«Mondtänzer!» jubelte Alena «du bist wach! Wie geht es dir?»
«Wieder ganz gut, auch wenn ich wirklich dachte, für mich habe das letzte Stündlein geschlagen.»
«Tatsächlich bist du dem Tod diesmal nur knapp von der Schippe gesprungen,» sprach die wohlklingende Stimme der Drachenmutter.
Der blauweisse Drachen blickte ungläubig auf die strahlende Erscheinung selbiger.
«Dann… war das alles also gar kein Traum? Du bist wirklich hier, oh grosse Mutter!» Mondtänzer versuchte aufzustehen, um der Drachendame seinen Respekt zu zollen.
Doch diese meinte: «Bleib noch etwas liegen und erhol dich erst einmal richtig, mein Sohn.»
Mit diesen Worten legte sie sanft eine Klaue auf seinen Rücken. Wieder durchströmte den weissblauen Drachen dabei eine wundervolle, überirdische Kraft, welche jede einzelne Zelle seines Körpers jubilieren liess.
«Ich… kann es einfach nicht fassen…» Er wandte sich nun wieder an Alena: «Wie nur, hast du das geschafft? Wie konntest du die grosse Drachenmutter hierherbringen?»
«Ich kann es auch nicht so genau sagen, aber scheinbar lag es an der bedingungslosen Liebe und an diesem Talisman hier.»
Sie zeigte Mondtänzer den Drachenanhänger und erzählte ihm die ganze Geschichte.
«Das ist ja unglaublich!» rief dieser, als sie geendet hatte. «Ich wusste doch, dass noch einiges mehr in dir steckt und dieser Stefan wie für dich geschaffen ist!»
Alena wurde etwas verlegen und erwiderte: «Ja, sieht ganz so aus.»
«Es wurde wirklich Zeit für mich, mal wieder hier vorbeizuschauen,» meinte die Drachenmutter. «Tenebris scheint ja richtiggehend ausser Kontrolle geraten zu sein. Dabei habe ich ihn einst mit einer so wichtigen, wertvollen Sache betraut.»
«Du… kennst Tenebris also persönlich?»
«Ja, er und ich kennen uns schon seit eine Ewigkeit. Er wurde einst, kurz nach mir, geschaffen und… war sogar eine Weile einer meiner Gefährten.»
«Einer deiner Gefährten!?» riefen Alena und Mondtänzer gleichermassen entsetzt aus.
«Richtig. Er gehörte damals zu den Nacht- oder den schwarzen Drachen, die den intelligenten Rassen ursprünglich helfen sollten, ihre inneren Dämonen zu erkennen und diese wieder aufzulösen, indem sie sie ans Licht brachten, von dem ich wiederum eine wichtige Wächterin bin. Durch das Licht konnten die Dämonen und Schattenanteile dann meistens transformiert werden.» (Anmerkung: die Idee mit diesen schwarzen Drachen, ist vom Drachenorakel Drachenweisheit, von der Karte Schatten inspiriert)
«Doch dann stellte sich der grosse Schattenmeister gegen mich und meinesgleichen. Er wollte damit seine Macht, die ihm durch das Erscheinen des Lichtes, das ich verkörperte, teilweise genommen worden war, wieder zurückerlangen.
So korrumpierte er einige meiner jüngeren Drachengeschwister, um sie für seine Zwecke einzuspannen. So wie es aussieht, ist das nun auch mit Tenebris geschehen. Dabei hätte er eigentlich den Auftrag gehabt, der letzten Nachfahrin der Wasserdrachen- Magier, also dir Alena, zur Seite zu stehen und dir zu helfen, deine inneren Dämonen zu erkennen und sie in etwas Gutes zu verwandeln. Scheinbar ist er dabei aber kläglich gescheitert. Zum Glück hat Mondtänzer diesen Auftrag jetzt übernommen und war um einiges erfolgreicher, wie mir scheint.»
Sie wandte sich anerkennend an den blauweissen Drachen: «Das hast du sehr gut gemacht mein Sohn! Ich bin sehr stolz auf dich!»
Mondtänzer wurde ganz verlegen und seine Augen strahlten wie Sterne, als er das grosse Kompliment aus dem Munde, seiner so verehrten Drachenmutter, vernahm.
«Aber… das war doch selbstverständlich,» wehrte er ab. «Alena und ich sind auf besondere Weise verbunden, das spüre ich deutlich. Nur weiss ich noch immer nicht so richtig, aus was für einem Leben wir uns genau kennen, ob erst aus diesem oder aus einem anderen.»
«Aus einem anderen,» sprach die Drachenmutter «aus einem weit zurückliegenden Leben, als Alena wahrhaftig eine Drachenreiterin und Magierin war. Das war noch zu jener Zeit, als wir, das vorerst letzte Mal, gegen den grossen Schattenmeister kämpfen mussten. Ihr seid damals zusammen in die Schlacht gezogen, als ein eingespieltes Team. Welch wundervoller Anblick ihr damals wart! Alena, die damals noch Tirana hiess (Bedeutung vom Tirana: Lied, Hymne), in funkelnder Rüstung, passend zu deinem Schuppenkleid Mondtänzer und du selbst, geschützt durch glänzende Silberplatten, die das Licht der Sonne einfingen.
Wir haben hart gekämpft und schliesslich konnten wir uns mit dem Schattenmeister auf einen Kompromiss einigen. Dieser gab ihm zwar weiterhin nur begrenzte Macht und doch war seine Macht seither etwas weitreichender als kurz nach meiner Erschaffung. Um nicht noch mehr Blut zu vergiessen, mussten wir aber eine Lösung finden, die für alle einigermassen tragbar war. Denn, es galt den freien Willen jedes Lebewesens zu respektieren und so liegt es nun bei jedem dieser Wesen selbst, ob es sich nach den Schatten oder dem Licht orientieren will. Manchmal wird ein Wesen dann von seinen inneren Dämonen übermannt und verfällt dadurch in ein sehr destruktives Verhaltensmuster. So etwas Ähnliches muss mit Tenebris geschehen sein.»
Trauer spiegelte sich bei diesen Worten in den Augen der Drachenmutter. «Das alles ist wirklich sehr bedauerlich. Ihr hättet Tenebris früher sehen sollen! Er war einer der schönsten, schwarzen Drachen, gross und mächtig, mit wundervollen Augen, die wie ein Nachthimmel aussahen, der gespickt mit bunten Sternen war. In seinen dunklen Schuppen brach sich das Licht und erzeugte einen grünlichblauen Schillereffekt.»
Alena horchte auf, als die Drachenmutter von den Augen den dunklen Drachen sprach. «Die Augen, die du beschreibst… Er hat sie noch immer. Ich habe sie gesehen!»
Die weisse Drachendame zuckte leicht zusammen. «Du sagst, er hat diese besonderen Augen noch?»
«Ja,» bestätigte auch Mondtänzer, der sich mittlerweile wieder aufgesetzt hatte. «Aber dann besteht noch Hoffnung für ihn!» rief die Drachenmutter aus. «Vielleicht vermögen wir ihn dann sogar auf seinen ursprünglichen Pfad zurückzuführen. Wir müssen es versuchen!»