Mondtänzer schaute etwas zweifelnd drein, als er diese Worte hörte. «Ich weiss nicht, ob das wirklich noch möglich ist, grosse Drachenmutter. Immerhin hat er mich sehr schwer verletzt. Ich glaube darum, dass das Böse schon zu stark in ihm geworden ist.»
«Vielleicht ja auch nicht,» meinte Alena.
Ihr Drachenfreund blickte sie vorwurfsvoll an. «Eigentlich solltest du etwas vorsichtiger sein. Du hast gesehen, zu was Tenebris fähig ist und dass er der Vernunft nicht mehr wirklich zugänglich ist. Er ist davon überzeugt, dass ihn dieser… finstere Schattenmeister einst erschaffen hat. So lange er das glaubt, wird es sehr schwer sein, zu ihm durchzudringen.»
«Dennoch müssen wir es versuchen,» meinte Alena, selbst ein wenig erschrocken über ihre Kühnheit.
Die Drachenmutter nickte und sprach: «Ich werde mit euch zu Tenebris gehen und versuchen ihn zur Vernunft zu bringen. Wenn er mich sieht, wird er sich vielleicht eher wieder an sein wahres Selbst erinnern.»
«Nun ja…» feixte Mondtänzer «Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.»
«Du hast mich ja auch nicht aufgegeben, als Tenebris seine Aufgabe, mir bei meiner Schattenbearbeitung zu helfen, einst vergessen hat,» rief ihm Alena in Erinnerung.
«Das ist etwas anderes. Du und ich, wir beide sind schon lange ein Team und auf besondere Weise verbunden, darum musste ich dich einfach daran hindern, in dein Elend zu rennen.»
«Dafür bin ich dir auch sehr dankbar. Dennoch befürchte ich, wir kommen nicht um Tenebris herum, wenn wir diese Welt hier retten wollen.»
«Aber wenn du dem Finsteren nochmals entgegentrittst, musst du mental und auch körperlich besser vorbereitet sein.»
«Zumindest was den körperlichen Schutz anbelangt, kann ich etwas Abhilfe schaffen,» meinte die Drachenmutter gleichmütig. «Ich kann euch eure alte Rüstung und die dazugehörigen Waffen herbeizaubern.»
«Wirklich!?» rief Alena und ihr Herz klopfte vor Aufregung. «Du hast sie aufbewahrt?» fragte Mondtänzer.
«Ja, sie liegt in einer der vielen Rüstkammern, die über das ganze Universum verteilt sind. Ich habe noch immer Zugriff auf diese Rüstkammern.»
«Das heisst, du könntest auch meine Drachenbrüdern und Schwestern für eine Schlacht ausrüsten, falls es so weit kommen sollte?» wollte Mondtänzer neugierig wissen.
«Ja, das könnte ich. Wir hoffen jetzt aber erst einmal, dass es gar nicht erst zu einer weiteren Schlacht kommt.»
«Ja, das hoffe ich auch,» sprach Alena nervös. «Ich habe nämlich keine Ahnung von Kämpfen und so.»
«Du würdest das schnell wieder lernen,» sprach Mondtänzer überzeugt. «Es ist wie mit dem Fliegen. Einmal Drachenreiterin, immer Drachenreiterin.»
«So einfach erscheint mir das alles nicht,» erwiderte die Frau. «Ich bin schon ziemlich lang, völlig ausser Form; Mental, wie körperlich.»
«Wir könnten miteinander üben,» anerbot sich der Wasserdrache.
«Zuerst, will ich es aber lieber ohne Kampf versuchen.»
«Das erscheint mir die richtige Einstellung,» sprach die Drachenmutter zufrieden. «Krieg und Kampf, sollten stets nur als aller letzte Option in Erwägung gezogen werden.»
«Also mir würde es Spass machen, wieder mal in die Schlacht zu ziehen und Tenebris so richtig in den Hintern zu treten,» sprach Mondtänzer.
«Du bist auch noch jung und impulsiv, mein Sohn,» sprach die Drachenmutter tadelnd.
«Auch wenn das Eigenschaften sein mögen, die durchaus ihren Reiz haben, so sind sie in dieser Situation gerade fehlt am Platz.»
«Ich soll jung und impulsiv sein?» rief der weissblaue Drachen beleidigt. «Dabei ist Alena doch noch viel jünger als ich.»
