloren haben. Man musste nicht erst von einer Musketenkugel getroffen werden, um eine Hand oder einen Teil des Arms zu verlieren. Eine lockere Takelage oder ein verrutschter Anker reichten aus, um Gliedmaßen abzutrennen. Selbst ein schwerer Sturz während eines Sturms genügte, um eine Verletzung zu verursachen, die den Verlust einer Hand oder eines Fußes nach sich zog.
Historisch gesehen gehen künstliche Gliedmaßen auf die Zeit um 300 v. Chr. zurück - womöglich sogar noch früher. Die Prothesen in Zeiten der Piraterie beruhen jedoch auf den Bemühungen des französischen Chirurgen Ambroise Paré. In den 1550er Jahren stellte Paré solche aus mit Metall überzogenem Holz her. Sie waren schwer, schlecht sitzend und sehr teuer. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa ein Drittel bis die Hälfte der französischen Soldaten, die Gliedmaßen verloren, Prothesen dieser Art erhielten. Der überwiegende Teil der Gelehrten bezweifelt allerdings, dass die Zahl wirklich derart hoch war.
Erst um 1700 wurden aus leichtem Holz geschnitzte, künstliche Gliedmaßen zu üblichen Prothesen. Auch diese waren schlecht sitzend und nicht sehr gut. Die Hände waren eher kosmetisch und hatten keine Haken. Erst nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg wurden künstliche Gliedmaßen in größerem Umfang eingesetzt.
Trugen Piraten also tatsächlich Haken als Hände?
Die Antwort auf die Frage, ob Piraten Haken als Hände benutzten, lautet: Sehr wahrscheinlich nicht. Und wenn doch, dann waren sie selten. Ein verlorener Arm oder ein verlorenes Bein war eine Belastung und bedeutete, dass der Pirat ein wenig fähigerer Kämpfer war wie eine Person mit zwei Armen und Beinen.
Wir alle haben den einfachen Haken mit der Metallkappe gesehen, der sich über den Stumpf der ehemaligen Hand stülpt. Ein paar Dinge sollte man hierzu wissen.
Der Amputierte spürte oft Phantomschmerzen an der verlorenen Hand. Das lag an den durchtrennten Nerven. Aufgrund der Art und Weise, wie die Amputationen um 1700 durchgeführt wurden, verfolgten diese Schmerzen den Seeräuber oftmals für den Rest seines Lebens. Je nachdem, wie gut die Operation durchgeführt worden war, konnte der Stumpf, der nach der Amputation zurückblieb, schmerzhaft bleiben. Etwas anzuschnallen, verursachte meist noch größere Schmerzen. Konnte der Amputierte mit diesen leben, war es dennoch nicht einfach, einen Haken am Stumpf zu befestigen und zu erwarten, dass er dort verblieb. In Wirklichkeit musste der Haken nämlich nicht am Unterarm, sondern den ganzen Arm hinauf und dann um die Schulter und das Schlüsselbein herum befestigt werden, damit er nicht abfiel.
Es war einfach nicht möglich, ihn fest an den Stumpf binden, denn das schränkte die Durchblutung ein und verursachte Gangrän (1). Außerdem war es äußerst qualvoll.
Befestigte man einen Haken am Unterarm, rutschte der irgendwann ab, wenn man ihn belastete.
Eine tatsächliche Hakenprothese für eine fehlende Hand war eine aufwendige Vorrichtung, die aus einer Armmanschette bestand, die über die Schulter geschoben und dann um den Körper geschnallt werden musste. Sie war teuer in der Herstellung, überdies war es schwer, sie richtig zu befestigen. Sie half dem Piraten zwar bei leichten Verrichtungen, beispielsweise beim Wasser holen, konnte aber in einem Kampf schnell zur Belastung werden. Man stelle sich vor, der Haken verfing sich in einem Holz oder dem Körper eines toten Gegners. Aus dem Gurt, der um die Schulter geschnallt war, konnte man nämlich nicht so leicht herausschlüpfen.
In dem Film Die Piratenbraut wird ein Pirat gezeigt, der eine peitschenähnliche Kette als Ersatzhand benutzt. In der letzten Schlacht wird ihm diese Apparatur zum Verhängnis. Ähnliche Probleme hatte jeder Pirat, der eine Hakenhand benutzte.
War die Amputation oberhalb des Ellenbogengelenks oder in der Nähe der Schulter erfolgt, ist es mehr als zweifelhaft, dass eine hakenähnliche Prothese verwendet werden konnte. Bestenfalls wurde ein geschnitzter Arm, der einem echten Arm ähnelte, aus leichtem Holz als Prothese angefertigt. Ein solcher war unbequem und an Bord eines Schiffes komplett nutzlos.
Es ist möglich, dass in die Schultergurte Lasthaken eingearbeitet waren, dennoch war ein stumpfer Haken für einen amputierten Piraten nützlicher als ein geschliffener. Er konnte ihn zum Tragen kleinerer Lasten, zum Festhalten von Leinen und sogar zum Klettern in der Takelage verwenden, ohne dass er durch die scharfe Spitze eine ernsthafte Verletzung riskierte.
Fragwürdig bleibt obendrein, ob es einem Schiffszimmermann überhaupt möglich gewesen wäre, eine solche Vorrichtung anzufertigen. Diese musste für den Amputierten angepasst, gepolstert und richtig angebracht werden. Ein Chirurg oder Arzt, der sich mit künstlichen Gliedmaßen auskannte, hätte definitiv zu Rate gezogen werden müssen, damit die Gerätschaft von Nutzen sein konnte.
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(1) Es handelt sich dabei um das Absterben von Gewebe durch eine länger andauernde Durchblutungsstörung. Besonders häufig kommt dies an den unteren Extremitäten vor.