Eines der interessantesten Sachen in der nautischen Welt ist eine Flaschenpost. Derlei Flaschen haben sterbende Worte, Bitten um Rettung, Liebesbriefe und sogar militärische Geheimnisse transportiert. Sie haben als Teil wissenschaftlicher Forschung Licht in die Welt gebracht, und sie waren Teil schmutziger Machenschaften, durch die Menschen um ihr Geld betrogen wurden.
Die erste Flaschenpost wurde bereits 310 v. Chr. von dem griechischen Philosophen Theophrastos geschaffen. Es handelte sich hierbei um ein frühes, wissenschaftliches Experiment. Theophrastos stellte die Theorie auf, dass das Mittelmeer mit dem Atlantik verbunden sei und versiegelte zu diesem Zweck Botschaften in mehreren Weinkrügen, die er in der Nähe seines Hauses ins Meer warf. Die treibenden Krüge bewiesen tatsächlich, dass die beiden Gewässer miteinander verbunden waren. Das ist zwar nicht so romantisch wie eine einsame Flasche, doch waren diese Krüge tatsächlich die Vorläufer für viele Experimente des 18. und 19. Jahrhunderts.
Hunderte von Jahren lang wurden Notizen in Flaschen verwendet, um die Meeresströmungen zu kartieren. Ein typisches Beispiel war eine voradressierte Postkarte und entweder ein Blankoscheck oder das Versprechen einer kleinen Belohnung, wenn der Finder den Fundort der Flasche notierte und die Karte abschickte. Heute verwenden wir schwimmende Elektronik, um die gleiche Aufgabe zu erfüllen. Damit lässt sich genau feststellen, wohin die Strömung gegangen ist, und nicht nur, wo sie das Ufer berührt hat. Aber es ist nicht so romantisch.
Christoph Kolumbus verschickte eine traditionellere Nachricht, nachdem er nach seiner ersten Reise in die Neue Welt nach Spanien zurückkehrte. Als er in einen schweren Sturm geriet, befürchtete er, dass sein Schiff sinken und die Nachricht von seiner Entdeckung für immer verloren gehen würde, wenn er und seine Schiffskameraden ertranken.
So versiegelte er eine Nachricht mit den Einzelheiten seiner Reise und seiner Entdeckung zusammen mit der Bitte an den Finder, sie der Königin von Kastilien zu überbringen, steckte diese in ein Fass und warf es über Bord. Kolumbus hatte Glück und überlebte den Sturm. Seiner Botschaft erging es nicht so gut. Das Fass ging verloren, wurde versenkt oder in einem Land angeschwemmt, das die Botschaft nicht lesen konnte, jedenfalls hörte man niemals wieder davon.
Im 15. Jahrhundert wurden militärische Geheimnisse in Flaschen transportiert. Zu dieser Zeit waren viele Meeresströmungen kartographiert und somit gut bekannt. Englische Schiffe, die die Franzosen oder Spanier ausspionierten, versiegelten Nachrichten über ihre Entdeckungen in Flaschen und warfen sie in bekannte Strömungen, damit diese in England an Land gespült wurden. Königin Elisabeth I. erschuf gar den Posten eines Entkorkers von Ozeanflaschen und machte das Öffnen von Flaschen durch andere Personen zu einem mit dem Tod zu bestrafenden Vergehen.
Im Jahr 1784 stach Chunosuke Matsuyama mit 43 Freunden in See, in der Hoffnung, Abenteuer zu erleben und Schätze zu finden. Die Gruppe kam nicht weit. Ein Sturm riss die Segel in Stücke, brach die Masten und trieb das Schiff auf ein Korallenriff in der Nähe einer kleinen Insel zu. Matsuyama und seine Freunde wateten ans Ufer, doch die Insel war unbewohnt. Es gab kein Wasser und lediglich einige Kokospalmen sowie winzige Krabben.
Während seine Gefährten einer nach dem anderen an Hunger und Durst starben, wurde Matsuyama klar, dass er sein Zuhause niemals wieder sehen würde. Er fand eine Flasche im Schiffswrack, riss einen Streifen Rinde von einer der Palmen und ritzte eine Nachricht hinein. Anschließend steckte er diese in die Flasche und warf sie, so weit er konnte, ins Meer.
Die Flasche trieb 151 Jahre lang umher. Schließlich wurde sie von einem Seetangsammler in der Nähe des Dorfes Hiraturemura, dem Geburtsort von Chunosuke Matsuyama, gefunden.
