Ihr Herz klopfte sogleich wie rasend und sie erhob sich, um den Mann zu begrüssen.
«Cool!» freute dieser sich «du durftest mal wieder etwas länger aufstehen, hab ich gehört!» «Ja!» rief sie und fiel dem Mann um den Hals. Dann küssten sich die beiden ziemlich leidenschaftlich.
«Ich habe gerade meine Kündigung ins Reine geschrieben,» erklärte sie Stefan. «Aber jetzt muss ich mich wieder ein wenig ausruhen. Mein Bauch schmerzt schon wieder etwas.»
Stefan nickte und zusammen gingen sie rüber zum Bett. Spontan legte sich der Mann neben die Frau und blickte sie, seinen Kopf auf seinen Arm gestützt, mit einem verklärten, ziemlich verliebten Blick an. «Du siehst heute sehr gut aus,» sprach er. «Es scheint, als kämest du wieder langsam zu Kräften.»
«Ja, ich denke schon,» erwiderte sie und kuschelte sich, mit einem wohligen Seufzer, an ihn. «Schön bist zu gekommen. Ich… habe dich vermisst.»
«Ich dich auch, sehr sogar.» Wieder küsste er sie, diesmal aber sanft und zärtlich. «Du sagtest, du hast gerade deine Kündigung ins Reine geschrieben? Dann willst du also Nägel mit Köpfen machen?»
«Ja, ich denke, das ist die einzige Möglichkeit. Ich muss meinem Leben dringend eine andere Wendung geben. Das ist sehr wichtig für meine innere und äussere Gesundheit.» «Das finde ich eine gute Idee. Ausserdem… hast du ja jetzt mich. Ich werde dich natürlich unterstützen, wenn es nötig sein sollte.»
«Das möchte ich aber nicht. Ich will keine Schmarotzerin sein.»
«Ach Blödsinn! Wenn du Hilfe brauchst, bin ich für dich da. Ausserdem wirst du bestimmt schnell wieder einen neuen Job finden.»
«Meinst du?»
«Ja klar! Und ansonsten kommst du einfach etwas mit mir auf grosse Fahrt.»
«Du willst mich in deinem Lastwagen mitnehmen?»
«Wenn du Spass daran hättest, klar. Ich muss in nächster Zeit sowieso einige Male ins Ausland. Wir könnten dann im Lastwagen oder auch mal in Hotels schlafen und uns etwas die Welt anschauen.»
Alena überlegte einen Moment lang. Das alles klang ziemlich spannend.
«Ja, warum eigentlich nicht?» meinte sie. «Das würde sicher Spass machen.»
Stefan strahlte und küsse die Frau erneut. «Du würdest also tatsächlich mit mir kommen? «Das hätte Angelika niemals gemacht. Sie fand es stets schrecklich, im Lastwagen zu reisen.»
«Reden wir nicht mehr von ihr! Ich bin anders als sie. Ich denke, so in der Welt herumzureisen, muss ein Gefühl von Freiheit sein.»
«Ja, das stimmt wirklich. Ich habe ausserdem das Glück, dass ich recht ordentlich verdiene und einen wirklich bequemen LKW fahren darf.»
«Umso besser,» grinste Alena. «Dann kann ich ja gut mal mitkommen.»
«Das würde mich natürlich sehr freuen. Ich kann es kaum erwarten!»
Kurz ergriffen die Frau wieder Zweifel. Würden sie und Stefan sich wohl wirklich so gut verstehen, wie sie es sich erhoffte? Würden ihre beiden Lebenskonzepte sich vereinbaren lassen? Was sollte sie nach ihrer Zeit als Pflegehelferin bloss arbeiten? Konnte sie überhaupt so eine Reise machen, wenn sie sogleich eine neue Stelle fand? Diesmal schob sie diese Ängste jedoch von sich und sprach: «Ja, mir geht es gleich. Darum werde ich mit meiner Kündigung wohl ernst machen. Ich will endlich ein neues Leben beginnen… mit dir.» Der Mann lächelte liebevoll und drückte seine Stirn an ihre. «Wer hätte jemals gedacht, dass ich, unter solch besonderen Umständen, einst meine Traumfrau kennenlernen würde,» sprach er bewegt.
«Ja, das war wirklich ein sehr grosses Geschenk. Von da her, war mein Unfall doch noch für etwas gut. Es kommt wohl immer alles, wie es kommen muss.»
Alenas Gedanken schweiften zu Mondtänzer.