«Die Lebensspannen der Menschen sind auch viel kürzer. So befindet sich Alena bereits auf dem Weg zur Weisen Alten, während du… nun ja… noch ein richtiger Jungspund für unsereins bist.»
«Ich, ein Jungspund?» Mondtänzer wirkte jetzt sichtlich gekränkt.
Alena hatte irgendwie das Gefühl, ihren Drachenfreund verteidigen zu müssen, deshalb meinte sie: «Also ich finde, dass Mondtänzer schon sehr weise ist. Auf jeden Fall ist er viel weiser als ich. Ich habe eigentlich nur Schiss vor einem Kampf mit diesem gigantischen Tenebris und wäre darum froh, wir könnten das Ganze anders regeln.»
Ein amüsiertes Lächeln huschte über das Gesicht der Drachenmutter. «Dann versuchen wir es doch einfach mal anders und wenn das nicht funktioniert, dann kommt dein Plan zum Tragen, Mondtänzer.»
Der blauweisse Drachen neigte zustimmend das Haupt.
«Also gut,» meinte die Drachendame schliesslich: «Dann werde ich mich also jetzt mal um die Rüstungen kümmern und ihr ruht euch ein wenig aus. Morgen um dieselbe Zeit, treffen wir uns hier wieder. Bis bald!»
Mit diesen Worten erhob sich die Drachenmutter anmutig in die Luft und in eine letzten Aufglimmen, ihrer strahlenweissen Schuppen, flog sie davon.
12.Kapitel
Kurz darauf, erwachte Alena erneut im Spital. Es wurde bereits wieder Morgen und das erste, bleiche Licht der Dämmerung, erhob sich.
Einen Moment lang, blieb die Frau einfach still liegen und dachte nochmals über die eindrücklichen Erlebnisse der letzten Stunden nach.
Voller Zuneigung umfasst sie mit ihrer Hand die Drachenkette, welche ihr Stefan geschenkt hatte. Sie konnte noch immer nicht recht glauben, was für eine wichtige Bedeutung diese für sie hatte. Dank ihr und den wundervollen Gefühlen, die darin lagen, hatte sie schliesslich die Drachenmutter ausfindig machen können. Am liebsten hätte sie Stefan gleich davon erzählt. Doch sie musste damit etwas vorsichtig sein. Das, was sie da erlebte, war schliesslich alles andere als gewöhnlich und sie wusste noch nicht, wie der Mann damit umgegangen wäre. Um ihm alles zu erzählen, musste sie ihn schon noch einiges besser kennenlernen.
Würde er wohl heute nochmals vorbeikommen? Sie hoffte es sehr, jetzt da sie sich gerade so nahe gekommen waren.
Wie üblich ging die Zeit, die Alena allein verbrachte, schleppend voran. Schliesslich nahm sie wieder ihren Block zur Hand und überflog noch einmal das Kündigungsschreiben. Sollte sie es jetzt wohl endlich abschicken? Doch dazu brauchte sie ihren Laptop. Vor kurzem hatte ihre Schwester ihr diesen mitgebracht.
Als der Frühdienst kam, fragte sie diesen, ob sie sich mal an den Tisch setzen dürfe, um etwas an ihrem Laptop zu arbeiten.
Die diplomierte Schwester, erlaubte es ihr.
«Aber einfach nicht zu lange, Frau Wagner,» ermahnte sie sie dennoch. «Sie müssen ihren Bauch noch etwas schonen. Ich werde ihnen ausserdem zuerst nochmals Blut abnehmen. Ist das in Ordnung?»
«Ja natürlich. Ich hoffe, die Entzündungswerte sind endlich zurückgegangen.»
«Das hoffen wir natürlich alle sehr,» erwiderte die Schwester und machte die Utensilien für die Blutabnahme bereit.
Schon bald war das Ganze vorbei und Alena setzte sich nun mit ihrem Laptop an den kleinen Tisch im Zimmer. Sie startete diesen auf und begann dann ihre Kündigung ins Reine zu schreiben. Als sie fertig war, öffnete sie ihr E-Mail-Programm und bereitete den Brief vor, um ihn bald abzuschicken, als… ihr erneut ein Besuch von Stefan angekündigt wurde!