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Der Fall der Waratah veranschaulicht, wie Menschen versuchen, von erlogenen Botschaften zu profitieren.
Die Waratah verließ Südafrika im Jahr 1909 in Richtung Australien, kam allerdings nie an ihrem Ziel an. Monatelang suchten andere Schiffe nach Spuren. Doch in einer Zeit, in der es noch keine Funkgeräte an Bord gab, wurde das Schicksal des Schiffes einfach als auf See verschollen vermerkt.
In den nächsten Jahren gingen Dutzende von Briefen über die Waratah bei Lloyd's of London ein, dem berühmten Versicherer von Schiffen. Diesen Briefen lagen Niederschriften über den Untergang bei. Die Briefschreiber behaupteten, sie hätten diese Briefe in schwimmenden Flaschen gefunden.
Die Versicherungsgesellschaft erklärte jedoch, dass alle diese Notizen gefälscht seien. Die Namen und Adressen der verlorenen Seeleute waren in Zeitungen abgedruckt worden, und die Ruhmessüchtigen nutzten diese Informationen, um die Nachrichten zu fälschen. Woher wussten sie das? Zum einen erzählte keiner der Briefe die gleiche Geschichte. Zum anderen waren sie allesamt vollständig.
Eines der Schriftstücke erwies sich als echt. Die Flasche wurde fünf Jahre nach dem Ereignis in der Nähe eines schottischen Küstendorfs auf der anderen Seite des Atlantiks gefunden. Darauf stand einfach: Oben schwer, eine Seite überschwemmt. Auf Wiedersehen Mutter und Schwester - Charlie M'Fell, Greaser.
Die Handschrift auf dem Zettel stimmte mit der eines Mannes namens Charles M'Fell überein, dessen Hauptaufgabe darin bestanden hatte, die beweglichen Teile der Schiffsmotoren zu schmieren. Charles hatte tatsächlich eine Mutter und eine Schwester gehabt. Seine letzte Nachricht an sie war rührend und kurz.
Eine Flaschenpost wurde sogar von der Titanic aus verschickt. Ein 19-jähriger Ire namens Jeremiah Burke, der mit einem Cousin nach Amerika reiste, schrieb auf einen Zettel: From Titanic, goodbye all, Burke of Glanmire, Cork. Dann leerte er eine Flasche Weihwasser, die ihm seine Mutter vor seiner Abreise geschenkt hatte, versiegelte den Zettel darin und warf ihn in die Wellen. Es dauerte ein Jahr, bis die Flasche die Küste erreichte. Sie landete nur wenige Kilometer von Burkes Haus entfernt. Doch Burkes Mutter bekam diese Nachricht nicht mehr in die Hände. Wegen des Verlusts ihres Sohnes war sie an einem gebrochenen Herzen gestorben.
Im Jahr 1957 fand Sebastiano Puzzo, ein sizilianischer Fabrikarbeiter, eine Flasche mit einer Notiz, die an den Strand gespült worden war. Die Zeilen waren auf Englisch verfasst, welches er nicht lesen konnte. Doch seine 18-jährige Tochter Paolina hatte Englisch gelernt.
Paolina, las den Brief von Ake Viking, einem schwedischen Seemann, der auf der Suche nach der Liebe war. Ake bat darum, dass jede geeignete junge Frau, die den Brief fand, eine Antwort auf die Frage: Willst du einen hübschen, blonden Schweden heiraten? schreiben und per Post schicken sollte.
Ake's Adresse und Foto waren dem Brief beigefügt. Paolina antwortete, eigentlich nur zum Spaß. Doch es entwickelte sich eine Beziehung zwischen den beiden, und einige Monate später heirateten sie.
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Flaschenpost gelangt gelegentlich immer noch in die Nachrichten.
Im Jahr 2005 wurden mehr als 80 Migranten auf einem havarierten Boot vor der Küste Costa Ricas zurückgelassen, da sie illegal unterwegs waren. Ohne jegliche Kommunikationsmittel trieben diese Menschen umher. Sie beschrieben ihre Lage auf einer Flasche und warfen sie ins Meer. Die Nachricht: Bitte helfen Sie uns! wurde von Fischern gefunden, die sie zu einer nahe gelegenen Insel brachten. Die dortigen Arbeiter alarmierten die Behörden. Die Schiffbrüchigen wurden gerettet.