«Wenn er nicht gewesen wäre,» dachte sie bei sich «dann hätte ich Stefan niemals angetroffen. Eigentlich hat er mir das Leben gerettet, in jeglicher Hinsicht, und nun wird es Zeit für mich, auch ihm und seinem Volk das Leben zu retten. Darum werde ich mich Tenebris entgegenstellen und alles dafür tun, um diesen endgültig in seine Schranken zu verweisen!»
Als ob Stefan ihre Entschlossenheit bemerkt hätte, meinte er: «Du scheinst nicht nur an Körper, sondern auch an Seele erstarkt zu sein. Hat das einen bestimmten Grund?»
Alena erschrak beinahe etwas über diese direkte Frage und erwiderte: «Ja… Ich fühle mich tatsächlich auch psychisch viel stärker. Das hat sehr viel mit dir und auch dem wundervollen Geschenk zu tun, das du mir gestern gemacht hast.»
Sie fasste erneut an ihre Drachenkette. «Sie ist tatsächlich wie ein Talisman für mich.»
«Das freut mich natürlich sehr,» erwiderte der Mann und berührte die Kette leicht mit seinen Fingern.
«Als ich sie im Schaufenster sah, da wusste ich, dass ich sie dir unbedingt kaufen muss. Sie hat… wie soll ich sagen… eine ganz besondere Energie. Ausserdem…» fügte er noch etwas scheu hinzu, «habe ich sie auch noch ganz bewusst mit den Gefühlen aufgeladen, die ich für dich… empfinde. Ich weiss, das klingt jetzt etwas schräg, aber… so ist es.»
«Ja, das habe ich gespürt,» hauchte Alena und kuschelte sich noch tiefer in Stefans Arme. «und ich danke dir von Herzen dafür!»
Gegen Abend verliess Stefan Alena wieder. Etwas traurig blieb sie, einmal mehr, einsam zurück. Es wurde wirklich Zeit, dass sie bald wieder aus diesem Krankenhaus herauskam! Die Entzündungswerte, in ihrem Blut, waren laut dem diensthabenden Arzt, endlich zurückgegangen.
«Wenn das so weitergeht, sollten sie Mitte oder spätestens Ende der nächsten Woche, wieder nach Hause zurückkehren können,» meinte er bei seiner alltäglichen Visite, an Alena gewandt. Endlich! Doch sogleich quälten sie erneut die Gedanken daran, schon bald wieder an ihre Arbeit zurückkehren zu müssen.
«Irgendwie muss ich eine andere Haltung zu dieser Sache finden,» dachte sie bei sich. «Drei Monate habe ich so oder so noch Kündigungsfrist und ich muss diese Zeit noch so gut als möglich bestreiten. Eigentlich ist es ja absehbar und darum will ich versuchen, alles etwas weniger tragisch zu nehmen und doch bis zum Schluss für jene Werte eintreten, die mir wichtig sind.
Schliesslich werde ich schon bald einem gigantischen Schattendrachen entgegentreten. Sollte ich da wirklich heil herauskommen, werde ich wohl auch noch diese letzten drei Monate, bei dieser ungeliebten Arbeit, durchstehen können.»
Und… an diesem Abend fällte Alena einen Entschluss: Sie würde in Zukunft vor nichts mehr davonlaufen und zu ihrem eigenen Wesen stehen, egal was die anderen dazu sagten. Sie würde ausserdem alles daran setzen, dass die wunderschöne Welt der Wasserdrachen bewahrt wurde, denn das würde auch auf ihre Psyche einen sehr massgeblichen Einfluss haben. Mit diesen ermutigenden Gedanken schlief sie, kurz darauf, friedlich ein…
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«Sie ist wieder da!» rief eine wohlklingende Stimme. Alena blickte auf und sah über sich die leuchtendweisse Silhouette der Drachenmutter aufragen. Sie war also zurück im Reich der Wasserdrachen!
Sogleich erhob sie sich. Mondtänzer sass in einigem Abstand, neben einem, in der Sonne glänzenden Haufen, aus wertvollen Gegenständen. Seine Augen blickten verzückt.
Alena gesellte sich zu ihm. «Sind das die Rüstungsteile, die einst uns gehört haben sollen?» fragte sie.
«Ja, das sind sie. Ist das nicht unglaublich!»
Alena betrachtete die Rüstungsteile eingehend. «Ich kann mich zwar nur sehr vage erinnern, aber ich denke tatsächlich, dass das unsere sind.»
«Schau mal da drüben liegt sogar noch dein damaliges Schwert! Daran wirst du dich bestimmt erinnern!»
Mondtänzer zeigte auf ein lange Klinge, mit einem ausladenden Griff, der auch als Parier- Stange verwendet werden konnte. Der Griff war mit einem kunstvoll geschmiedeten Drachenkopf und einigen Edelsteinen verziert und steckte in einer blauschillernden, ebenfalls mit silbernen Ziselierarbeiten und Edelsteinen geschmückten Scheide.
Als Alena das Schwert jedoch aufhob, stellte sie fest, dass es viel zu schwer war. «Ich glaube nicht, dass ich diese Waffe führen kann,» sprach sie. «Sie ist schlichtweg zu schwer für mich und ich habe keine Ahnung von Schwertkampf. Die Rüstung ist aber sehr schön!» Sie hob den Schuppen Brustpanzer auf, der tatsächlich in denselben Farbschattierungen glänzte, wie das Schuppenkleid ihres treuen Drachenfreundes und betrachtete ihn bewundernd. «Mal schauen, ob ich da noch reinpasse.»
Tatsächlich erwies sich die Rüstung als sehr flexibel und passte sich sogleich, auf wunderbare Weise, Alenas Körper an. Kurz darauf war sie vollends eingekleidet.
«Na, wie sehe ich aus?» fragte sie und schwellte dabei ihre Brust.
«Grossartig, einfach prächtig!» freute sich die Drachenmutter. «Es gibt da übrigens auch noch einen Umhang, der dich noch zusätzlich als Drachenmagierin ausweist.»
Die weisse Drachendame zog, unter dem Haufen der übriggebliebenen Rüstungsteile, einen himmelblauen Umhang hervor, der mit mehreren magischen Symbolen in Gold und Silber bestickt worden war.
«Diese Zeichen verleihen dir Macht und können deine Magie kanalisieren,» erklärte ihr diesmal Mondtänzer.
«Nun ja, aus Magie wird wohl diesmal noch nichts werden,» erwiderte Alena ironisch «aber hübsch anzusehen ist der Umhang auf jeden Fall.»
«Man kann ihn mit diesen Bändern an der Rüstung befestigen,» sprach der blauweisse Drachen und ging Alena, so gut er es vermochte, dabei zur Hand, den Umhang anzulegen. Sogleich, als dieser sich um ihre Schultern legte, spürte Alena tatsächlich einen unglaublichen Strom der Macht, der urplötzlich durch ihren Körper floss und der Frau auf einmal ein Gefühl der Sicherheit und der Unbesiegbarkeit vermittelte.
«Dieser Umhang ist auch zugleich dein Schutzschild,» sprach die Drachenmutter. «Er kann dich von so manchen Verletzungen schützen, auch wenn du seine Magie noch nicht so wirklich zu nutzen verstehst. So nun wird es aber Zeit, auch noch Mondtänzer einzukleiden, damit ihr beide baldmöglichst mit eurem Training loslegen könnt.»
«Ich werde dir alles beibringen, was du brauchst!» rief Mondtänzer enthusiastisch. «Schon bald wirst du dein Drachenschwert wieder führen können, wie in alten Zeiten!»
«Also ich weiss nicht so recht…» sprach Alena zweifelnd. «Eigentlich dachte ich, wir versuchen uns friedlich mit Tenebris zu einigen.»
«Das werden wir natürlich auch versuchen,» antwortete die Drachenmutter. «Aber trotz allem, musst du für jede Situation gewappnet sein.»
Sie wandte sich an Mondtänzer: «Wie lange glaubst du brauchst du, um Alena wieder einigermassen in Form zu bringen?»
«Vielleicht so , eine knappe Woche.»
«Wie bitte!?» rief die Frau aus. «So schnell werde ich doch niemals alles lernen können, was ich brauche!»
«Ach was, hier geht alles viel schneller. Ausserdem liegt dir das Kämpfen und die Magie im Blut. Man muss das alte Wissen einfach wieder etwas hervorkitzeln. Das schaffen wir bestimmt!»
«Also gut,» erwiderte die Drachenmutter. «Sagen wir drei Tage. Das sollte auf jeden Fall reichen!»
Noch einmal wollte Alena protestieren, doch die weisse Drachendame ging gar nicht erst darauf ein, sondern erhob sich erneut in die Lüfte und entschwand, gleich darauf, ihren Blicken!